Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank

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Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman - Marisa Frank Fürstenkrone

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      Dabei war Angelina, bis auf ihr kleines Gebrechen, ein wunderschönes Kind. Sie sah aus wie Schneewittchen mit einer zarten weißen Haut, schwarzen üppigen Locken und großen veilchenblauen Augen, umrahmt von dichten, langen dunklen Wimpern. Ihr feines Gesichtchen war etwas schmal für ein Kind ihres Alters. Und sie war ernst und schüchtern.

      »Das gibt sich bald«, tröstete die Mutter Oberin, die das Internat leitete. Der Graf hatte ihr vorsichtig angedeutet, daß die Mutter das Kind ablehnte. »Bei uns hast du viele Spielgefährten, und wir alle haben dich lieb.«

      Angelina sah sie ungläubig an, doch als die Nonne sie in den Arm nahm und an sich drückte, stahl sich ein schüchternes, kleines Lächeln auf ihre Lippen und ihre Wangen färbten sich rosig.

      Trotzdem wurde der Abschied von ihrem Vater sehr schwer. Sie vergoß bittere Tränen. Er versprach, sie einmal in der Woche anzurufen. »Und in den Ferien kommst du natürlich heim.«

      *

      Die ersten Wochen weinte sich Angelina jeden Abend in den Schlaf. Doch allmählich merkte sie, daß es hier wirklich fröhlich zuging. Die Schwestern waren liebevoll, und die anderen kleinen Mädchen, von den Lehrern ermahnt, lachten sie nicht wegen ihres Hinkens aus, sondern bewunderten ihre Haare und die schönen Kleider. Angelina war so dankbar dafür, daß sie alles herschenkte – bis die Schwestern Einhalt geboten.

      Wirklich wurden ihre Wangen bald rund und rosig, und auch wenn nach jedem Gespräch mit ihrem Vater Tränen flossen – sie war im Grunde gerne in dem Internat. Die Ferien verbrachte sie zu Hause – zumeist verreiste Roswitha in dieser Zeit, um ihre Nerven zu schonen, wie sie dem Grafen gegenüber erklärte. Und wenn sie selbst nicht wegfahren konnte, dann sorgte sie dafür, daß sie Angelina so wenig wie nur möglich zu sehen bekam.

      Der Umstand, daß diese ein auffallend schönes Kind war, bestärkte sie nur in ihrem Haß.

      Angelina war eine sehr gute und unkomplizierte Schülerin. Kein Wunder, daß sie allseits beliebt war – außer auf Schloß Sternheim, das doch ihr Zuhause war.

      Als sie vierzehn Jahre alt war, rief die Mutter Oberin sie zu sich. Sie sah sie liebevoll besorgt durch ihre dicke Brille an. Das Mädchen fühlte, daß sie eine schlechte Nachricht für sie hatte.

      »Setz dich, Angelina«, forderte die Nonne sie in sanftem Ton auf. Sie gehorchte zögernd. »Ich muß dir etwas sehr Trauriges sagen.«

      Angelinas Augen wurden groß und angsterfüllt.

      »Du mußt jetzt sehr tapfer sein, Liebes. Und ich möchte dir vorher versichern, daß du hier bei uns immer eine Heimat haben wirst. Vielleicht willst du ja einmal ganz bei uns bleiben.« Sie lächelte sie an. Angelina schluckte. Sie konnte vor Angst nicht sprechen.

      »Dein Vater – hatte einen Herzinfarkt – er – ist tot.«

      Angelina saß wie erstarrt, dann sank sie mit einem leisen Seufzer in sich zusammen.

      Angelina lag mehrere Wochen schwerkrank auf der Krankenstation des Internats. Sie weinte und jammerte in ihrem Fieberwahn, und die Schwestern erfuhren in dieser Zeit mehr über das Unglück des armen Mädchens, als sie in den Jahren zuvor erraten konnten. Sie waren erschüttert und sehr besorgt um Angelinas Zukunft.

      *

      Auf Schloß Sternheim ging Gräfin Roswitha ganz in der Rolle der schönen, reichen, jungen Witwe auf. Natürlich würde sie die vorgeschriebene Trauerzeit einhalten, aber dann würde sie endlich anfangen, ihr Leben zu genießen, ohne einen langweiligen, zu alten Mann an ihrer Seite.

      Die Testamentseröffnung brachte allerdings eine Überraschung mit sich, mit der Roswitha nicht gerechnet hatte. Zu sicher hatte sie sich der Liebe des verstorbenen Grafen gewähnt. Dieser hatte ihr zwar eine hohe Apanage ausgesetzt und bis zur Verheiratung Angelinas das Wohnrecht im Schloß, dann stand ihr bis zu ihrem Tode das Stadtpalais zur Verfügung – aber Haupterbin würde eines Tages Angelina sein. Nach Abschluß einer für die Führung des Betriebes entsprechenden Berufsausbildung, mit frühestens fünfundzwanzig Jahren.

      Roswitha war außer sich vor Wut. Dieses Kind hatte ihr nur Unglück gebracht. Was sollte sie nur tun, um sie um ihre Rechte zu betrügen? Natürlich fand sie nicht, daß es ein Betrug war, was sie vorhatte – im Gegenteil. Sie war der Ansicht, daß Robert und Angelina sie betrogen hätten. Da hatte er immer so liebevoll und freundlich getan, um sie hinter ihrem Rücken aller ihrer Rechte zu berauben…

      Immer mehr steigerte sich Roswitha in diesen Haß und das ihr angetane Unrecht hinein. Und schließlich beschloß sie, einen Anwalt aufzusuchen, um sich über ihre Möglichkeiten beraten und informieren zu lassen.

      *

      Baron Rüdiger Herrenberg gehörte einer bekannten Juristen-Sozietät an und hatte sich, wie sein Name es empfahl, auf Familienrecht spezialisiert. Es gibt zwar viele arme Adelige, aber mindestens ebenso viele, bei denen sich eine Beratung lohnte, und die anderen kamen ohnehin nicht zu ihm, da das Honorar der Mitglieder dieser Sozietät ihre Möglichkeiten überschritt.

      Erbschaftsstreite waren ihm von allem das liebste. Sehr oft waren die zerstrittenen Parteien am Ende so einer Auseinandersetzung so spinnefeind, daß sie nicht merkten, wie der Großteil ihres Streitobjektes in den Händen der Anwälte blieb. Und da gab es auch in den feinsten und reichsten Familien keine Familienbande, die eng genug gewesen wären, so einen Streit zu vermeiden.

      Da stritten sich Geschwister und Eltern mit ihren Kindern, und sehr oft waren es die Mütter, die ihren Söhnen alles zuschieben wollten und darauf vergaßen, oder es nicht wissen wollten, daß ihre Töchter es eigentlich nötiger hätten, wenigstens ihren Pflichtanteil ganz ausgezahlt zu bekommen.

      Baron Herrenberg hörte sich das alles an und stellte am Ende seine horrende Rechnung. Er verdiente glänzend, aber leider war er ein jüngerer Sohn, und auf dem Familiensitz residierte sein Bruder. Auch seine Schwester hatte einen Erbsohn geheiratet, nur er hatte sich, dumm und jung, wie er damals gewesen war – das war zumindest seine Ansicht – von einer zweitgeborenen Standestochter einfangen lassen, indem sie ihm ein Kind unterschob.

      Er verdankte zwar diesem Umstand, daß ihm auch aus den höchsten Kreisen Klienten zuströmten, aber es hatte ihn die ganze Ehe hindurch doch gewurmt, und irgendwie hatte er es seiner Frau nie verziehen, obgleich er ja nicht weniger schuldig war als sie. Nach einer für sie alles andere als glücklichen Ehe von fast zwanzig Jahren war die Baronin gestorben. Das war vor fünf Jahren gewesen, und Herrenberg hatte sofort seine beiden ihm leider sehr ähnlich sehenden Kinder in ein Internat abgeschoben.

      Leider, denn er war nicht gerade das, was man attraktiv nennt. Obgleich erst siebenundvierzig Jahre alt, war er stark übergewichtig. Er hatte krauses, gelbrübenfarbenes Haar und die oft damit einhergehende rotfleckige Haut. Seine kleinen wasserblauen Augen verbargen sich hinter einer starken Brille. Er hatte eine Knollennase und einen fleischigen Mund mit großen gelben Zähnen.

      Aber – und das war das Erstaunliche! – er hatte, wenn er wollte, eine Menge Charme, und es gelang ihm immer wieder, weibliche Wesen damit einzuwickeln.

      Im großen und ganzen war er mit seinem Leben zufrieden, auch wenn die Vorstellung, daß sein Sohn demnächst das Abitur machte und dann bei ihm wohnen würde, ihm wenig behagte. Na, vielleicht konnte er ihn noch zum Bund abschieben oder wenigstens an die Universität einer anderen Stadt. Britta, seine Tochter, machte erst in einem Jahr das Abitur – sie hatte im Gegensatz zu Hartmut keine ›Ehrenrunde‹ gedreht. Und er hatte bereits für sie einen Platz auf einer feudalen Töchterschule in der Schweiz

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