Hôtel Buchholz: Ausstellungs-Erlebnisse der Frau Wilhelmine Buchholz. Julius Stinde
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Die Treppen sind mit Läufern, das Holzgetäfel ist auf das Zarteste geschnitzt und weiß lackirt, die blanken Messinggeländer sind bildgießerisch höchst kostbar, aber doch nichts im Vergleich mit den Kaiserlichen Gemächern, die nicht blos so heißen, sondern es wirklich sind.
Wenn der Kaiser die Ausstellung besucht, ist das Bremer Schiff sein Absteigequartier, wo ein Speisesaal, ein Besprechungszimmer und ein Rauchgemach bereit stehen und für die Kaiserin Zimmer und Salons, deren Deckengemälde von so lieblicher Schönheit sind, daß sie eine Weide für die verwöhntesten Augen bilden.
Wenn die Majestäten abwesend sind, kann man diese Herrlichkeiten betrachten, ebenso die vollkommen eingerichteten Kabinen erster und zweiter Klasse, die Damen-, Speise- und Rauchzimmer, Capitainskabine, Arztwohnung mit Apotheke, Lazareth, Badestuben und weiß dann, wie ein Personendampfer aussieht.
Klettert man höher auf das Promenadendeck und noch höher, wo der Capitain steht, auf die Commandobrücke, dann ist das Schönste erreicht, was ich Erika zeigen will.
Das Schiff ist so hoch wie ein vierstöckiges Haus und liegt auf dem Lande, wenn auch mit der Spitze in die Spree hineingebaut. Von hier oben nun hat man eine Aussicht, die nicht zu beschreiben ist. Nach Westen zu das große, weite Berlin mit unzähligen Fabrikschornsteinen, die qualmen und rahmen, und wenn die Sonne scheint, blitzt es ab und zu goldigglänzend von einer Kuppel oder der Siegessäule oder was sonst auf blank gearbeitet ist. Nach Rechts, nach der Eierhäuschengegend und Sadowa, ist grünes Gefilde mit Waldbegrenzung, eine echte Spreelandschaft, bildschön für Einheimische, und für Ausheimische eine freundliche Bitte, die Berliner Umgegend nicht blos zu lesen und zu höhnen, sondern zu betrachten und der Wahrheit die Ehre zu geben.
Und nun erst die Spree. Die Südsee ist breiter, das gebe ich zu, und die Elbe auch und, wie klein die Schiffe sind, das mißt man sofort durch Vergleiche mit dem Kaiserschiff ab, aber dies Leben, dies Gondeln, diese Rührigkeit zur Ausstellungszeit, das Alles ist die Märchenhaftigkeit der Wirklichkeit. Wenn die Blätter von den Bäumen fallen, schwindet auch dies lebendiges Bild aus dem Leben der Großstadt. Und kommt nie wieder.
Deshalb soll und muß Erika hinauf auf die Commandobrücke des Kaiserschiffes und ich will nichts weiter betrachten als ihre lieben blauen Augen, die All dies Schöne auftrinken und leuchten wie Kinderaugen am Weihnachtsfest. Sie spricht dann nicht viel, weil ihre Seele sammelt, aber im Winter, nach Jahr und Tag, bei rechter Gelegenheit, fängt sie davon an und hilft unserm Erinnern auf, bis wir wieder vor uns sehen, was uns Freude machte. Sie erzählt keine längere Feuilletons, o nein. Ein kleiner Satz, oft nur ein Wort und fertig ist die Laube, als säße man darin und hörte die Nachtigall singen. Die kleine Wilhelmine muß natürlich mit. Heut zu Tage kann die früheste Jugend nicht genug anschauen; es ist mehr Wissen vorhanden, als das Leben lang ist.
Onkel Fritz dagegen darf unter keinen Umständen mit hinauf. Wenn der dort oben steht und hat die Gegend ausgekundschaftet, er dann gerufen: »Herrjeh, ist das gegenüber nicht Stralau? Und das links... das ist ja Tübbecke!« Und dann die Hände als Sprachrohr an den Mund und geschrieen:
»Kellneer, einmal grünen Aal!« — Nein, er bleibt irgendwo an einem näßlichen Orte; es giebt ja vorzügliche Weißen draußen. Außerdem hänge ich ihm Ottilie an die Rockschöße.
Wie freue ich mich auf die kommende Zeit.
Ein Damen-Ausflug.
Ich hatte der Bergfeldten — merkwürdig, daß ich sie immer wieder nach ihrem ersten Manne nenne, den sie doch eine Reihe von Jahren hinter sich hat — also richtiger der Frau Butsch versprochen, sie baldigst nach der Eröffnung mit nach der Ausstellung zu nehmen und ihr durch meine allmählich erworbene Platz-Plankenntniß in kürzester Zeit einen Ueberblick beizubringen, daß sie zu Hause Rechenschaft ablegen kann. Denn dies ist die Hauptsache. Alle Kunden fragen in der Weißbierstube, wie es sich mit der Ausstellung verhält und Herr Butsch hat nichts gesehen und sie noch weniger und die Gäste betrachten das Lokal nachgerade als ein Nebengeschäft der Idioten-Anstalt. Wer nichts von der Ausstellung zu sagen weiß, gilt allmählich für unbetheiligt an der Civilisation.
Weil sie nun mir so freundlich mit dem Zimmer aushelfen will, bin ich ihr auch gern wieder gefällig und schrieb ihr auf einer Fahrrad-Karte, daß ich sie zu einem gemüthlichen Nachmittag erwarte.
Sie hat sich in der letzten Zeit bedeutend gebessert. Verhältnisse ändern zum Guten oder zum Schlimmen, je nachdem der Mensch hineingesetzt wird. Herr Butsch läßt sich wenig gefallen. Wenn man so seine Statur betrachtet, da muß sie klein beigeben, wogegen Herr Bergfeldt weder die Beamtenluft vertragen konnte noch die häuslichen Zustände. Den tödteten die Sorgen, ehe er starb.
Wenn man mit Leuten im Leben Freud und Leid durchgemacht hat, Erzürnen und Vertragen und, was die Zeiten so brachten, steht man sich näher, als man oberflächlich zugiebt. Das jüngere Geschlecht wächst heran, dem Zukunftslichte zu und läßt uns Aelteren in dem Schatten der Vergangenheit. Aber wir sehen auch hinaus in das Helle, blos mit dem Unterschied, daß wir einen ganzen Kasten voll Erfahrungen haben: Früchte des Lebens, die wir öfter anbieten, als sie von der klügeren Jugend abgenommen werden. Aber man knabbert selbst daran und freut sich der Zeiten, als man sie sammelte.
So dachte ich mit der Butschen den Ausstellungsnachmittag zu verbringen: das Neuere und Neueste bestaunen, Meinungen darüber austauschen, obgleich immer nur zwei Ansichten sein können, meine oder die verkehrte, zwischendurch den Gastwirthen etwas zu verdienen geben und während des Ausruhens vergangene Erlebnisse aufwärmen und in aller Behaglichkeit vieräugig Plaudern, mit einem Worte von seinem Dasein etwas haben. Aber in der Butschen waltet immer noch die Bergfeldten.
Konnte sie denn nicht alleine kommen? Was mußte sie die Fräulein Pohlenz mitbringen, die ich stets freiwillig übersehe, sobald sie mir begegnet, da ich sie drei Schritt vom Leibe am liebsten habe. Und wenn sie sich an die Butschen anklettet, muß die soviel Mumm haben, daß sie sagt: Fräulein Pohlenz, ich glaube nicht, daß Sie heute angebrachter Maaßen sind oder wie sie sonst abwinkt. Gegen gute Freunde kann man ja deutlicher sein, als gegen Fremde.
Ich durfte deshalb mein Mißfallen nicht in passende Worte kleiden, sondern mußte die Pohlenz mit übernehmen, wie sie da war: aus dem ersten Jugendtraume längst erwacht, aber immer noch sich gehabt, wie eben aus der Wiege. Und das kann ich nicht ausstehen. Wer dumm geboren ist, den entschuldigt man mit der Vorsehung, die wohl ihre Gründe gehabt haben mag, aber wer sich dumm stellt, der hält Andere für noch dümmer, und das ist eine Beleidigung.
»Sie hat so'n Gieper auf die Ausstellung,« sagte die Butsch, »daß ich sie endlich mitnahm. Und als einzelnes Mädchen allein unter die Menschenmenge lassen, das kann man auch nicht gut verantworten.«
»Ich glaube, Sie bilden sich was ein, Fräulein Pohlenz,« bemerkte ich.
»Ach nein,« sagte die mit niedergeschlagenem Blick »aber draußen im schlesischen Busch ist doch schon mancherlei passirt....« Weiter kam sie nicht, sondern hustete den Schluß ihrer Rede.
»Fräulein Pohlenz,« entgegnete ich, »der schlesische Busch hat mit der Ausstellung keine Gemeinschaft, alle Penn- und sonstigen Brüder sind durch Drahtgitter polizeidicht abgesperrt und die vollziehende Straßengewalt sorgt zu Pferde für strengste Draußenverbleibung