Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank
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William Dodwell wartete bereits auf sie. Flora versuchte sich zu entschuldigen, doch der Produzent wehrte ab. »Auf eine Frau wie Sie zu warten ist mir ein Vergnügen«, meinte er galant. »Ich hoffe, daß ich in nächster Zeit öfter das Vergnügen haben werde.«
Flora stellte fest, daß er noch immer sehr gut aussah, auch wenn seine Schläfen bereits leicht angegraut waren. Sie lächelte und hörte ihn sagen: »Ich habe vor, die nächsten Wochen ebenfalls in der Karibik zu verbringen.«
Flora verstand, diesmal senkte sie den Blick. Doch dann stieg Trotz in ihr hoch. Warum sollte sie nicht? Sie fühlte sich nicht mehr an Stephan gebunden. Mit seinem Schweigen gab er ihr doch deutlich zu verstehen, daß sich ihre Wege getrennt hatten. William Dodwell galt als charmanter Mann. Durch ihn würde ihre Karriere steil nach oben führen. Mehr wollte sie nicht.
»Wir wollen zuerst dem leiblichen Wohl frönen und uns dann den anderen Dingen zuwenden«, hörte sie den Produzenten sagen. »Das Essen hier ist ausgezeichnet.«
Sie versuchte, auf William Dodwells Plauderton einzugehen. Sie wußte ja, was er von ihr erwartete. So zwang sie sich auch zum Essen. Immer wieder sagte sie sich, daß alles in Ordnung war. Sie hatte es so gewollt.
»Schmeckt es Ihnen nicht?« erkundigte sich der Produzent besorgt. Ihm war nicht entgangen, daß der Kellner ihren noch halbvollen Teller wieder abservierte. Seine Hand kam über den Tisch. »Sie sind aufgeregt, meine Liebe, das kann ich verstehen. Ich bin aber sicher, daß Sie es bald gewohnt sein werden, im Mittelpunkt zu stehen. Ich mache Sie zu einem Star. Sie können mir glauben, ich verstehe es, die Werbetrommel zu rühren. Ihr Stern wird über Nacht aufsteigen. In einem halben Jahr kennt Sie jeder in Amerika. Lächeln, Mädchen, Sie müssen lächeln!«
Flora hatte gewußt, was sie erwartete. Bald würde sie unter den Palmen der Karibik liegen und sich nicht in irgendeinem unbekannten Städtchen langweilen. William Dodwell stieß mit seinem Glas gegen das ihre. Der helle Ton ließ sie zusammenfahren. Rasch stürzte sie den Inhalt in sich hinein.
»So ist es richtig«, lobte der Produzent. »Das kurbelt die Stimmung richtig an.« Auch er trank. Über den Rand des Glases hinweg beobachtete er Flora. Wie süß die Kleine war! Sie schien ihr Glück noch gar nicht richtig fassen zu können.
Flora hatte in ihrem Dessert nur herumgestochert. Jetzt schob sie den Teller zur Seite. Sie sah ihren Gönner an. Diesem fiel es sehr leicht, ihr zu versprechen: »Ich werde dafür sorgen, daß es Ihnen in der Zukunft an nichts fehlt. Ich kann sehr großzügig sein.«
Flora fiel ein, daß es ihr an nichts gefehlt hatte. Ihre Brust hob und senkte sich. »Ich möchte ein bekannter Star werden, deswegen bin ich hier.«
»Natürlich! Dafür habe ich auch gesorgt. Wenn Sie bereit sind, dann können Sie sich den Vertrag ansehen.«
»Danke«, hauchte Flora und nahm den Vertrag in Empfang. Wo war das Hochgefühl? Es wollte sich nicht einstellen. Sie spürte William Dodwells Blick und begann zu lesen. Es war wirklich phantastisch! Sie ließ den Vertrag sinken, sah den Produzenten an. Sie lächelte, aber sie hatte sich zu diesem Lächeln zwingen müssen.
»Nun? Sie können sich doch nicht beklagen.«
»Nein! Noch bin ich ein Nobody, aber ich werde es allen zeigen.«
»Das hoffe ich! Ich investiere sehr viel in Sie. Noch ein Glas, Flora?« Er wartete ihre Zustimmung nicht ab, füllte selbst ihr Glas auf.
Flora reagierte nicht. Nochmals las sie Wort für Wort des Vertrages durch. Es war mehr, als sie erwartet hatte. Der Weg nach oben war ihr somit geebnet. Warum jubelte sie nicht? Auch William Dodwell wurde langsam ungeduldig. »Ist etwas nicht in Ordnung?« fragte er.
»Der Vertrag übertrifft bei weitem meine Erwartungen.«
»Dann setzen Sie Ihre Unterschrift darunter!« William Dodwell reichte ihr einen goldenen Kugelschreiber.
Flora nahm ihn, sie legte den Vertrag auf den Tisch, setzte an, aber es ging nicht. Das hier war nun wirklich endgültig, dann gab es kein Zurück mehr. Sie hob den Kopf, begegnete William Dodwells Blick. Er lächelte ihr zu. Hinter diesem besitzergreifenden Lächeln standen plötzlich Stephans dunkle Augen. Sie legte den Kugelschreiber zur Seite.
Ungläubiges Staunen spiegelte sich im Gesicht des Produzenten. »Flora, sind Sie verrückt geworden?« polterte er dann los. Etwas ruhiger fuhr er fort: »Haben Sie etwa Angst bekommen? Mit meiner Hilfe werden Sie es schaffen!«
Flora senkte den Blick. »Ich weiß, daß ich es schaffen würde. Es ist für mich nur nicht mehr wichtig. Sie können es nicht verstehen.« Sie zögerte. »Ich hoffe nur, daß es noch nicht zu spät ist.«
Sie erhob sich, eilte um den Tisch herum. »Ich danke Ihnen trotzdem sehr, Mr. Dodwell. Auf die Dauer würde mich die Karibik nicht glücklich machen.« Sie beugte sich hinunter, küßte ihn auf die Wange. »Es gibt viele Mädchen wie mich. Ich bin sicher, daß Sie die Richtige finden werden. Ich war es nicht, doch dies wurde mir selbst erst jetzt bewußt.« Sie ging, und zum ersten Mal in seinem Leben fehlte es William Dodwell an Worten.
*
Es war nicht schwer gewesen, Stephans Anschrift herauszufinden. Flora hatte sich nicht mehr an das Büro gewandt, sondern an den Rechtsberater der Restaurantkette. Dr. Dydow hatte ihr auch ohne zu zögern die Hotelanschrift genannt, unter der Stephan zu erreichen war. Gleichzeitig hatte er ihr sein Herz ausgeschüttet. Er begriff nicht, was Stephan in Passau festhielt, und hatte bereits überlegt, zu einem persönlichen Gespräch nach Deutschland zu fliegen, da Stephan am Telefon meist sehr kurz angebunden war. Dr. Sydow gehörte der Firma seit vielen Jahren an und war schon Stephans Vater treu ergeben gewesen.
»Fliegen Sie mit Gott, mein Kind«, hatte er ihr erklärt. »Wenn jemand ihm den Kopf zurechtsetzen kann, dann sind Sie es.«
So war Flora nach Deutschland geflogen, ohne Stephan vorher Bescheid zu geben. Jetzt stand sie vor der Anmeldung des Gasthofes, der ihrem Eindruck nach sehr alt wirkte. Sie ließ ihren Blick wandern und entschied, daß die Atmosphäre in der holzgetäfelten Halle etwas Anheimelndes hatte. Hier also fühlte Stephan sich wohl. Wie anders war dagegen sein Büro eingerichtet. Der Portier riß sie aus ihren Gedanken. »Mr. Dorr müßte in seinem Zimmer sein. Soll ich hinauftelefonieren?«
Plötzlich begann Floras Herz wie rasend zu klopfen. Sie hatte ihren Entschluß so schnell und zielsicher in die Tat umgesetzt, daß sie kaum zum Nachdenken gekommen war. Und dann die vielen neuen Eindrücke, der lange Flug.
»Ich bin eine gute Bekannte von Mr. Dorr«, sagte Flora. »Ich möchte ihn gern überraschen.«
Der Portier lächelte. Es war ihm natürlich nicht entgangen, daß die Dame Amerikanerin war, auch wenn sie sich bemüht hatte, Deutsch zu sprechen. Er neigte leicht den Kopf. »Zimmer 10 im ersten Stock. Wir haben leider keinen Lift. Sie müssen die Treppe benutzen.«
»Danke!« Langsam schritt Flora auf die Treppe zu. Sie wußte jetzt, daß sie Stephan liebte. Sie hatte nur den einen Wunsch, an seiner Seite zu leben. Sie wollte dies Stephan sagen, aber war es nicht schon zu spät? Hatte er hier jemanden gefunden, der ihn verstand? Flora glaubte, nicht mehr atmen zu können, und trotzdem schritt sie weiter. Sie stieg die Treppe hinauf, fand Zimmer 10 und klopfte.
»Come in!« hörte sie seine Stimme, doch sie brachte es nicht mehr fertig, die Klinke hinunterzudrücken. Sie würde es nicht ertragen, wenn er jemanden bei sich hätte. Allen Ernstes dachte sie daran wegzulaufen, als die Tür geöffnet wurde. Sie war