Ehstnische Märchen. Friedrich Reinhold Kreutzwald

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Ehstnische Märchen - Friedrich Reinhold Kreutzwald

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schwinden, ohne daß diese ermüden, da wird ihm das Wandern nicht beschwerlich. Gleichwohl sollte er die Erfahrung machen, daß flinke Beine wohl überall einen Menschen aus einer Gefahr befreien können, aber nicht so leicht zu Amt und Brod verhelfen: denn Hände sind aller Orten nöthiger als Füße. Schnellfuß fand erst nach geraumer Zeit bei einem Könige in Ostland einen festen Dienst. Der König besaß große Roßherden, unter denen viele stätische Renner waren, die kein Mensch fangen konnte, auch nicht einmal zu Roß. Aber mit Schnellfuß konnte kein Pferd Schritt halten, der Mann war immer schneller als das Roß. Was früher funfzig Pferdehirten zusammen nicht ausrichten konnten, das besorgte er ganz allein und ließ nie ein Pferd von der Herde wegkommen. Darum zahlte ihm der König unweigerlich den Lohn von funfzig Hirten, und machte ihm außerdem noch Geschenke. Die flüchtigen Schritte des neuen Roßhirten hatten Windesschnelle, und wenn er vom Abend bis zum Morgen die ganze Nacht durch oder vom Morgen bis zum Abend den Tag über gelaufen war, ohne auszuruhen, so war er doch nicht müde, sondern konnte am andern und am dritten Tage wieder eben so viel laufen. Es geschah oft, daß die Rosse, bei heißem Wetter von Bremsen gestochen, nach allen Seiten hin auseinander fuhren und viele Meilen weit rannten: aber dennoch war am Abend die ganze Herde wieder beisammen. Da gab einst der König ein großes Gastmahl, zu welchem viele vornehme Herren und Fürsten geladen waren. Während des Festes hatte der König seinen Gästen viel von seinem schnellfüßigen Roßhirten erzählt, so daß alle den Wundermann zu sehen begehrten. Manche meinten, es dürfe wohl nicht Wunder nehmen, wenn die in der Herde aufgezogenen und an den Hirten gewöhnten Rosse sich einfangen ließen; das allerstörrigste Pferd höre auf des Herrn Wort und komme auf dessen Ruf. Aber gebt ihm einmal ein Pferd aus einem fremden Stalle, das ihn nicht kennt, dann werden wir sehen, wie weit die Schnelligkeit des Mannes gegen die des Rosses kommt. Da ließen einige fremde Herren die bestgefütterten und feurigsten Rosse aus ihren Ställen herführen und dann ins Freie treiben, auf daß Schnellfuß sie einfange. Das war dem Hirten mit den beflügelten Füßen eine Kleinigkeit, denn auch ein gestandennes, wohlgenährtes Pferd kann doch nicht mit Einem um die Wette laufen, der wie ein Vogel des Waldes gewohnt ist, Nacht und Tag sich zu rühren. Die fremden Herrschaften priesen die Schnellfüßigkeit des Mannes und schenkten ihm viel goldene und silberne Münzen, versprachen auch daheim von ihm zu reden, damit man erfahre, wo solch' ein Mann zu finden sei. Bald darauf war im ganzen Ostlande der Name Schnellfuß berühmt geworden, und wenn irgend ein König einmal einen schnellen Boten brauchte, so wurde Schnellfuß gemiethet, der dann reichen Lohn und außerdem noch Geschenke erhielt, damit er sich ein anderes Mal wieder willig finden ließe. Als er nach drei Jahren sich aufmachte um in die Heimath zurückzukehren, hatte er soviel Geld und Schätze gesammelt, daß er zwanzig Pferde damit beladen konnte, welche ihm der König geschenkt hatte.

      Der zweite Bruder, Flinkhand, der gen Mittag gezogen war, fand aller Orten lohnenden Dienst; alle Meister brauchten seine Arbeit, weil kein anderer Gesell so geschickt war und so viel fertig machte wie er. Obwohl er nicht in einer Zunft ein bestimmtes Handwerk erlernt hatte, so gerieth in seiner geschickten Hand doch jegliche Arbeit; er war Schneider, Schuster, Tischler, Drechsler, Gold- und Grobschmied, oder was sonst dergleichen, und es war auf der Welt kein Meister zu finden, dem er nicht zum Gesellen getaugt hätte. Einmal war er bei einem Schneidermeister auf Stücklohn in Arbeit und nähte in einem Tage zwanzig Paar Hosen, ein anderes Mal machte er für einen Schuster in eben der Zeit ebensoviel Paar Stiefel fertig. Dabei war Alles, was er machte, so vollkommen, daß, wer einmal seine Arbeit kennen gelernt hatte, von derjenigen anderer Meister und Gesellen nichts mehr wissen wollte. Flinkhand hätte bei jedem Handwerk ein reicher Mann werden können, wenn er irgendwo längere Zeit hätte aushalten können, allein er sehnte sich darnach, die weite Welt zu sehen und streifte deßhalb gewöhnlich von einem Ort zum andern. So kam er auch einmal in eine Königsstadt, wo er Alles in großer Bewegung fand. Es sollten Truppen gegen den Feind ausgesandt werden, aber es mangelte an Kleidern, an Fuß- und Kopfbedeckung und auch an Waffen. Und obgleich überall Meister und Gesellen von früh Morgens bis Mitternacht eifrig arbeiteten und sogar Sonntags und Montags nicht feierten, so konnten sie doch in der kurzen Zeit nicht soviel anfertigen, wie der König wollte. Zwar wurde nah und fern nach Gesellen gesucht, die helfen sollten, aber des Fehlenden war so viel, daß all' die Arbeit nicht hinreichend schien, es herzustellen.

      Eines Tages nun trat Flinkhand in des Königs Schloß und wünschte den König zu sprechen. Dann sagte er: »Geehrter König! ich höre von den Leuten, daß ihr sehr eilige Arbeiten braucht. Ich bin ein weitgereister Meister und kann vielleicht die Arbeiten übernehmen, wenn wir Handels einig werden und ihr mir die Frist nennt, binnen welcher sie fertig sein müssen.« Als der König die Frist genannt hatte, sagte Flinkhand: »Lasset alle Meister der Stadt zusammenrufen und befragt sie, ob sie bis zu dem genannten Tage mit den Arbeiten fertig werden können, wenn das nicht der Fall ist, so übernehme ich Alles, aber den Arbeitslohn habt ihr dann mir allein zu zahlen.« — »Das wäre schon recht,« erwiederte der König, »wenn ihr so viele Gesellen bekommen könntet, aber das ist ja eben, was unsern städtischen Meistern fehlt, sie finden nicht genug Arbeiter.« — »Das sei meine Sorge,« erwiederte Flinkhand. Den andern Tag wurden alle Meister der Stadt in das Schloß gerufen und gefragt, wann Jeder mit seiner Arbeit fertig zu werden glaube, worauf einige vier und fünf Monate, andere noch mehr Zeit verlangten. »Nun,« sagte Flinkhand zum Könige, »wenn ihr mir für drei Monate den doppelten Lohn versprecht, so will ich allein all' die Arbeit übernehmen, mit der die Andern wohl erst in einem halben Jahre zu Stande kämen.« Das schien indeß dem Könige so wunderbar und so unglaublich, daß er besorgte, man wolle ihm einen Possen spielen und deßhalb fragte: »Was für eine Bürgschaft kannst du mir geben, daß du deine Versprechungen erfüllen wirst?« Flinkhand erwiederte: »Geld und Kostbarkeiten, die ich als Schadenersatz bieten könnte, habe ich freilich nicht, aber wenn ihr mein Leben zum Pfande wollt, so ist unser Handel bald geschlossen. Damit ihr aber auch nicht die Katze im Sack zu kaufen braucht, will ich euch morgen eine Probearbeit bringen.« Das war der König zufrieden. Die Gesellen aber meinten untereinander, wenn er doppelte Zahlung erhält, so muß er uns auch doppelten Arbeitslohn geben, sonst werden wir ihm nicht helfen. Als der König am folgenden Tage die Probearbeit gesehen hatte, war er sehr zufrieden damit, und obwohl alle übrigen Meister vor Neid bersten wollten, konnte doch keiner die Arbeit tadeln. Jetzt machte sich Flinkhand wie ein Mann an's Werk. War ihm auch früher schon alle Arbeit von der Hand geflogen, so war doch die Hurtigkeit, die er jetzt von früh bis spät entfaltete, mehr als wunderbar; kaum nahm er sich soviel Zeit, um zu essen und in der Nacht ein wenig, wie ein Vogel auf dem Ast, zu ruhen. Zwei Wochen vor der bedungenen Frist war aller Bedarf für die Soldaten fertig und dem Könige abgeliefert. Der König zahlte den für drei Monate bedungenen Preis doppelt, und fügte fast eben soviel noch als Geschenk hinzu. Dann sagte er: »Lieber kluger Meister! ich möchte mich von dir nicht so schnell trennen. Hast du nicht Lust mit dem Heere gegen die Feinde zu ziehen? Wer so geschickt alle Arbeiten anzufertigen weiß, aus dem kann sicher auch der allerbeste Kriegsmann werden.« Flinkhand erwiederte: »Vielleicht verhält sich die Sache so, wie ihr, geehrter König, meint, aber aufrichtig gesagt: ich habe, so lang ich lebe, das Kriegshandwerk noch nicht versucht, sondern bis jetzt nur unblutige Arbeit gethan. Ueberdieß rückt auch die Zeit heran, wo die Eltern mich zu Hause erwarten; nehmt es darum nicht übel, wenn ich eurem Verlangen diesmal nicht entsprechen kann.« So schied er von der Königsstadt, wo er in kurzer Zeit zum reichen Manne geworden war. Er hatte noch über ein halbes Jahr bis zur Heimreise, darum streifte er von einem Orte zum andern und wenn er sich irgendwo länger aufhielt, so arbeitete er, um das Reisegeld zusammenzubringen, denn er wollte sein angesammeltes Vermögen nicht angreifen.

      Der dritte Bruder, Scharfauge, der seinen Weg gen Abend genommen hatte, schweifte lange von einem Orte zum andern, ohne einen passenden und lohnenden Dienst zu finden. Als geschickter Schütze konnte er zwar allenthalben soviel erwerben, um seinen täglichen Unterhalt zu bestreiten, aber was hatte er dann bei der Heimkehr mit nach Hause zu bringen? Mit der Zeit war er auf seiner Wanderung in eine große Stadt gerathen, wo man nur von dem Unglück sprach, das den König schon drei Mal getroffen hatte, und das Niemand zu begreifen, geschweige zu verhüten vermochte. Die Sache verhielt sich so. Der König hatte in seinem Garten einen kostbaren Baum, der wie ein Apfelbaum aussah, aber goldene Aepfel trug, von denen manche so groß waren wie ein

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