Fürstenkrone 80 – Adelsroman. Gabriela Stein

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Fürstenkrone 80 – Adelsroman - Gabriela Stein Fürstenkrone

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wie diese Landschaft ist auch Dein Vater. Eine Durchlaucht von großer Noblesse, integrem Charakter und weltmännischer Ausstrahlung.

      Gloria verzog das Gesicht. Direkt peinlich, wie beeindruckt ihre Mama von diesem Mann immer noch gewesen war. Hochadel, integrer Charakter, mein Gott! Dieser Herr aus höchsten Kreisen verführte kleine Studentinnen und zeugte außereheliche Kinder!

      Ein faszinierender Mann, welcher seinerzeit sofort meine Gefühle auf sich zog, las sie weiter. Uns verband eine große Liebe, von kurzer Dauer zwar, aber nachhaltig in Wirkung und Ergebnis. Denn Dein Leben ging aus dieser Begegnung hervor – Du, mein ganzes Glück, mein Stolz und meine dankbare Erinnerung an etwas, das einem nur einmal im Leben begegnet …

      Gloria ließ das Blatt sinken und blickte über den Tisch hinweg Henry Kröger an.

      »Meine Entstehungsgeschichte ist so banal, wie all diese Geschichten um die Liebe banal sind«, sagte sie und war versucht, sich das Ende dieser Beichte zu schenken. Doch dann senkte sie wieder den Blick auf die Zeilen und las laut:

      »Fürst Thornbach besaß Familie. Eine Frau und einen Sohn.«

      Gloria seufzte. Ja, natürlich – wie konnte es auch anders sein! Wichtig war jetzt nur noch, wie dieser hochwohlgeborene Vertreter von Glanz und Unantastbarkeit das Malheurchen, nämlich sie, aufgenommen hatte.

      Dein leiblicher Vater weiß nichts von Deiner Existenz, las sie dann aber überrascht weiter. Ich wollte ihn nicht in Gewissensnöte bringen, denn seine Bindung an eine kranke Frau und einen halbwüchsigen Sohn ließ das nicht zu.

      »Wie edel«, murmelte Gloria ohne Verständnis. War sie denn so wenig wichtig gewesen?

      Ich zog einen scharfen Schnitt – und habe ihn nie wiedergesehen …, stand da, und das Schriftbild verlor einen Moment lang seine Haltung, als hätten Gefühle besonderer Art es erschüttert.

      Gloria sah lange auf diese Zeilen. Da hatte sie also einen biologischen Vater, der von ihrer Existenz nichts wusste! Zudem war ihr mit dieser späten Beichte ihrer Mutter der Ersatz-Vater genommen – ohne zum leiblichen eine Brücke zu bauen.

      Meine eigene Situation wurde von Deinem geliebten Ziehvater Albert de Vries aufgefangen, teilte die Schreiberin mit. Er warb um mich und mein ungeborenes Kind und schenkte uns in der Folge seine ganze Liebe und Umsicht. Ja, er wurde zum wundervollen Vater für Dich. Aber das weißt Du ja.

      Ist es da nicht zu verständlich, dass es mir in der Folge unmöglich war, Dich aufzuklären? Für Albert warst Du sein Kind, und er Dein Vater – nur so schien es richtig.

      Der Versuch einer Rechtfertigung lag in diesen Zeilen und doch auch wieder dieser Zwiespalt.

      Mit dem Tod wäre nun der Zeitpunkt der Aufklärung gekommen gewesen, überlegte die Schreiberin. Denn Du musstest doch die Wahrheit über Deine väterliche Herkunft erfahren! Aber Du trauertest so sehr um Deinen geliebten Ersatz-Papa, hieltst sein Andenken so hoch – wie konnte ich das zu diesem Zeitpunkt zerstören?

      Nachdenken schien einen Moment lang die Feder anzuhalten, bevor Elise de Vries das späte Geständnis fortsetzte:

      Stattdessen schreibe ich diese Zeilen nieder, stand da. Diese hinterlege ich bei unserem lieben Freund Henry Kröger. Er wird sie sicher verwahren, bis einer von uns den Mut aufbringt, sie Dir zu überreichen …

      Gloria hob den Blick und sah den Rechtsanwalt ihrer Familie an. Unverständnis lag in ihren Augen.

      »Fünf lange Jahre!«, sagte sie. »Ist das nun Feigheit oder falsche Rücksichtnahme, Onkel Henry? Denn meine Trauer um Albert de Vries hat sich längst beruhigt.«

      Der Angesprochene räusperte sich. Er wusste, wie diese junge Frau sich fühlte. Dennoch versuchte er beruhigend auf sie einzuwirken:

      »Ich erwähnte bereits die menschlichen Urängste in uns, Geliebtes zu verlieren, mein Kind. Aber auch gegebene Versprechen spielen eine Rolle und der unbedingte Wunsch, deinem leiblichen Vater keinen Schaden zuzufügen. Was bedeutet, nicht in bestehende Familienstrukturen einzugreifen.«

      »Du meinst, Anerkennung, Erbansprüche und ähnliches?«

      »Zum Beispiel.«

      Gloria sah mit wachsender Bitternis auf die Zeilen ihrer Mutter. Auf deren klares Schriftbild und das ganz und gar nicht klare Verhalten.

      Ach, hättest du doch geschwiegen! dachte sie, bevor sie sich dem letzten Anliegen dieses Bekenntnisses stellte.

      Bitte, mein Kind, stand dort, halte es so wie ich und konfrontiere das Haus Thornbach nicht mit Deiner Existenz. Meine Liebe zu Carl-Philipp von Thornbach soll eine Liebe ohne Anspruch und Verpflichtung bleiben.

      »Wie edel, wie edel, liebe Mama!« Glorias Stimme lud sich mit bitterer Ironie auf. »Das fürstliche Malheurchen wird unter den Teppich gekehrt, damit alle anderen ihren Seelenfrieden haben. Nur wie sich das Malheurchen dabei fühlt, ist wohl nicht so wichtig, wie?«

      Wieder erhob sie sich und suchte erneut den Ausblick auf die Alster, auf die ruhig dahingleitenden Boote. Nur diesmal beruhigte der traumschöne Blick sie nicht.

      War nicht ohnehin alles nur Schein?

      Rasch kam sie an den Tisch zurück, eine attraktive junge Frau in heller Kleidung. Erneut griff sie nach dem späten Geständnis ihrer Mutter, las nur noch mäßig interessiert deren letzte Zeile: In Liebe, Deine Mama. Dann ein scharfer Laut, als sie das Blatt zerriss – und auf die Tischfläche fallen ließ.

      »Entschuldige, Onkel Henry«, murmelte Gloria und verließ mehr laufend als gehend das Büro.

      »Aber, Kind!«, rief der alte Herr ihr erschrocken nach, bevor er ratlos nach den beiden Hälften des folgenschweren Briefes griff – um sie automatisch wieder zum Ganzen zusammenzufügen.

      Er wusste, die späte Wahrheit hatte drei Personen beschädigt: Die bis dahin geliebte Mama, den vergötterten Vater, der nicht der Vater war – und einen Unbekannten, der ein Vergnügen gesucht hatte und von den Folgen keine Ahnung besaß.

      Ratlos verließ Henry Kröger die Räume seiner Kanzlei und stieg durch das hochherrschaftliche Haus die Stufen zu seiner Privatwohnung hinauf. Er musste mit seiner Frau Julia reden. Vielleicht hatte sie eine Idee, wie die heraufbeschworene Identitätskrise einer jungen Frau zu besänftigen war.

      *

      Die Mittagssonne stand über dem Land und bescherte sommerliche Wärme. Schönes Schleswig-Holstein! Land zwischen den Meeren mit einem weiten Himmel und satten Farben zu seinen Füßen.

      Gloria de Vries ließ langsam den Wagen ausrollen. Fast zögernd geschah das, und fasziniert blickte sie auf eine weite Anlage, welche wie ein Reich für sich wirkte.

      Sie hatte Schloss Thornbach erreicht! Und sie spürte ihr Herz schlagen. Dieses Herz, welches seit einer Woche so zerrissen war wie nie zuvor.

      Ihr ganzes Leben war ins Schwimmen geraten. Der bisher so sicher gewähnte Boden ein einziger schwankender Grund. So hatte sie sich nicht einmal beim Tode ihrer Mama gefühlt. Denn ihr vermeintlich so sicheres Elternhaus hatte Risse bekommen. Es bot den Halt nicht mehr, der doch eigentlich für ein Leben hätte ausreichen müssen.

      Albert de Vries war nicht ihr leiblicher Vater! Diese Tatsache schmerzte sie unendlich, weil sie ihn abgöttisch

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