Fürstenkrone Classic 42 – Adelsroman. Viola Marquardt

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Fürstenkrone Classic 42 – Adelsroman - Viola Marquardt Fürstenkrone Classic

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wirst schon wissen, was Dein ungeratener Sohn von Dir will, noch ehe Du das Kuvert geöffnet hast. Und Du hast recht, Muttchen – recht wie immer! Berlin ist ein teures Pflaster und Dein Egon ein schwaches Menschenkind. Aber lege Deine hübsche Stirn nicht in Sorgenfalten. Gestern, in der elendsten Katzenjammerstimmung, bin ich über mich selbst zu Gericht gesessen und habe das strengste Urteil über mich verhängt. Es lautet: kein Kartenspiel mehr in Zukunft! Es soll wirklich und wahrhaftig das letzte Mal sein, dass ich Dir, mein bestes Muttchen, Kummer bereite. Hilf mir nur noch diesmal aus der Patsche, Muttchen! Ich will mich bessern, so wahr ich ein unnützer Schlingel namens Egon Born bin!

      Du hast mir bei meinem letzten Besuch so lieb ins Gewissen geredet. Aber sieh, Muttchen, eine Frau kann sich gar nicht vorstellen, was für Versuchungen ein lebenslustiger junger Mann – und nun gar ein Leutnant! – ausgesetzt ist. Da gibt es Kartenpartien, Zechereien, Bälle, Landpartien – ach, und noch so mancherlei, was uns lockt. Das Leben ist ja so köstlich – und man ist nur einmal jung. Später einmal, wenn ich meinen Abschied genommen und meine Zelte für immer in Bornhagen aufgeschlagen habe, werde ich mich gewiss zu einem Muster aller Tugenden mausern. Dann soll selbst mein gestrenger Herr Papa nichts mehr an mir auszusetzen haben.

      Du meinst, ich solle mich an Vater wenden und Dich nicht zu meiner Komplizin machen, wie Du es ausdrückst. Aber sieh, Muttchen, ich weiß ja, dass Papa mir helfen würde. Doch diese Hilfe wäre verpackt in tausend Ermahnungen und Vorwürfen – und ein Heer von Befehlen käme hintendrein. Ist es so unbegreiflich, dass ich mich dem zu entziehen trachte? Papa ist sehr gut, aber auch sehr eigensinnig. Ihn von einer vorgefassten Meinung abzubringen, das ist ein Ding der Unmöglichkeit.

      Vielleicht wäre ich schon längst für immer nach Bornhagen zurückgekehrt, wenn ich nicht wüsste, was mich dort erwartet. Viel Gutes, Muttchen, gewiss, aber auch manches Unerträgliche. Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, aber für Papa werde ich ewig der kleine Junge im weißen Röckchen bleiben, dessen Bild auf Deinem Tisch steht. Frag nur die Ditscha. Ich bin sicher, sie empfindet genauso wie ich. Der Muck freilich, Papas Hätschelkind, hat noch nichts davon zu kosten bekommen. Darum fällt es ihm auch leicht, sich unterzuordnen.

      Was als Pumpbrief begonnen hat, ist nun eine Abhandlung geworden. Ich muss zum Dienst. Der Herr Oberst wird heute zur Inspektion erwartet.

      Hilf, Muttchen!

      Dein Dich liebender Sohn Egon.

      P.S. Es sind zweihundert Euro.

      Mit einem tiefen Seufzer ließ Frau Melanie diesen Brief sinken. Sie schalt sich eine schwache Mutter, weil es ihr unmöglich war, dem Sohn ernstlich zu zürnen. Sie sorgte sich um ihn, grollte ihm wohl auch zuweilen – aber böse konnte sie ihm nicht sein.

      War er doch ihr Herzblatt, ihr Goldjunge, ihr Stolz! Freilich – bewusst gab sie keinem ihrer drei Kinder den Vorzug vor den anderen. Dazu war Frau Melanie viel zu gerecht. Aber der Sohn wird dem Herzen der Mutter naturgemäss immer am nächsten stehen. Sie mag es drehen und wenden wie sie will: er ist es, an dem sie mit ganzem Herzen und ganzer Seele hängt.

      Zweihundert Euro! Und wieder Spielschulden! Und was schrieb er über den Vater?

      Papa ist sehr gut, aber auch sehr eigensinnig. Und: Vielleicht wäre ich ja längst nach Bornhagen zurückgekehrt, wenn ich nicht wüsste, was mich dort erwartet.

      So ein Frechdachs!

      *

      Baron Born durchschritt den weiträumigen Flur und stieg über die Treppe in das obere Stockwerk empor, wo die Mädchen ihre Zimmer hatten.

      An Ditschas Tür klopfte er, rasch und hart, und trat unmittelbar darauf ein.

      In ihm lebte noch der alte, patriarchalische Grundsatz, dass Kinder vor ihren Eltern keine Geheimnisse haben durften. Also wartete er Ditschas Aufforderung, einzutreten, erst gar nicht ab.

      Ditscha blickte von dem Buch auf, aus dem sie gelernt hatte.

      Zwischen ihren Brauen erschien eine feine Falte. Überfälle liebte Ditscha gar nicht. Sie klappte das Buch zu und erhob sich.

      »Du wünschst, Papa?«, fragte sie beherrscht.

      »Schon wieder über den Büchern?« Born trat näher und las den Titel. »Der gallische Krieg. Was ist das? Was soll das? Ist das die passende Lektüre für ein junges Mädchen?«

      »Es ist jedenfalls interessanter als die Bücher, die wir in der Pension zu lesen bekamen«, antwortete Ditscha kühl.

      »Interessant!«, wiederholte Born in abfälligem Ton. »Du solltest dich lieber auf deinen Beruf als Frau und Mutter vorbereiten, statt deinen Kopf mit unverdaulichem Zeug vollzustopfen! Das hier ist etwas für Jungen.«

      »Warum?« Ditscha warf die Lippen auf. »Warum bloß für Jungen? Ich kenne Jungen, die im Gymnasium immer gerade nur mit knapper Not durchrutschen! Egon zum Beispiel! Wir Mädchen sind nicht dümmer als die Jungen. Man traut uns nur leider nicht zu, dass wir ebenso viel oder mehr zu leisten vermögen!«

      Born lief rot an. »Weißt du, wie du redest? Wie diese grässlichen englischen Weiber – wie nennt man sie nur?«

      »Suffragetten, Papa«, antwortete Ditscha ruhig. »Ich finde sie übrigens nicht so grässlich, sondern ganz vernünftig. Sie wollen das Unrecht abschaffen, das uns, den Frauen, seit Jahrhunderten angetan wird.«

      »Bist du von allen guten Geistern verlassen?« Born starrte die Tochter an, die in kämpferischer Haltung vor ihm stand und ihm unerschrocken die Stirn bot. »Du redest dieser Bewegung das Wort, die nur darauf abzielt, die alten Grundfesten der Familie, Zucht und Ordnung, zu erschüttern. Schämst du dich nicht?«

      »Nein, Papa!«, entgegnete Ditscha fest. »Aber du brauchst nicht zu fürchten, dass ich auf die Barrikaden steige. Ich beanspruche für mich nur das Recht, das du mir nicht verweigern würdest, wenn ich ein Junge wäre: mich mit dem zu beschäftigen, was mich interessiert und wofür ich begabt bin. Egon durfte Soldat werden. Warum erlaubst du mir nicht, dass ich mich weiterbilde?«

      »Warum? Warum?« Born schlug mit der Hand auf den Tisch. »Weil es einer Frau nicht wohl ansteht, ihre ureigenste Aufgabe zu vernachlässigen und sich statt dessen in gelehrten Kram zu verbohren! Ein Mann will keine Schulmeisterin heiraten, sondern eine Frau, die seinem Haus vorsteht und seinen Kindern Mutter ist.«

      »Und wer sagt dir, dass ich Lust habe, einen Mann zu heiraten, der so gering von der Frau denkt, dass er sie in Küche und Kinderstube verbannt und ihr kein freies geistiges Leben zu führen erlauben wird?« Hochaufgerichtet stand das Mädchen vor dem Vater. Ihre Augen blitzten, und ihre Wangen brannten. »Nie – hörst du: nie! – werde ich eine solche Ehe eingehen! Wenn ich überhaupt je heirate, dann nur einen Mann, der in mir nicht die Sklavin, sondern die gleichgestellte Gefährtin sieht.«

      »Du dummes, unreifes Ding!«, wetterte Born. »Sieh deine Mutter an, dieses Vorbild wahrer Weiblichkeit! Willst du etwa behaupten, dass sie ein Sklavendasein führt?«

      »Hast du Mama jemals eine freie Meinung zugestanden?«, fragte Ditscha zurück. »Sie lebt doch gar nicht ihr Leben, sondern unseres, das deine und das ihrer Kinder. Was weißt du überhaupt von ihr, von ihren geheimen Gedanken, Wünschen und Sehnsüchten?«

      »Du Grünschnabel!«, wetterte Born. »Du wagst es, an die Ehe deiner Eltern zu rühren? Ist dir denn nichts heilig? Ich sehe schon, dass ich dich bisher viel zu sanft angefasst habe. Aber künftig werden andere Seiten aufgezogen! Ab morgen wirst du dich mehr um die Wirtschaft

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