HOFFNUNG UND TOD (The End 4). G. Michael Hopf
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Samantha hatte Gordon verzeihen wollen, dass er sie nach Hunters Tod alleingelassen hatte, aber sie konnte es nicht. Er hatte seine Haltung eindrücklich dargelegt, und sie verstand, warum er Hunter hatte rächen wollen, wurde aber das Gefühl nicht los, er habe Haley und sie durch sein Verschwinden in Gefahr gebracht. Eines Abends war er schließlich eingeknickt, seine harte Schale aufgeweicht und darunter ein Mann zum Vorschein gekommen, der sich dafür schämte, seinen Sohn in eine Situation gebracht zu haben, die Gefangenschaft und Tod nach sich gezogen hatte. Er räumte ein, dass sich einige seiner Beweggründe dafür, nicht sofort zurückzukehren, daraus ergeben hatten, dass er nicht in der Lage gewesen war, ihr unter die Augen zu treten. Er hatte geglaubt, sie im Stich gelassen und ihren einzigen Sohn durch seine Entscheidungen getötet zu haben. Das bisschen Seelenfrieden, das sie vielleicht noch haben konnten, hing nun von der Gewissheit ab, dass Rahab tot war und niemand anderem mehr schaden konnte, erklärte er ihr.
Samantha fühlte sich trotz seiner hingebungsvollen Erklärung aber immer noch verletzt. Sie sah die Welt mit anderen Augen als Gordon, wusste jedoch auch, dass sie genau deswegen mit ihm harmonierte. Sie teilten ähnliche Wertvorstellungen, packten das Leben aber auf unterschiedliche Weise an. Nach seinem Nervenzusammenbruch und dem tränenreichen Geständnis nahm sie sich vor, ihm unbedingt zu verzeihen, denn andernfalls würden sie nicht imstande sein, in Frieden weiterzuleben. Jemand hatte ihr einmal gesagt, niemand könne gesund werden, solange seine Wunden unbehandelt bluteten, und mit diesem Gedanken im Hinterkopf beschloss sie, man dürfe der Vergangenheit nicht länger nachtrauern.
»Ich habe ganz vergessen, dir zu sagen, dass Michael Rutledge genügend Holz für uns hat, also können wir die Räucherkammer bauen, die du wolltest«, erzählte Gordon. »Er wollte morgen irgendwann damit vorbeikommen.«
»Das ist toll, ich mag die Rutledges«, erwiderte Samantha strahlend.
»Ja, sie sind gute Menschen. Ich habe bemerkt, dass ihr, Tiffany und du, ein Herz und eine Seele seid«, feixte Gordon.
Samantha warf ihm einen strengen Blick zu. »Ein Herz und eine Seele? Den Ausdruck habe ich ja seit Ewigkeiten nicht mehr gehört. Meine Güte, es kommt mir vor, als sei er irgendwann einmal wichtig gewesen.«
»Freunde sind immer noch wichtig.«
»Natürlich sind sie das, bloß war ich in San Diego derart darauf versteift, Freunde – in Anführungszeichen – zu finden und mit den braven Frauchen Dinge zu unternehmen, die sich für Mamas schickten, dass ich ganz aus den Augen verloren habe, was echte Freunde sind. Du weißt schon: Verabredungen zu Spielrunden, gemeinsame Abendessen, zusammen mit anderen Müttern ausgehen, bla, bla, bla. Will man ständig mit anderen mithalten, wird man vom Wesentlichen abgelenkt. Ich frage mich, was mit ihnen allen passiert ist.«
»Also, ich bin mir sicher, dass Marilyn und Irene nicht überlebt haben.«
»Irene vielleicht schon. Sie würde ihre eigenen Kinder essen, um zu überleben! Am besten hätte sie wohl zuallererst ihren Schluckspecht und Versager von Ehemann ausgeschaltet, das wäre womöglich eine Chance für sie und ihre ungezogenen Gören gewesen.« Samantha lachte.
»Oh, und Marilyn, diese arrogante Kuh und ihr Gehabe, von wegen Seht mich an und schaut, was für tolle Sachen ich habe.« Gordon grinste. »Zu köstlich, ihr affektiertes Gehabe. Hoffentlich lockte ihr Versace-Täschchen nicht die Villistas an.«
»Ach was, genug von ihnen. Ich bin einfach nur dankbar für die guten Freunde, die wir gefunden haben.«
»Ich mag Michael sehr gerne, würde er nur bloß nicht ständig über Politik reden wollen«, meinte Gordon.
»Mach dir nichts vor, ich weiß doch, du liebst es selber, über Politik zu philosophieren.«
»Was? Ich halte überhaupt nichts von Politik!«
»Ja, schon klar. Du gibst nichts auf Politiker …«
Gordon grinste breit. »Hast recht«, räumte er ein. »Aber kennt er auch andere Gesprächsthemen als Kasadonien?«
»Kaskadien meinst du.«
»Was auch immer, ich war kein großer Freund der alten US-Regierung, kenne jetzt aber zumindest einige Vertreter der neuen. Separatismus und Versuche, etwas Eigenes auf die Beine zu stellen, ziehen nur Probleme nach sich.«
»Moment mal, hast du mir nicht erzählt, andere Staaten hätten sich ohne Schwierigkeiten abspalten können?«, hakte Samantha nach.
»Ja, aber ich kann immer noch nicht glauben, dass Präsident Conner es einfach so zulässt, und außerdem: Was verstehen Michael oder die anderen, die für Kaskadien sind, denn schon von Staatsführung?«
»Irgendwelche Argumente muss Michael haben, sonst hätte er Sebastian nicht davon überzeugen können, sich anzuschließen.«
»Erinnere mich nicht daran«, klagte Gordon. Er war bei einigen Treffen derer zugegen gewesen, die sich für die Unabhängigkeit Kaskadiens einsetzten. Er hatte ihren Ausführungen gelauscht und das Meiste davon sogar gutgeheißen, aber er konnte sich einfach nicht mit dem Gedanken der Separation anfreunden, besonders weil es Gleichgesinnte in Cheyenne gab. Für ihn ergab es keinen Sinn, doch Sebastian hatte sich bekehren lassen und war auch noch stolz darauf.
»Egal was du tust, sei nett zu Michael. Ich mag ihn und Tiffany.«
»Du verlangst also tatsächlich von mir, dass ich nicht so etwas sage wie: Michael, bitte höre auf mit dem dummen Geschwätz über eine Republik Kaskadien?«
Samantha neigte sich zu ihm, küsste ihn und entgegnete: »Du bist ein ziemlich kluger Kerl, denn genau das verlange ich von dir.«
»Schau mal, wie glücklich sie ist.« Gordon wies mit einer Kopfbewegung zu Haley. Erneut grinste er.
»Ja, sie hat sich schnell eingelebt. Hier zu sein, tut ihr gut. Ich weiß, dass nicht alles perfekt ist, aber dass es so schnell ging, wäre mir im Traum nicht eingefallen.«
»Stimmt, nach allem, was passiert ist, hätte ich darauf gewettet, dass auch McCall ein Reinfall ist.« Gordon strahlte immer noch. »Sie haben wirklich großartige Arbeit geleistet, um hier alles zusammenzuhalten. Das sind gute Menschen.«
»Es war auch eine Frage des richtigen Zeitpunkts. Du hast ja gehört, was sie von den Wochen danach erzählt haben. Auch sie haben mit Problemen gekämpft.«
»Klar, aber sie konnten sie schnell aus der Welt schaffen. Bürgermeister Waits und Chief Rainey waren Gottes Geschenke an diese Gemeinde.«
»Wann beginnt eigentlich deine nächste Schicht?«, fragte Samantha.
»Erst morgen, und ich weiß zu schätzen, dass du mir erlaubst, sie nach draußen zu begleiten. Das bedeutet mir eine Menge.«
McCalls Polizeichef Rainey hatte gefragt, ob Gordon ehrenamtlich als Ordnungshüter arbeiten wolle. Gordon hätte diese Gelegenheit sofort ergriffen, doch Samantha hatte sich zunächst dagegen gesträubt. Aber nach ein paar Wochen Eingewöhnung war ihr klar geworden, wie wichtig es war, dass ihr Mann eine aktive Rolle in der Gemeinschaft übernahm.
»Sicher,