Om mani padme hum. Wilhelm Filchner
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Es wurde von Tag zu Tag kälter. Wenn ich nur wenigstens so viel Geld gehabt hätte, um Heizmaterial – den billigen Pferdemist – kaufen zu können! Doch meine paar Groschen reichten kaum aus, um so viel Nahrung zu kaufen, dass ich mich einmal am Tag hätte satt essen können. Solange das Wetter noch »wärmer« war, d. h. solange sich die Temperatur um null Grad herum bewegte, ging es noch, als aber dann die schweren Fröste einsetzten und das Arbeiten an den eisigen Apparaten fast zur Unmöglichkeit wurde, beschlich mich doch ein Gefühl der Verzweiflung, das ich nur dadurch niederkämpfen konnte, dass ich noch mehr und noch länger zu arbeiten versuchte als zuvor.
Dabei sah ich selbst ganz trostlos aus. Meine Zehen guckten aus den abgetretenen und zerfetzten Schuhen, sodass ich sie am Ende wegwerfen und die Füße mit Lumpen umhüllen musste. Mein Mantel war ein einziger großer Fetzen, die Hose wies handtellergroße Löcher auf, durch die der Wind pfiff, wie er wollte. Von Unterwäsche war gar nicht mehr zu reden.
Meist war ich gezwungen, auch im tiefsten Schnee den weiten Weg nach Sining-fu zu Fuß zurückzulegen. Die Entfernung beträgt ungefähr 32 Kilometer, und der Weg führt, besonders im Anfang, über hügeliges Gelände. Auch war ein vereister Fluss zu überqueren, und die letzten acht Kilometer musste man auf der gefrorenen, spiegelglatten Fläche des Bergflusses, der nahe bei der Stadt in den Sining-ho mündet, zurücklegen. Mit meiner mangelhaften Fußbekleidung wurde dieser Marsch oft genug zur Qual. Doch noch war ich gesund und überwand solche Unannehmlichkeiten spielend.
Eines Tages war ich wieder einmal bei beißender Kälte nach Sining-fu gewandert, um mich nach dem Befinden von Beick zu erkundigen, den ich, da ich mittellos war und ihn nicht mehr bezahlen konnte, nach den nordöstlichen Bergen beurlaubt hatte, damit er dort während des Winters seine ornithologischen Studien fortsetzen könne. Der Missionar bot mir sein gutes Reitpferd an, um noch vor Einbruch der Dämmerung heimzukommen.
Unterwegs blies mir ein eisiger Wind direkt ins Gesicht. Bald setzte Schneegestöber ein; ich fror erbärmlich.
Ich erinnere mich noch genau, dass mich in Lussar Schwindel erfasste und mir ein heftiger Schüttelfrost durch alle Glieder fuhr. Ich suchte schleppend meine luftige Wohnung auf.
Wenig später wurde ich in der rechten Bauchgegend von wahnsinnigen Schmerzen heimgesucht, sodass ich mich bald wie ein Wurm krümmte. Ich warf mich, wie ich war, mit den nassen Kleidern auf den Bretterbelag im Alkoven. Die Schmerzen nahmen zu. Ich fror; denn ich hatte weder eine Decke zum Einhüllen noch eine Unterlage für den fiebernden Kopf. Schließlich verließ mich die Besinnung. Am nächsten Morgen stand ein Chinese an meinem Bett, und die Mohammedanerfamilie äugte neugierig durch die Fensterhöhlen. Inzwischen hatte man auch meinen Freund Lü benachrichtigt. Er kam sofort und ließ glühende Holzkohlen unter dem Bretterbelag aufschichten. Die Gase, die nirgends entweichen konnten, füllten den ganzen Raum. Statt der so notwendigen Erwärmung wurde die Luft verpestet, sodass ich zu meinen Leibschmerzen noch eine Kohlenmonoxidvergiftung bekam. Lü ließ eine Decke aus seinem Haus holen und blieb besorgt an meinem Lager sitzen.
Bald schickten mir die Klostermönche in rührender Fürsorge ein Mitglied ihrer medizinischen Fakultät zu Hilfe.
Mein Zustand verschlimmerte sich dennoch zusehends. Heftiges Erbrechen setzte ein, dem große Mattigkeit folgte. Ich hatte keine Ahnung, was mir fehlte. Meine einzige Sorge galt den Chronometern, die ich trotz hohen Fiebers täglich an den Stichstunden pünktlich aufzog. Auch die magnetischen Serienmessungen habe ich, so gut es eben ging, in den Pausen zwischen den schweren Anfällen programmgemäß durchgeführt. Trotz größter Erschöpfung saß ich stundenlang am Apparat. Die Anfälle steigerten sich in so erschreckender Form, dass Lü den K’ang für mich herrichten ließ, der mit Stroh geheizt werden musste. Was geschah? Der ganze Raum füllte sich mit schwelendem, gelbem Rauch.
Erst nach einigen Tagen schwanden diese üblen Nebenerscheinungen. Auf den K’ang wurden Strohmatten und obenauf eine Pferdedecke gelegt, auf die man mich bettete. Es war aber auch diesmal nichts; denn jetzt spie der K’ang glühende Hitze. Mein Rücken war halb geröstet, die anderen Körperteile aber schüttelte der Frost.
Nun schickte mein Freund Lü einen Boten nach Sining-fu, um einen Blechofen zu erstehen, wie sie dort aus alten Petroleumkannen angefertigt werden und für wenig Geld zu haben sind. Jetzt hatte ich also sogar einen Ofen im Zimmer, der jedoch wieder nicht viel half.
Noch vor Winterbeginn hatte ich, der völlig Mittellose, in meiner Not einen Brief an den deutschen Gesandten in Peking geschrieben, in dem ich um Hilfe bat. Dieser Brief war mir nicht leicht gefallen. Ich wartete sehnsüchtig auf Antwort, die eigentlich nach einigen Wochen in meinen Händen sein musste, wenn ..., ja wenn ... Aber Rom war weit ... Antwort kam trotz der zur Verfügung stehenden Funkverbindung Peking—Tihwa erst nach mehreren Monaten in Gestalt eines Briefes mit dem Aufdruck »Deutsche Gesandtschaft in Peking«. Der Inhalt des Schreibens lautete ungefähr: »Der Gesandte hat Ihren Brief vom ... erhalten und ihn zur weiteren Erledigung an das Auswärtige Amt in Berlin geleitet. Ich verbleibe im Auftrage ... « Unterschrift unleserlich.
Nach dieser traurigen Episode zurück nach Lussar. Mein Zustand wurde bedenklicher. Lü rechnete mit meinem Ableben. Er hatte auch eine geheime Nachricht nach Sining-fu gesandt, die dort auf den Ernst meiner Lage aufmerksam machen sollte.
Manchmal glaubte ich wirklich selbst, dass mein letztes Stündlein schlagen werde. Oft setzten lange Ohnmachten ein. Mein Körper wurde immer schwächer. Es fehlte zu allem Unglück an guter Nahrung und an geeigneten Medikamenten. Ich hatte zwar in der Zwischenzeit wiederholt chinesische Arzneimittel genommen, aber deren Wirkung war so gewaltig, dass mein geschwächter Organismus solche Pferdekur gewiss nicht sehr lange ertragen haben würde.
Als ich mich an einem wärmeren Tag einmal zu Lüs Wohnung wagte, fand ich diese verschlossen. Erst am nächsten Tag hörte ich zu meinem Kummer, dass Lüs kleiner halbjähriger Junge an Diphtherie erkrankt und gestorben sei. Vielleicht war es gerade dieses traurige Ereignis, das mich mit Lü und seiner Frau noch näher verband; denn es war mir gelungen, die Tiefgebeugten aus ihrer Niedergeschlagenheit wieder aufzurichten und Lü zu bestimmen, sich nach einem weniger wilden und klimatisch angenehmeren Ort versetzen zu lassen.
Inzwischen hatten die Vorbereitungen für das große Fest im Kloster eingesetzt. Nun hielt es mich nicht länger auf meiner Lagerstätte. Von Lü geführt, schleppte ich mich, wie ein Lasttier mit Apparaten bepackt nach Kumbum, um die Herrlichkeiten dieser weltentlegenen lamaistischen Zentrale im Bild festzuhalten. Ich drehte sogar einige Filmaufnahmen, besonders Tänze, die inzwischen in meinem Film »Om mani padme hum« der Öffentlichkeit vorgeführt worden sind. Die Eingeborenen, die meinem Tun mit Misstrauen folgten, gewohnten sich langsam an mich. Sie hatten Mitleid mit mir; denn sie sahen, wie elend ich war. Mein bleiches Gesicht zeugte von vielen Leiden. Sie wussten bald alle, dass ich fast nichts zu essen hatte, und so oft ich, in Lumpen gehüllt, zähneklappernd den Hof betrat, auf dem sie gerade ihre Versammlungen abhielten, boten sie mir Tee und getrocknete Früchte an. Wie rührend hilfreich waren diese einfachen Naturmenschen!
Anfang Dezember bekam ich unerwarteten Besuch in meiner armseligen Behausung; es stellten sich ein: zwei lebhafte Franzosen mit Lederhut und schweren Reitpeitschen, ein Amerikaner mit breitrandigem Hut und hohen Ledergamaschen, Mr. Plymire, und endlich ein langer, hagerer Amerikaner, Mr. Hayward. –
Die Franzosen beabsichtigten eine Expedition nach Tibet. Die beiden anderen Herren waren Missionare. Mr. Plymire war in Tankar und Mr. Hayward in Sining-fu stationiert, wo er zusammen mit den Engländern Herrn und Frau Learner arbeitete, den Nachfolgern meines lieben Freundes Ridley.
Dieser Besuch wirkte Wunder. Wie heilkräftige Sonnenstrahlen wärmte