Mutter aller Schweine. Malu Halasa

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Mutter aller Schweine - Malu Halasa

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Er fühlte sich nicht gerne reumütig – immerhin waren der Mann und sein Sohn Udai brutale Mörder. Doch seiner Meinung – und wichtiger noch seinen Bilanzen – nach war die angreifende US-Armee genauso schlimm und außerdem, um Salz in die Wunde zu streuen, ganz furchtbar autark. »Fertig-Dies, Fertig-Das!«, murmelt er missbilligend. Im Zuge ihres langen Wirkens im Irak flogen die Amerikaner ein, bauten auf, töteten, mordeten, vergewaltigten, und dann bauten sie wieder ab, packten zusammen und flogen weg, niemandem außer ihren Vertragsunternehmen zur Rechenschaft verpflichtet. Es blieben nur Müll und Chemiehalden zurück. Das erneute amerikanische Engagement im Irak gegen den IS verheißt dem Schnäppchen-Emporium eine dürftige, aber leicht verdiente Ausbeute.

      Er kann sich nicht beschweren. Manchmal ergibt sich ein Glückstreffer, wie letzten Monat, als ein sauber rasierter Fremder mit militärisch präzisem Haarschnitt durch die Stadt pirschte. Er sah sich offensichtlich nicht einfach nur um. Über den gepflasterten Teil der Hauptstraße hinweg beobachtete Abu Satar, wie der Mann übermäßig viel Zeit bei Hussein in der Schlachterei verbrachte. Dann marschierte der Kerl einfach so ins Schnäppchen-Emporium, ließ die liebevoll bestückten Regale völlig unbeachtet und sich selbst in den einzigen bequemen Sessel plumpsen. Frechheit!, dachte Abu Satar. An derart dreistes Benehmen war er nicht gewöhnt.

      Der Fremde strahlte jedoch eine Korrektheit aus, auf die Abu Satar sofort ansprach. Unverzüglich wurde er vom Importeur seltener Güter zu einem armenischen Schneider. Erste Treffen sind oft so – es gilt, jemanden zu vermessen, ihn richtig einzuschätzen. Der geheimnisvolle Fremde gab seine Bedürfnisse bald preis. Er war auf der Suche nach Informationen und hatte gehört, Abu Satar sei gut aufgestellt, um da zu helfen. Er müsse doch wohl bemerkt haben, dass Dschihadisten die Stadt als Schleichweg nutzten?

      Der Händler bestätigte, leugnete oder bestritt es nicht. Sollten die Jordanier die Zahlmeister sein, wäre die Prämie belanglos. Um Abu Satar zu überzeugen, gab der geheimnisvolle Fremde ihm deutlich zu verstehen, dass es »nach oben keine Grenzen« gäbe, wenn erst die Amerikaner mitmachten – und Abu Satar hatte feinere Distinktionen zwischen potenziellen Geschäftspartnern schon immer geschätzt.

      Ermutigt erkundigte er sich: »Und die Israelis?«

      »Ihre Himmel behüten uns.« Der Fremde legte die Hände nebeneinander und rieb einen Zeigefinger am anderen. »Wir haben von einem geheimen Waffenlager gehört«, fuhr er fort. »Wir wissen nicht, ob es zum Verkauf steht oder …«

      Mit kriecherischer Höflichkeit korrigierte Abu Satar ihn: »Mein Herr, meinem Verständnis nach handelt es sich um eine eher antike Sammlung, die, soweit ich gehört habe, von geringem Wert sein soll. Und mir wurde gesagt, dass sie kaum je ans Tageslicht kommt.«

      Sein Besucher schnaubte nur abfällig.

      Ehrerbietig nahm der Fledderer die Visitenkarte des Mannes entgegen und legte sie zur sicheren Verwahrung ins Diebesnest. Trotz des offenen Ausgangs der Unterredung fasste Abu Satar Mut, dass seine bescheidenen patriotischen Bemühungen Anerkennung fanden, und prompt fühlte er sich so entschlossen wie zehn M1-Abrams-Kampfpanzer, mit denen die Amerikaner den Irak platt fuhren. Wann immer sich eine unternehmerische Chance auftat, ob ihr Dirigent nun ein Muchabarat-Agent, verdeckter Ermittler, Informant oder Scharlatan war, Abu Satar schwor sich, der Situation noch das letzte Tröpfchen Gutes abzupressen.

      Und all die Zeit über verstand nur Hani, der liebe Hani, wie visionär Abu Satars Pläne waren. Auch wenn sein Freund von den höchsten Gipfeln der Bürgerkriegspreistreiberei abgestürzt war und alles für osteuropäische Prostituierte verschleudert hatte, behielt er ein gutes Auge für günstige Gelegenheiten. Bei einem spätabendlichen Telefonat erzählte Abu Satar ihm von einem innigen, bislang nicht umgesetzten Wunsch: einer international bekannten Speise auf dem heiklen heimischen Markt zum Durchbruch zu verhelfen.

      »So was wie das erste China-Restaurant in Bethlehem eröffnen?«, fragte Hani, um sich das Konzept zu erschließen.

      »Kalt.« Dieses Spiel spielte Abu Satar manchmal mit ihm.

      Hani versuchte es noch einmal: »So was wie in Beirut glutenfreie Pita backen?«

      Der Fledderer war nicht so recht überzeugt; seiner Meinung nach gab es für eine solche Verbraucherrevolution nicht genügend arabische Allergiker. »Viel größer.«

      »Ah!«, rief sein Freund. »So was wie McDonald’s nach Afghanistan bringen.«

      Genau das schätzte Abu Satar an Hani – diese Fähigkeit, über den Tellerrand zu schauen. Hani allein verschaffte ihm Gelegenheiten, wie sie im Leben nur einmal kamen; und diese hier präsentierte er Abu Satar sogar inklusive Gesundheitszeugnis. Auch sie war gewissermaßen ein Flüchtling, war dem Elend entkommen und hatte illegal Grenzen überquert: von den Sabbalin, den Müllsammlern Groß-Kairos, durch den Sinai und die Tunnel des Gazastreifens, unter der Nase der Hamas hindurch und dann über die Mauer – Hani sagte, man habe einen Hebezug aus einem Altersheim benutzt –, vorbei an illegalen jüdischen Siedlungen im Westjordanland und schließlich nicht über die Allenby-Brücke, sondern unter ihr hindurch, auf einem Floß über den Jordan.

      Sobald Abu Satar an seinen persönlichen Beitrag zur internationalen Küche denkt, wird sein Staubwedeln ehrfurchtsvoll. Er trifft nur selten Menschen, zu denen er wirklich Zuneigung und Vertrauen fasst. Seine Freundschaft mit Hani hatte einfach spontan gezündet, während bei Hussein Jahre, sogar Jahrzehnte nötig waren, um das Feuer der gemeinsamen Geschäftemacherei zu entfachen.

      An dem Morgen, als sein Neffe in die Stadt zurückgekehrt war, wischte der Fledderer gerade Staub. Mit dem Klemmbrett in der Hand inventarisierte Abu Satar nebenher ein wenig, und so achtete er kaum auf den Mann in Uniform, der bei den gefälschten Designeruhren herumlungerte. Wegen der immer misslicheren Lage an der Grenze unten im Tal war die Stadt zum regelmäßigen Zwischenhalt für Soldaten auf dem Weg zu den unterschiedlichen Stützpunkten geworden. Im Großen und Ganzen hatten die Soldaten alle kein Geld und waren somit nicht weiter von Interesse. Als der schnurrbärtige junge Mann höflich grüßte, antwortete Abu Satar also nur kurz und achtlos. Er war sich sicher, jegliches Gespräch würde nur zu den unvermeidlichen Fragen nach dem Aufenthaltsort des einzigen verfügbaren Mädchens der Stadt führen.

      Der Soldat vertrieb sich weiter die Zeit bei den Uhren. Als Abu Satar schließlich doch aufsah, blickte er verblüfft in das breit lächelnde Gesicht seines Lieblingsneffen. Er küsste ihn auf beide Wangen, packte ihn an den Schultern und hielt ihn eine Armlänge von sich, um zu begutachten, wie der Bursche sich seit ihrer letzten Begegnung verändert hatte. Der schmächtige, dröge Junge, der zum Militärdienst geflohen war, war – in den Augen seines Onkels – als Mann zurückgekehrt.

      »Und, wie war’s?« Ein so gutaussehender Kerl hatte doch sicherlich viele Abenteuer erlebt. Weil er an die kleine Stadt gebunden war, versetzte sich der Ladeninhaber gerne in die Geschichten unberechenbarer reisender Händler und Fernfahrer hinein. Aufgeregt stellte er Frage um Frage, doch Husseins ausweichende Antworten ließen vermuten, dass seine Erfahrungen nicht gänzlich befriedigend gewesen waren. Am Ende saßen Jung und Alt schweigend bei Arak und Argileh.

      »Amo«, setzte Hussein schüchtern an, wie früher, denn er hatte Abu Satars Gesellschaft schon immer faszinierend gefunden, »hast du die Zeitschrift aufbewahrt?«

      Er meinte die alte Ausgabe von Good Housekeeping, die sein Bruder Abd einst aus Amerika geschickt hatte. Früher hatten Hussein und Abu Satar sich stundenlang darin vertieft, an ihrem Englisch gearbeitet und sich über den Zweck so vieler bunter und ungewöhnlicher Haushaltsgegenstände gewundert.

      Sogleich zog Abu Satar das Heft aus seinem angestammten Versteck in der Schublade unter der Kasse hervor. Am Tag von Husseins Abreise hatte er es dort hineingelegt, als Symbol ihrer gemeinsamen Interessen. Hussein nahm die Zeitschrift und blätterte

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