Ehstnische Märchen. Friedrich Reinhold Kreutzwald

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ehstnische Märchen - Friedrich Reinhold Kreutzwald страница 5

Ehstnische Märchen - Friedrich Reinhold Kreutzwald

Скачать книгу

Königssohnes niederließ. »Der alte Zauberer in Finnland,« so ließ der Adler sich vernehmen, »sendet euch viele Grüße, und bittet es ihm nicht zu verübeln, daß er nicht früher Antwort ertheilt hat. Es war gerade Niemand zu finden, der hierher wollte. Um die Jungfrau aus ihrem Blumenzustande zu erlösen, ist nur dies nöthig: Gehet an das Ufer des Flusses, werfet eure Kleider ab und schmiert euch den Körper über und über mit Schlamm ein, so daß kein weißer Fleck bleibt; dann nehmt die Nasenspitze zwischen die Finger und rufet: »»Aus dem Mann ein Krebs!«« Augenblicklich werdet ihr zum Krebs, dann geht in die Tiefe des Flusses; Ertrinken habt ihr nicht zu befürchten. Drängt euch dreist unter die Wurzeln des Teichröschens, und löset sie von Schlamm und Schilf, so daß sie nirgends mehr fest sitzen. Hängt euch dann mit euren Scheeren an ein Zweiglein der Wurzel an, so wird euch das Wasser sammt dem Blümchen auf die Oberfläche heben. Dann treibet mit dem Strom so lange fort, bis euch links am Ufer eine Eberesche mit beblätterten Zweigen zu Gesicht kommt. Nicht weit von der Eberesche steht ein Stein von der Höhe einer kleinen Badstube. Beim Steine müßt ihr die Worte ausstoßen: »»Aus der Teichrose die Jungfrau, aus dem Krebs der Mann!«« In demselben Augenblick wird es so geschehen.« Als der Adler geendigt hatte, hob er die Fittige und flog davon. Der Jüngling sah ihm eine Weile nach und wußte nicht, was er davon halten sollte.

      Unter zweifelnden Gedanken verstrich ihm über eine Woche; er hatte weder Muth noch Vertrauen genug, die Befreiung in dieser Weise zu versuchen. Da hörte er eines Tages aus dem Munde einer Krähe: »Was zögerst du, der Weisung des Alten nachzukommen? Der alte Zauberer hat noch nie falschen Bescheid geschickt, und auch die Vogelsprache hat noch nie getrogen. Eile an das Ufer des Flusses und trockne die Sehnsuchtsthränen der Jungfrau.« Die Rede der Krähe machte dem Jünglinge Muth; er dachte: Größeres Unglück kann mir nicht widerfahren als der Tod, aber leichter ist der Tod als unaufhörliches Trauern. Er setzte sich zu Pferde und ritt den bekannten Weg zum Ufer des Flusses. Als er an die Brücke kam, hörte er den Gesang:

      »Durch der Mutter Fluch beschworen

       Muß ich hier im Schlummer liegen,

       Muß das junge Kind verwelken,

       In der Wellen Schoos hinsiechen.

       Feucht und kalt das tiefe Bette

       Decket jetzt die zarte Jungfrau.«

      Der Königssohn legte seinem Pferde die Fußfessel an, damit es sich nicht zu weit von der Brücke entfernen könnte, warf die Kleider ab, schmierte den Körper über und über mit Schlamm, so daß nirgends ein weißer Fleck blieb, faßte sich dann an die Nasenspitze und sprang in's Wasser mit dem Rufe: »Aus dem Mann ein Krebs!« Einen Augenblick zischte das Wasser auf, dann war Alles wieder still wie zuvor.

      Das in einen Krebs verwandelte Männlein begann die Wurzeln der Teichrose aus dem Flußbette loszumachen, brauchte aber viel Zeit dazu. Die Würzelchen saßen im Schlamm und Schilf fest, so daß der Krebs sieben Tage schwere Arbeit hatte, bis die Sache von Statten ging. Als die Arbeit beendigt war, hakte das Krebsmännlein seine Scheeren in ein Zweiglein der Wurzel ein, und das Wasser hob ihn sammt dem Blümchen auf die Oberfläche des Flusses. Die schaukelnden Wellen trieben Krebs und Teichrose nur allmählich vorwärts, und wiewohl Bäume und Sträuche genug am Ufer sichtbar wurden, so kam doch immer die Eberesche mit dem großen Stein nicht zum Vorschein. Endlich sah er links am Ufer den Baum mit seinem Laube und den rothen Beerenbüscheln, und etwas weiterhin stand auch der Fels, der die Höhe einer kleinen Badstube hatte. Jetzt stieß das Krebsmännlein die Worte aus: »Aus der Teichrose die Jungfrau, aus dem Krebse der Mann!« — Augenblicklich schwammen auf dem Wasser zwei Menschenhäupter, ein männliches und ein weibliches, das Wasser trieb sie an's Ufer, aber Beide waren splitternackt, wie Gott sie geschaffen.

      Die verschämte Jungfrau bat nun: »Lieber Jüngling, ich habe keine Kleider anzuziehen, darum mag ich nicht aus dem Wasser steigen.« — Der Jüngling bat dagegen: »Tretet an's Ufer unter die Eberesche, ich mache so lange die Augen zu, bis ihr hinauf klettert und euch unter dem Baume berget. Dann eile ich zur Brücke, wo ich mein Pferd und meine Kleider ließ, als ich in den Fluß sprang.« Die Jungfrau hatte sich unter der Eberesche verborgen, und der Jüngling eilte zur Brücke, wo er Kleider und Pferd gelassen hatte; aber er fand dort weder das Eine noch das Andere. Daß sein Krebszustand so viele Tage gedauert hatte, wußte er nicht, vielmehr glaubte er nur einige Stunden auf dem Grunde des Wassers gewesen zu sein. Siehe, da kommt ihm am Ufer eine prächtige mit sechs Pferden bespannte Kutsche langsam entgegen. In der Kutsche fand er alles Nöthige, sowohl für sich, wie für die aus dem Wasserkerker erlöste Jungfrau; sogar ein Diener und eine Zofe waren mit der Kutsche angekommen. Den Diener behielt der Königssohn für sich, das Mädchen schickte er mit der Kutsche und den Kleidern dahin, wo sein nacktes Liebchen unter der Eberesche harrte. Es verging über eine Stunde, da kam die hochzeitlich geschmückte Jungfrau in der Kutsche an die Stelle, wo der Königssohn ihrer wartete. Er war gleichfalls prächtig als Bräutigam gekleidet und setzte sich zu ihr in die Kutsche. Sie fuhren gradeswegs zur Stadt und vor die Kirchenthür. Der König und die Königin saßen in Trauerkleidern in der Kirche, denn sie trauerten über den theuren verlorenen Sohn, den man im Flusse ertrunken glaubte, da man Pferd und Kleider am Ufer gefunden hatte. Groß war der Eltern Freude, als der für todt beweinte Sohn lebend an der Seite einer schönen Jungfrau vor sie trat, beide in Prunkgewändern. Der König führte sie selbst zum Altar und sie wurden getraut. Dann wurde ein Hochzeitsfest veranstaltet, das in Saus und Braus sechs Wochen lang dauerte.

      Im Gange der Zeit ist zwar kein Stillstand und keine Ruhe, dennoch scheinen die Tage der Freude rascher dahin zu fließen als die Stunden der Trübsal. Nach dem Hochzeitsfeste war der Herbst eingetreten, dann kam Frost und Schnee, so daß das junge Paar nicht viel Lust hatte, den Fuß aus dem Hause zu setzen. Als aber der Frühling wiederkehrte und neue Freuden brachte, ging der Königssohn mit seiner jungen Gattin im Garten spazieren. Da hörten sie, wie eine Elster vom Wipfel eines Baumes herab rief: »O du undankbares Geschöpf, das in den Tagen des Glücks seine hülfreichen Freunde vergessen hat. Sollen die beiden armen Jungfrauen ihr Lebelang Goldgarn spinnen? Die lahme Alte ist nicht die Mutter der Mädchen, sondern eine Zauberhexe, welche die Jungfrauen als Kinder aus fernen Landen gestohlen hat. Der Alten Sünden sind groß, sie verdient keine Barmherzigkeit. Gekochter Schierling wäre für sie das beste Gericht; sonst würde sie wohl das gerettete Kind abermals mit einem Hexenknäuel verfolgen.«

      Jetzt fiel es dem Königssohne wieder ein und er bekannte seiner Gattin, wie er zur Waldhütte gegangen sei, die Schwestern um Rath zu fragen, dort die Vogelsprache gelernt und den Jungfrauen versprochen habe, sie aus ihrer Gefangenschaft zu erlösen. Die Gattin bat mit Thränen in den Augen, den Schwestern zu Hülfe zu eilen. Als sie den andern Morgen erwachte, sagte sie: »Ich hatte einen bedeutungsvollen Traum. Die alte Mutter war von Hause gegangen und hatte die Töchter allein gelassen; jetzt wäre gewiß die rechte Zeit ihnen zu Hülfe zu kommen.«

      Der Königssohn ließ sofort eine Kriegerschaar sich rüsten und zog mit ihnen zur Waldhütte. Am andern Tage langten sie dort an. Die Mädchen waren, wie der Traum geweissagt hatte, allein zu Hause und kamen mit Freudengeschrei den Errettern entgegen. Einem Kriegsmanne wurde Befehl gegeben, Schierlingswurzeln zu sammeln und daraus für die Alte ein Gericht zu kochen, so daß, wenn sie nach Hause käme und sich daran satt äße, ihr die Lust am Essen für immer verginge. Sie blieben zur Nacht in der Waldhütte und machten sich am andern Morgen in der Frühe mit den Mädchen auf den Weg, so daß sie Abends die Stadt erreichten. Der Schwestern Freude war groß, als sie sich hier nach zwei Jahren wieder vereinigt fanden.

      Die Alte war in derselben Nacht nach Hause gekommen; sie verzehrte mit großer Gier die Speise, welche sie auf dem Tische fand und kroch dann in's Bett um zu ruhen, wachte aber nicht wieder auf: der Schierling hatte dem Leben des Unholds ein Ende gemacht. Als der Königssohn eine Woche später einen zuverlässigen Hauptmann hinschickte, sich die Sache anzusehen, fand man die Alte todt. In der heimlichen Kammer wurden funfzig Fuder Goldgarn aufgehäuft gefunden, welche unter die Schwestern vertheilt wurden. Als der Schatz weggeführt war, ließ der Hauptmann

Скачать книгу