Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman. Marisa Frank

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Fürstenkrone Staffel 6 – Adelsroman - Marisa Frank Fürstenkrone

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Lächeln. Herrenberg sah auf seine Cartier-Armbanduhr. »Ich muß meine Mittagspause etwas vorverlegen, da ich später einen wichtigen Termin habe. Würden Sie mir das Vergnügen bereiten, mit mir zusammen zu essen? Wir können uns dann noch weiter unterhalten. Das Wichtigste habe ich mir bereits notiert. Aber vielleicht noch einige Details, die es mir leichter machen, über den Gesundheitszustand Ihrer Tochter Erkundigungen einzuziehen.«

      »Gerne.« Roswitha schenkte ihm einen betörenden Blick, und er ergriff wieder ihre Hand und küßte sie.

      »Danke.«

      Beiden war klar, daß es kein rein geschäftliches Gespräch werden würde.

      *

      Die Mutter Oberin empfing Gräfin Roswitha Sternheim und ihren Begleiter, Rechtsanwalt Rüdiger Baron Herrenberg, mit kühler Freundlichkeit. Es war ihr nicht entgangen, genau wie auch sonst niemandem, daß seit dem Tode von Angelinas Vater sie während der Ferien kein einziges Mal nach Hause gedurft hatte. Das waren jetzt fast zwei Jahre. Die Oberin hatte das Mädchen daraufhin in befreundete Klöster im Ausland geschickt – nach Italien, Frankreich und Irland –, um Angelina die Möglichkeit zu geben, ihre sprachliche Begabung zu fördern. Jetzt war sie keineswegs erstaunt, als die Gräfin erklärte, Angelina aus der Schule nehmen zu wollen. Trotzdem versuchte sie alles, um diese unbegreifliche Mutter umzustimmen.

      »Angelina ist eine unserer begabtesten Schülerinnen. Besonders in Sprachen ist sie ganz hervorragend. Auch ihre Aufsätze gehen weit über das hinaus, was man sonst von einem sechzehnjährigen Mädchen erwarten kann.«

      »Als Krüppel hat sie ja auch wohl wenig Ablenkung«, bemerkte Roswitha kalt.

      »Krüppel?« Die Oberin war empört. »Dieses geringfügige Hinken? Sie kann sogar an verschiedenen sportlichen Übungen teilnehmen. Reiten, Schwimmen…«

      »Behinderten-Reiten«, sagte Roswitha erklärend zu ihrem Begleiter.

      »Keineswegs!« rief die Nonne, nunmehr schon zornig.

      »Verehrte Frau Oberin«, mischte sich nun Herrenberg in das Gespräch, »die Gräfin ist Ihnen sehr dankbar, daß Sie sich so für Angelina einsetzen, aber sie glaubt doch, daß ein so schwer belastetes Mädchen am besten bei seiner Mutter aufgehoben ist.«

      »Ich bitte Sie! So kurz vor dem Abitur? Gerade weil sie diese kleine Behinderung hat, sollte man sie doch fördern, wo es nur geht. Zum Beispiel ihr ausgezeichnetes Klavierspiel.«

      »Man könnte wirklich denken, Sie wollen das Mädchen für Ihren Orden gewinnen«, sagte Herrenberg mit einem bösen Lächeln.

      Die Oberin stutzte. Worauf wollten die beiden hinaus?

      »Das Mädchen, das behinderte Mädchen«, betonte die Gräfin. »Oder das beachtliche Vermögen, das sie einmal zu erwarten hat.«

      Die Oberin wurde blaß vor Zorn. Sie stand auf.

      »Ich bitte Sie, mich zu entschuldigen. Ich werde Sorge tragen, daß Angelina am Ende des Schuljahres heimgeschickt wird.«

      »Es sind doch nur mehr ein paar Wochen«, sagte Herrenberg mit falscher Freundlichkeit. »Könnten wir das arme Ding nicht gleich heute mitnehmen?«

      »Sie muß erst packen.« Die Oberin wollte Zeit gewinnen.

      »Wir warten gern. Sie haben ja einen wunderschönen Garten, in dem wir inzwischen ein wenig spazierengehen können.« Der Baron war ganz Liebenswürdigkeit.

      Er verabschiedete sich, und Roswitha streckte der Oberin gnädig die Hand hin, die diese zu übersehen vorgab, indem sie sich mit ihren auf dem Schreibtisch liegenden Papieren beschäftigte.

      Kaum hatte sich die Tür hinter den beiden geschlossen, ließ sie Angelina zu sich rufen.

      Als das Mädchen in der Tür stand, mußte die Oberin unwillkürlich an Schneewittchen und ihre böse Stiefmutter denken.

      Aber die Gräfin war ja die leibliche Mutter des unglücklichen Geschöpfes.

      »Komm herein«, sagte sie mit einem traurigen Lächeln. Angelina sah sie ängstlich an. Sie hatte von jemandem gehört, daß ihre Mutter in Begleitung eines Herren gekommen sei. Die Oberin nahm ihre Hand und streichelte sie.

      »Mein liebes Kind, so leid es mir tut – wir müssen uns trennen.«

      »Bitte nein!« rief Angelina erschrocken.

      »Deine Mutter war eben bei mir und hat erklärt, daß sie dich noch heute mitnehmen will.«

      »Aber mitten im Schuljahr! Was soll ich da auf einer anderen Schule? Und dazu so kurz vor dem Abitur. Ach, Mutter Oberin, mein Vater wäre damit bestimmt nicht einverstanden.«

      »Ich weiß, aber ich kann nichts machen. Du bist erst sechzehn. Wenn du achtzehn wärest, aber so… Du kannst natürlich zum Vormundschaftsgericht gehen…«

      Angelinas dunkelblaue Augen wurden schwarz vor Schrecken.

      »Nein, Mutter Oberin, das kann ich nicht. Der Name meines Vaters – was würden die Leute sagen?« Sie sah sie bittend an. »Können Sie mir denn nicht helfen?«

      »Ich habe es versucht«, erwiderte die Nonne traurig. »Aber deine Mutter meinte, ich wolle nur dein Vermögen für den Orden gewinnen.«

      »Oh, mein Gott«, flüsterte Angelina. Dann schlug sie die Hände vors Gesicht, um ihre aufsteigenden Tränen zu verbergen. »Ich habe solche Angst. Jetzt, wo Papa nicht mehr da ist.«

      Die Oberin nahm sie in die Arme und streichelte ihr glänzend schwarzes Haar. Sie hatte selbst Mühe, die Tränen zu unterdrücken. »Es wird nicht so schlimm«, behauptete sie wider besseres Wissen, um Angelina den Abschied nicht noch schwerer zu machen. »Und vergiß nicht: Wenn du achtzehn bist, kannst du selbst über dein Leben bestimmen. Für dich ist jederzeit hier an der Schule ein Platz frei. Du machst das Abitur dann einfach zwei Jahre später. Andere bleiben zweimal sitzen – das kommt dann auf dasselbe heraus«, versuchte sie zu scherzen.

      »Ja«, sagte Angelina leise und begann erneut zu weinen. »Darf ich Ihnen schreiben?«

      »Ich bitte dich darum«, erwiderte die Oberin. Dann nahm sie das Mädchen nochmals fest in die Arme. »Dein Zeugnis bekommst du nachgeschickt«, versprach sie und nickte aufmunternd. »Du bist wieder Klassenbeste. Ich schicke dir auch den Preis, den du für deine guten Leistungen erhältst.«

      »Danke«, flüsterte Angelina unter Schluchzen, knickste und küßte der Oberin die Hand, und diese machte ihr ein Kreuzzeichen auf die Stirn.

      »Gott sei mit dir«, sagte sie und meinte es so ernst wie kaum einmal.

      *

      Josef Buchner beugte sich über die schlanke gelborangefarbene Rosenknospe und sog ihren betörenden Duft ein.

      »Guten Morgen«, sagte er leise. »Wie schön du bist. Und was für einen herrlichen Duft du verströmst.« Dann ging er weiter, ein beinahe zärtliches Lächeln auf seinem von Wind und Wetter zerfurchten hageren Gesicht. Seit über vierzig Jahren arbeitete er als Gärtner auf Schloß Sternheim. Anfangs als Lehrjunge, inzwischen hatte er die Aufsicht über vier ständige Gärtnergesellen. Er war ein kleiner, hagerer Mann, der älter aussah, als er war. Seine Hände waren

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