Heimatkinder Staffel 3 – Heimatroman. Kathrin Singer
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Zwei Wochen verstrichen.
Es war Julia, als lebe sie schon seit undenklichen Zeiten im Försterhaus, fernab aller Hektik und Betriebsamkeit. Die Nachrichten, die sie mitunter im Fernsehen hörte, kamen ihr vor wie Meldungen aus einer fremden Welt.
Das Findelkind »Bruni« war so zahm und zutraulich geworden, dass es Julia und den Kindern wie ein treuer Hund auf Schritt und Tritt folgte.
Julia war gerade in der Küche beim Abwasch, als plötzlich Matthias Hartmann im Türrahmen stand.
»Ich habe gerade ins Kinderzimmer geschaut«, begann er düster und musterte sie mit ausdruckslosem Gesicht.
»Ja, und? Ist irgendetwas nicht in Ordnung? Haben die beiden Rangen wieder einmal nicht aufgeräumt?«
»Da hängt ein Bild, das bislang auf dem Dachboden gestanden hat …«
»Stimmt. Ich habe es aufgehängt«, erwiderte Julia ruhig.
»Finden Sie das richtig?«
»Warum nicht? »Finden Sie nicht auch, dass man den künstlerischen Geschmack der Kinder bilden sollte?«
Der Forstmeister holte tief Luft. »Dieses Bild ist übler Kitsch! Es ist eine Beleidigung für das Auge und den guten Geschmack.«
»Das Bild zeigt zwei Kinder auf einer schmalen Brücke und einen Schutzengel – das alles in märchenhafter, kindgemäßer Darstellung. Was soll daran Kitsch sein?«
»Na, hören Sie mal! Das Bild ist verlogen, und darum kitschig!«, rief er aufgebracht.
»Verlogen?« Julia runzelte die Brauen.
»Allerdings! Oder haben Sie schon einmal einen Schutzengel gesehen?«, fragte er barsch.
»Nein! Aber haben Sie schon einmal Röntgenstrahlen gesehen?«, konterte sie prompt.
»Wie bitte?«
»Ich will nur sagen – nicht alles, was existiert, ist sichtbar.« Julia wandte sich wieder ihrer Arbeit zu.
»Wollen Sie mich auf den Arm nehmen? Die Wirkungen der Röntgenstrahlen lassen sich nachweisen!«
»Und die Wirkungen der guten Schicksalsmächte, die man Schutzengel nennt, nicht? Haben Sie noch nie davon gehört, dass Kinder bisweilen auf ganz erstaunliche, wunderbare Weise vor einem Unglück bewahrt worden sind?«
Matthias Hartmann schwieg. Seine Wangenmuskeln spannten sich, als kaue er an dem Brocken, den das Mädchen ihm zugeworfen hatte. Auf seiner Stirn stand eine steile Falte.
Schließlich erklärte er knapp: »Ich wünsche nicht, dass Heidi und Carsten später an Geschmacksverirrungen leiden.«
Julia trocknete ihre Hände. »Kommen Sie doch mal mit. Ich möchte ihnen etwas zeigen.«
Sie eilte zu ihrem Zimmer. Der Förster folgte ihr verstört. Schwungvoll stieß sie die Zimmertür auf. Über ihrem Bett prangte das zweite Gemälde, das sie vom Dachboden geholt hatte – eine nackte Schöne, von Rosen umkränzt, von niedlichen Putten umschwärmt.
Matthias Hartmann stand wie angewurzelt und starrte darauf, als habe er eine Geistererscheinung.
Julia lächelte spöttisch. »Sie sehen, auch ich leide an Geschmacksverirrung, und das, obwohl in meinem Kinderzimmer kein Schützengemälde hing.«
»Das gefällt Ihnen, einem modernen jungen Mädchen?«, fragte der Forstmeister fassungslos.
»So modern bin ich nun auch wieder nicht, dass ich mich nicht gern in eine romantische, verträumte Stimmung versetzen lassen würde«, erwiderte sie.
Matthias Hartmann sah sie an, lange und eindringlich. Julia hielt seinem Blick stand, zuckte nicht mit der Wimper.
»Sind Sie jetzt entsetzt? Sind Sie enttäuscht von mir?«, fragte Julia herausfordernd.
»Enttäuscht?«, wiederholte er dumpf. »Enttäuscht von Ihnen? Ich …« Er hielt abrupt inne. Seine Wangen röteten sich. Er wollte sich abwenden.
Doch Julia umfasste blitzschnell seinen Arm und hielt ihn zurück. »Das war keine Antwort. Ich möchte doch zu gern wissen, ob Sie meinen, dass ich einen schlechten Einfluss auf Ihre Kinder ausübe, zumindest was die künstlerische Geschmacksbildung betrifft.«
»Einen schlechten Einfluss? Sie?« Plötzlich umspannte Matthias Hartmann ihre Oberarme. »Ich – ich wollte Ihnen schon lange sagen, wie dankbar ich Ihnen bin, welchen guten Einfluss Sie auf die Kinder haben … Ich wollte Ihnen sagen, dass ich …« Wieder stockte er verlegen.
Julias Herz klopfte bis zum Hals. Eine verzweifelte Hoffnung durchpulste sie. Sie durfte den günstigen Augenblick nicht ungenutzt verstreichen lassen.
»Bitte, sprechen Sie weiter!« Diese Worte klangen fast flehend, ihr Blick hing an seinem Gesicht.
»Sie bedeuten mir sehr viel«, murmelte er. »Viel mehr, als Sie ahnen.«
Julia schaute ihm in die Augen. Flüchtig dachte sie an Björn, den Sieger, den romantischen Abenteurer! Doch sie wischte die Erinnerungen mit Macht beiseite. Wenn sie auch verträumte Stimmungen liebte, ihr Leben, ihre Zukunft wollte sie mit kühler Vernunft planen! Sie stand mit beiden Beinen fest auf der Erde. Sie wusste genau, was sie wollte und hatte ein Ziel vor den Augen, das es zu erreichen galt: Ein Leben mit den Kindern und für die Kinder!
Mit einer raschen, fast unbeholfenen Bewegung beugte Matthias Hartmann sich zu ihr nieder und küsste sie auf den Mund. Dann machte er auf dem Absatz kehrt, so hastig, als fürchte er eine Ohrfeige. Ohne sich noch einmal umzuschauen, eilte er aus der Küche und dann aus dem Haus.
*
Es war Abend geworden. Über dem Wald leuchtete der Sommermond, der die Landschaft verzauberte.
Julia stand am Fenster ihres Zimmers und lehnte die Stirn an den Rahmen. Nach dem flüchtigen Kuss war sie dem Forstmeister nur beim Abendessen in Gegenwart der Kinder begegnet. So befangen hatte sie den großen, starken Mann noch nie erlebt. Nach dem Essen hatte er Arbeit vorgeschützt und sich eilig in sein Büro zurückgezogen.
Plötzlich hörte Julia unter sich im Garten ein Geräusch. Sie spähte in die mondfahle Dunkelheit und erkannte im Schatten einer Kastanie Matthias Hartmann, der zu ihr hinaufblickte. Nach wenigen Sekunden wandte er sich ab, verließ den Garten durch die hintere Pforte und schlug einen schmalen Weg ein, der sich durch das Unterholz schlängelte.
Sollte sie ihm folgen?
Julia zögerte nur kurz. Sie wusste, dass sie dem schwerblütigen Mann einige Schritte entgegenkommen musste.
Rasch warf sie einen Blick in den Spiegel, zog ihre Lippen nach, fuhr mit dem Kamm durch das lose fallende Haar und hängte sich eine leichte Jacke über.
Anschließend schlich sie auf Zehenspitzen