Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten. Friedrich Glauser

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Kult-Krimis: 26 Romane & Detektivgeschichten - Friedrich  Glauser

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ist nur, warum die Helligkeit grün ist, obwohl die Nachttischlampe einen gelben Schirm trägt. Und in der grünen Helligkeit sieht man jemanden am Tisch sitzen. Er sitzt zurückgelehnt im Stuhl, hält eine Handharpfe auf den Knieen und spielt, spielt…

      »Irgendwo auf der Welt fängt der Weg zum Himmel an…«

      Merkwürdig ist nur eines: daß nämlich der Mann (ist es ein Mann übrigens?), daß der Mann, der am Tisch sitzt, ständig seine Gestalt ändert… Bald ist er winzig klein, und nur die Nägel seiner Finger sind lang und flaschengrün… Bald aber ist er groß und dick, sehr dick… Er sieht aus wie der Bundesratsattentäter Schmocker, und er redet, während er handharpft: »Zweihunderttausend Männer und Frauen…« Er singt es zur Melodie: »Im Rosengarten von Sanssouci…« Dann wachsen dem dicken, kleinen Mann plötzlich ein zweites Paar Arme aus den Schultern, die Arme sind lang und dünn, die Hände spielen mit Bällen und Papiergirlanden. Die Bälle fliegen durch das offene Fenster, die Papiergirlanden zieren die Wände… Man ist ja im Kasino, mit den Honoratioren sitzt man am gleichen Tisch, Weißwein füllt die Gläser. Aber in einer Ecke der Bühne, baumelnd mit den Beinen, sitzt der Mann mit den vier Armen und spielt Handharpfe und jongliert mit Gummibällen… Es tanzen Paare im freien Raum, am Fuße der Bühne. Da springt der Vierarmige herab, mischt sich unter die Tanzenden, wie ein Primgeiger aus einer Zigeunerkapelle geht er zwischen den Tanzenden umher und neigt sich jedem Pärchen zu, mit einschmeichelndem Spiel…

      »Vernunft!« sagt Dr. Laduner laut. Da ist das Kasino verschwunden. Baracken stehen in ödem Feld. Ein Stern steht am Himmel, sinkt herab und ist eine glühende Fabrik mit vielen, unzählig vielen Bauten. Es stinkt nach Gas, die Augen tränen. Der Vierarmige spielt: »Fridericus Rex unser König und Herr…«

      Da stehen sie wie ein stummes, starres Regiment: Bombe an Bombe, langgestreckt, elegant… »Meine Erfindung«, sagt der Vierarmige. Eine Bombe platzt, gelbes Gas strömt heraus, die Luft wird dunkel, die Musik schweigt, laut und deutlich sagt Dr. Laduners Stimme:

      »In zweihundert Jahren bauen wir weiter…«

      Dann verfliegt der gelbe Gasvorhang, und auf einer weiten Ebene sind Leichen verstreut, die sonderbar verrenkt daliegen, ähnlich wie der alte Direktor oder wie der kleine Gilgen. Ja, richtig, einer ist der kleine Gilgen. Jetzt richtet er sich auf und sagt: »Irgendwo fängt doch der Weg zum Himmel an…« und lacht, und ob dem Lachen erwacht man… Mit schwerem Kopf… Das Zimmer ist dunkel, durchs Fenster sieht man, daß auch der Hof dunkel ist…

      Herrgottdonner! Warum hat einem der Dr. Laduner ein Schlafmittel in die Bénédictine geschüttet?…

      Ein Geräusch im Gang. Studer fuhr auf. Die Gangtüre schnappte ins Schloß. Mit einem Satz war Studer aus dem Bett… Wohin schlich Dr. Laduner?…

      War der Vortrag über Mattos Reich nichts anderes gewesen als ein Ablenkungsmanöver, ähnlich dem Vortrag über das Demonstrationsobjekt Pieterlen?

      Die Lederpantoffeln. Ein Blick auf die Uhr: zwei Uhr. – Ein Blick in den Hof: eine Gestalt ging vorsichtig in der Richtung nach der Ecke, in der das K ans R stieß.

      Wie hatte Dr. Laduner gesagt? Der Umgang mit Geisteskranken wirke ansteckend?…

      Es sickerte keine Handharpfenmusik mehr durch die Decke. Wo mochte Pieterlen sein? Eigentlich hätte man sich schon lange den Estrich ansehen müssen, mit dem Fenster, aus dem nach Schüls Behauptung Mattos Kopf vorschoß und zurück, vor und zurück… Vielleicht hatte Schül wirklich etwas beobachtet, vielleicht hatte Schül seine Beobachtung nur in ein Bild gekleidet… Der kantonale Polizeidirektor, dem man angeläutet hatte, gleich nach dem Gespräch mit Frau Laduner, hatte nämlich mitgeteilt, daß man Pieterlens Spur noch nicht gefunden habe…

      Studer schlich über den stillen Hof, trat ins Sous-sol vom R. Die Tür der Heizung war geöffnet, das Licht brannte.

      Am Fuß der Treppe, an der gleichen Stelle, an welcher der Wachtmeister den Direktor gefunden hatte, lag Dr. Laduner, und die Tür des Feuerloches stand weit offen.

      Dr. Laduner war nicht tot. Nur betäubt. Studer ließ ihn vorläufig liegen. Mit seiner Taschenlampe leuchtete er in das Ofenloch. Eine lederne Aktenmappe… Daneben halb verkohlte Papiere. Vorsichtig zog Studer sie heraus.

      Auf den unverbrannten Blattresten konnte er Worte entziffern: »Pfleger Knuchel gibt an, er habe von Pfleger Blaser erfahren, daß Gilgen ein Paar Unterhosen im Schaft…«

      Der Rest fehlte.

      Auf einem andern Blatt stand:

      »Schäfer Arnold † 25. VIII: Embolie. U 1.

       Vuillemin Maurice † 26. VIII. Typhus exanthematosus. U 1.

       Mosimann Fritz † 26. VIII. Allgemeiner Schwächezustand, Herzkollaps. U 1.«

      Die Liste der Toten, die sich der Direktor angelegt hatte. Aber da war ein Blatt, fast unverkohlt…

      »Sehr geehrter Herr Oberst,

      In Beantwortung Ihres Schreibens vom 26.VIII. a. ct. teile ich Ihnen mit, daß ich die von Ihnen gewünschte Untersuchung vorgenommen habe. Ihr Sohn hat in letzter Zeit wieder dem Alkoholgenuß gefrönt, und gelang es mir persönlich, ihn zweimal in einer Wirtschaft in halbbetrunkenem Zustande zu betreffen. Es scheint mir, daß die von Dr. Laduner eingeleitete Kur wirkungslos bleibt, und erlaube ich mir, Sie zu bitten, die nötigen Schritte zu unternehmen, um besagte Kur zu unterbrechen…«

      »Danke«, sagte eine Stimme neben Studer. Der Wachtmeister wandte sich um. Dr. Laduner stand lächelnd neben ihm, nahm ihm die Blätter aus der Hand, steckte sie in den Ofen zurück, entzündete ein Streichholz. Dann flackerten die Papiere auf. Dr. Laduner holte Holz, eine Wädele, legte zuerst dünnes Holz auf das brennende Papier, dann dickeres, schließlich die Ledermappe zuoberst… »Wir wollen die Vergangenheit verbrennen«, sagte Dr. Laduner.

      Einen Augenblick glaubte Studer, er träume noch immer. Aber dann sah er, wie eine fleckige Blässe Dr. Laduners sonst braunes Gesicht überzog, wie der Arzt wankte. Studer stützte ihn. Der Mann war schwer…

      »Wer hat euch niedergeschlagen, Herr Doktor?«

      Laduner schloß die Augen, er wollte nicht antworten.

      »Und«, fuhr Studer fort, »das war nicht recht, mir ein Schlafmittel in den Schnaps zu schütten… Warum habt ihr das getan? Ich bin doch da, um euch zu schützen… Und das kann ich doch nicht, wenn ihr mich einschläfert…«

      Laduner öffnete die Augen.

      »Sie werden später schon noch alles verstehen… Vielleicht hätte ich mehr Vertrauen zu Ihnen haben sollen… Aber es ging nicht…«

      Dr. Laduner hatte eine Beule am Hinterkopf, sie war sichtbar unter der Haarsträhne, die wie der Kopfputz eines Reihers abstand, und Blut sickerte darunter hervor…

      »Ich will ein wenig abhocken«, sagte Dr. Laduner mit müder Stimme. »Ein wenig Wasser, wenn dr weit so gut sy…« Er parodierte lächelnd den Oberpfleger Weyrauch…

      Studer trat aus der Heizung und ging bis zum B, denn es war die einzige Abteilung, die er kannte. Dort brach er in die Küche im Parterre ein, fand einen Milchhafen, der zwei Liter faßte, füllte ihn mit Wasser und machte sich auf den Rückweg. Unterwegs, im Sous-sol, traf er einen Mann, der in der Dunkelheit herumschlich. Studer sah ihn erst, als er das Licht anknipste. Da blieb der Mann stehen, er war untersetzt, muskulös… Vielleicht ein Pfleger,

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