Fürstenkrone 80 – Adelsroman. Gabriela Stein
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Eingespannt in einen Knäuel widerstreitender Gefühle blickte Gloria hinüber zu der prachtvollen Anlage.
Zwischen zwei Torhäusern gelegen, strebten die mächtigen schmiedeeisernen Flügel der Zufahrt in den Himmel, gekrönt mit einem aufgebrachten Familienwappen. Vergoldet strahlte dieses Symbol einstiger Herrlichkeit zu ihr hin, wirkte freundlich und entgegenkommend.
Die stille Betrachterin hinter dem Steuer ihres Wagens lächelte bitter.
Freundlich und entgegenkommend? Was man sich doch so alles einbilden konnte!
Ach, Mama! Wie konntest du dich mit Protz und Prunk nur einlassen?
Und jetzt stand sie hier! Sie, Gloria, das Malheurchen eines kleinen Abenteuers. Eine Antwort suchend, ein Gesicht, welches so zu ihr gehörte wie die andere Hälfte ihrer Existenz, ihre Mama.
Tiefe Ratlosigkeit erfüllte sie.
Das filigrane Gitterwerk der Torflügel lag auf einer Linie mit dem Haupteingang, seinem säulengetragenen Portikus, dem umlaufenden Sims, hell abgesetzt zum Lichtgelb der Gebäude. Ein Ausschnitt wie eine Visitenkarte, leuchtend und auf den ersten Blick alles sagend.
Gepflegte Vornehmheit lag über allem. Dem mächtigen Hauptgebäude, den Seitenflügeln mit Pavillons und der repräsentativen Zufahrt.
Geradlinig durchschnitt diese Zufahrt zwei kultivierte Rasenflächen und mündete auf dem Schlossplatz. Wenige Wagen standen dort, parkten glänzend in der Sonne.
Stille lag über der Anlage. Vornehmheit vertrug sich nicht mit Betriebsamkeit. Und Neugier nicht mit wirklicher Noblesse.
Was aber hatte sie hergetrieben? War es nicht auch Neugier gewesen. Die Suche nach einer Erklärung?
»Mach dir ein Bild!«, hatte am Morgen Constanze von Bellwange, die getreue Freundin und Mitarbeiterin, ihr geraten. »Die ganze Geschichte muss ein Gesicht bekommen.« Nachdrücklich hatte sie gesprochen, während sie den Zustand zweier flämischer Meister prüfte. Hochwerke alter Malkunst und selten angeboten.
Kaufen – oder nicht kaufen, stand zur Diskussion. Ein ständiges Wägen und Abwägen. Der Kunsthandel war ein schwieriges Geschäft, ging es doch zumeist um hohe Summen.
»Das Risiko muss überschaubar bleiben!«, hatte Albert de Vries stets verkündet. »Allerdings darf man auch nicht zum Brötchenverkäufer mutieren.«
Albert de Vries! Geliebter Papa und großmütiger Mensch! Musste sie wirklich Abschied von dieser Vorstellung nehmen? Er hatte ihr Leben in seine Hände genommen, aber eben mit diesem Besitzanspruch. Seine Großmütigkeit hatte totale Übergabe gefordert. Anders konnte sie es nicht sehen.
Gab es überhaupt menschliche Selbstlosigkeit?
Einige Tage nach dem Gespräch mit Henry Kröger und der Offenlegung des Briefes hatte die resolute Mitarbeiterin und langjährige Vertraute Constanze von Bellwange Glorias Niedergeschlagenheit nicht mehr mit ansehen können.
Sie hatte die Brille auf die hellgrauen Locken hochgeschoben und die dunklen ausdrucksstarken Augen auf sie gerichtet.
»Gibt es Probleme mit dem Erbe?«, hatte sie dann direkt gefragt, ahnend, dass Glorias Stimmungslage mit dem letzten Besuch bei Notar Kröger zusammenhängen musste. »Wenn ja, so sprich sie aus! Du weißt, wir sind ein Team – und wir helfen einander. Das war schon bei deinen Eltern so – und sollte auch so bleiben.«
Constanze, die lebhafte und lebenserfahrene Sechzigjährige, hatte im Büro zwischen Verkaufsraum und Auktionssaal zwei Stühle zurechtgerückt und sie zum Platznehmen aufgefordert.
»Also – was hast du in der Kanzlei Kröger erfahren, meine Kleine?« Ihre Stimme hatte Zuneigung erkennen lassen, schließlich kannte die treue Mitarbeiterin des Kunsthandels Gloria von Kindesbeinen an.
»Albert de Vries war nicht mein leiblicher Vater!«, hatte Gloria hervorgestoßen, der Langvertrauten anklagend in die aufmerksamen Augen sehend.
Constanze von Bellwange aber hatte nur genickt.
»Du hast es gewusst?«, hatte Gloria erstaunt gefragt.
»Sagen wir mal, ich habe es geahnt. Gesprochen wurde darüber von Seiten deiner Eltern nie.«
Stille Sekunden des Nachdenkens hatten bei Constanze eingesetzt. Überrascht? Nein, überrascht hatte sie sich nicht gezeigt.
»Weißt du, dein Papa war schon einmal kinderlos verheiratet gewesen, bevor er deine Mama traf. Ich denke, sie war ein Glücksfall für ihn – und die freudigen Umstände, in denen sie sich befand, ebenfalls.«
»Sie hätten längst mit mir reden müssen …« Glorias Verletzung war nur zu deutlich.
»Ja, das denke ich auch.« Constanze hatte das genauso gesehen. »Und Dr. Kröger hat es jetzt getan?«
»Nein, Mama hat einen Brief hinterlassen, der mir nach ihrem Tode auszuhändigen war.«
»Ich verstehe.«
»Mein leiblicher Vater ist demnach Carl-Philipp Fürst von und zu Thornbach und Seeland, ein Adliger aus dem Holsteinischen.«
»Ich bin beeindruckt!« Constanze hatte nur einen Moment lang gestaunt, bevor ihre gewohnte Nüchternheit wieder durchgekommen war.
»Lass mich raten! Seine Durchlaucht war verheiratet?«
»Ja, so war es wohl.«
»Nun, dann gilt es jetzt, die Karten offenzulegen!« Constanze von Bellwange war für klare Verhältnisse gewesen.
»Eben das möchte Mama nicht! Sie wollte mich nur über meine Herkunft in Kenntnis setzen, nicht aber auffordern, in bestehende Familienstrukturen einzugreifen.«
»Unsinn!«, hatte Constanze ausgerufen. »Vielleicht freut der Fürst sich ja, solch eine bildschöne Tochter zu haben.«
Die tatkräftige Mitarbeiterin hatte sich erhoben – und während sie bereits ihrem Schreibtisch zustrebte, hatte sie sich noch einmal den Namen des Adelsgeschlechts geben lassen.
»Thornbach«, wiederholte sie, gab ihn in ihren Computer ein – und hatte Erfolg. »Komm, sieh dir das an, meine Kleine! Das nennt man einen Volltreffer landen.«
Gemeinsam hatten sie dann das Bild einer Schlossanlage auf sich wirken lassen, welche sich nicht nur beeindruckend präsentierte, sondern gleichzeitig auch hell, freundlich und entgegenkommend wirkte.
Und als wäre das noch nicht Einladung genug, wurde von Seiten der Schlossverwaltung auch gleich zu einer Ausstellung eingeladen, die sich mit prähistorischer Kunst beschäftigte.
Und jetzt stand sie hier, draußen vor dem Tor, und fragte sich, was sie hier eigentlich wollte. Zwar wohnte hier angeblich ihr leiblicher Vater, aber was hieß das schon?
Als sie seitlich vom Tor das Plakat registrierte, welches auf die Ausstellung hinwies, da verließ sie ihren Wagen – und ging darauf zu.
»Prähistorische Kunst im Kontinentvergleich«, las