Die besten Wildwestromane & Seegeschichten. Franz Treller
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»Bleibt bei Bob! Way-te-ta bleibt bei Bob!« grinste der Irre.
Während des Marsches hatte die Bodengestaltung fortgesetzt gewechselt; gegenwärtig erstreckten sich waldige Höhen vor den Marschierenden, rechts und links zeigten sich kleine Gehölze, von Wiesenflächen unterbrochen, auf denen allerlei kümmerliches Buschwerk wuchs. Plötzlich ließ sich vom Wald her der scharfe Knall zahlloser Büchsen hören. Alles horchte auf; das Gespräch in der Marschkolonne verstummte, überall wurden die Gewehre überprüft. Auf scharfe Kommandos hin wurde das Marschtempo beschleunigt.
»Das Gefecht hat begonnen«, sagte Richard Waltham. Die anderen atmeten schwer. Das Gewehrfeuer wurde stärker und kam langsam näher; offenbar waren die vorgeschobenen Indianer zurückgeworfen worden.
Jetzt bliesen die Hörner das Haltesignal. Kommandos klangen auf, und die Kompanien zogen sich in Schlachtordnung auseinander.
Auf einem Hügel hielt General Dieskau zu Pferde, umgeben von seinen Adjutanten und Ordonnanzen, mit dem Glas den Höhenzug musternd, von dem der Kampflärm herüberdrang. Die an der rechten Flanke vorgehenden Indianer – Huronen und Seneca – erhielten Befehl zum Vorgehen. Sie schienen auf diesen Befehl nur gewartet zu haben; ihr wildes, gellendes »Who-whoop!« tönte schauerlich durch die Wälder. Adjutanten sprengten nach vorn, um Befehle zu überbringen. Die regulären Truppen vollzogen eine Schwenkung und bezogen an einem Gehölz Stellung, das ihnen für den Notfall Deckung zu gewähren vermochte. Dieskau war sich offensichtlich noch nicht klar darüber, welcher Machtgruppierung er gegenüberstand, obgleich schon am Vortage indianische Läufer die Nachricht gebracht hatten, daß englische Linientruppen im Anrücken seien.
Dieskau hätte sehr gern die Vereinigung mit den von Norden heranziehenden Truppen abgewartet; den Engländern kam es offensichtlich darauf an, diese Vereinigung zu verhindern und die Korps einzeln zu schlagen.
Fiebernd vor Erregung und von einer inneren Unruhe gejagt, standen unsere Freunde am Rande des Gehölzes und lauschten dem unentwegt knatternden Gewehrfeuer. An dem Anschwellen der Salven merkten sie bald, daß die vorgegangenen Indianer Gefechtsberührung hatten. Der General sandte ihnen jetzt zweihundert Flankeurs hinterher, gab aber seine Stellung an dem Gehölz noch nicht auf.
Indessen schien das Gefecht vorn zum Stehen gekommen zu sein; eben kamen Adjutanten zurück, die Bericht erstatteten.
Plötzlich dröhnten einige dumpfe Kanonenschläge auf; gleich darauf erklangen von rechts her in kurzen Abständen starke Gewehrsalven. Und von dort her kommend, brachen jetzt auch flüchtende Indianerhaufen durch das Holz; man hörte das donnernde »Hurra!« der Engländer und den dumpfen Schlag ihrer Trommeln.
Dieskau ließ seine Geschütze nach rechts in Stellung bringen und zwei Kompanien ausgeschwärmt vorgehen. Die Indianer wurden von dem Schwung der regulären Truppen wieder mit nach vorn gerissen. Immer näher kam das Gewehrfeuer.
»Die Unseren dringen vor«, flüsterte Richard Waltham. Mit blassen Gesichtern, unschlüssig, was sie tun sollten, standen die anderen, nur Way-te-ta schien der kriegerische Lärm Spaß zu machen; er hüpfte herum und krähte vor Vergnügen wie ein Kind. Die Lage war für die unfreiwilligen Gäste der französischen Truppen um so beunruhigender, als sie keine Ahnung vom Stande der Schlacht hatten und weder die Stärke der Engländer noch die Gefechtspläne der Franzosen kannten. Klar schien nur, daß General Dieskau unerwartet angegriffen worden war und Verteidigungsstellung bezogen hatte.
Die nach rechts beorderten zwei Kompanien waren mittlerweile im Kampf begriffen; die Flüchtlinge hörten das gellende »Vive le roi!« der Franzosen und dazwischen das brausende »Hurra!« der Engländer, vermengt mit dem langgezogenen, grausenerregenden »Who-whoop!« der Indianer, zu sich herüberdringen. Die Dinge schienen auch hier für die Franzosen nicht günstig zu stehen, denn Dieskau sandte jetzt noch eine Kompanie hinterher, ließ sämtliche Reservetruppen in das Gehölz eintreten und befahl, an dessen Rand Verhaue anzulegen. Dem Befehl wurde in fieberhafter Eile Folge geleistet.
Von der Front her kam der Kanonendonner näher, und auch das Gewehrfeuer aus der Flanke verstärkte sich, ein Zeichen dafür, daß die Engländer von beiden Seiten her Raum gewannen. Jetzt brüllten zum ersten Male die französischen Geschütze, aber da wurden rechts auch schon die leuchtend roten Röcke der englischen Grenadiere sichtbar, die im Begriff waren, die französischen Kompanien mit dem Bajonett zurückzujagen.
Way-te-ta gröhlte und krähte; der Kanonendonner, die gellenden Rufe, der dumpfe Ton der Trommeln, die Signalhörner und die unentwegt peitschenden Gewehrsalven schienen ihn um den letzten Rest seines Verstandes gebracht zu haben. Während der Rückzug der französischen Linie auf beiden Seiten sich in regellose Flucht zu wandeln begann und das englische »Hurra!« deutlicher und deutlicher vernehmbar wurde, hatten Burns und seine Begleiter sich weiter zurückgezogen und unter ein paar breitästigen Bäumen auf dem Waldboden niedergelassen. Die Franzosen feuerten jetzt Salve um Salve aus ihrer gedeckten Stellung heraus auf die Angreifer; die Schlacht war an allen Fronten in ein erbittertes Stadium eingetreten. Als ein paar in der Nähe stehende französische Kanonen jetzt mit Donnergetöse ihre Ladung entließen, sprang der Irre auf, raste wie besessen umher und begann aus voller Kehle zu singen. Und zwar sang er sonderbarerweise ein altes englisches Weihnachtslied. Schauerlich gellte es durch das Waffengetöse:
»Holy Christmas
Merry time ...«
Er hatte die ersten Töne kaum über die Lippen gebracht, als Bob Green sich erhob, fassungslos auf den tanzenden und gröhlenden Mann starrte und mit jäh erblaßtem Gesicht stammelte: »Wie kommst du an das Lied, Mann? Wo, um alles in der Welt, hast du das Lied her?«
»Holy Christmas
Merry time«,
gröhlte der Irre. Bobs Augen wollten fast aus den Höhlen; seine Stirn hatte sich über den buschigen Brauen wie in angestrengtem Nachdenken zusammengezogen. Die anderen, die nichts von dem Vorgang begriffen, sahen mit verblüfften Gesichtern zu.
»Menschenskind, Ned? Bist du etwa Ned?« schrie der Bootsmann mit beinahe überschnappender Stimme.
Der tanzende Sänger hielt ein und sah den Bootsmann aus glasigen Augen an; seine Augen verkniffen sich. »Ned?« sagte er leise, »Ned?« Und plötzlich lief es wie ein Aufleuchten des Begreifens über sein verstörtes Gesicht, ein Funke brach in den Augen auf. »Ned!« rief er, »ja, jetzt weiß ich wieder: Ned! Bob und Ned! Bob und Ned! Eine Frau war da, die rief immer: Bob und Ned! Zu Bett, Bob und Ned! Und dann saß sie am Bett und sang: ›Holy Christmas, Merry time ...‹«
Dem bärbeißigen Seemann standen mitten im Gewoge der in allernächster Nähe tosenden Schlacht plötzlich Tränen in den Augen. »Das ist doch nicht möglich, das ist doch fast nicht möglich«, stammelte er ein über das andere Mal. »Ned? Mein Bruder Ned – das ist schon so lange her. Aber ich weiß es nun, da ist gar kein Zweifel mehr möglich, hab' immer schon sowas gefühlt, nach einer Ähnlichkeit gesucht; weiß es nun: Mutters Gesicht, Mutters Gesicht war es, was ich sah. Ach du lieber Gott, Ned, was hat man mit dir denn gemacht?« Er hatte den unglücklichen Geistesverwirrten bei beiden Armen gepackt und starrte ihm ins Gesicht, als vermöchte er es immer noch nicht zu fassen. Die dröhnenden, donnernden, knatternden Geräusche der Schlacht störten ihn nicht mehr. »Ist