Reise Know-How ReiseSplitter: Von Kasachstan in die Südsee – Wie ich mal eben vom Weg abkam. Katharina Bahn
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Eine Wanderung mit Carina auf dem Anse Major Trail ist mein erster Programmpunkt im Inselparadies. Vor noch nicht einmal 48 Stunden bin ich mit meinem Rucksack zum Frankfurter Flughafen gehetzt, ohne zu wissen, was mich erwartet. Jetzt sitze ich verschwitzt, aber zufrieden auf einem Bänkchen mit Blick auf türkisblaues Wasser und einen palmengesäumten Sandstrand. Ich feiere im Stillen: Hatte ich je eine bessere Idee, als ein Jahr Auszeit zu nehmen? Auf dem Rückweg genießen wir ein eiskaltes Seybrew von einem Kiosk am Ende des Wanderwegs. Das milde einheimische Bier erweist sich als der ideale Durstlöscher bei den tropischen Temperaturen.
Für das letzte Stück auf dem Rückweg nach Beau Vallon wollen wir den Bus nehmen. Das klapprige Gefährt mit den abgeschabten blauen Kunstlederpolstern hat schon bessere Zeiten gesehen. Trotzdem dürfen wir nicht mit unseren offenen Bierflaschen einsteigen. Ordnung muss sein. Der Busfahrer gibt uns einen Augenblick Zeit zum Austrinken. Dann juckeln wir für ein Paar Rupien zurück zum Strand von Beau Vallon.
Die putzige Hauptstadt Victoria liegt nur eine kurze Fahrt von Beau Vallon entfernt. Sie ist eine der kleinsten Hauptstädte der Welt. In ihrem Zentrum steht seit 1903 der silbrig glänzende Victoria Clocktower. Von dem kleinen Glockenturm liegt das meiste in fußläufiger Nähe. Nicht zu verfehlen ist der Tempel Arul Mihu Navasakthi Vinayagar, der einzige Hindutempel der Insel. Ich weiß nicht, was ich schöner finden soll: die bunten, detailreichen Figuren und Muster des Tempels oder sein Name in tamilischer Schrift:
Sehenswert ist auch der farbenfrohe Sir Selwyn Selwyn-Clarke Market, auf dem Obst, Gemüse, Souvenirs und andere Produkte angeboten werden. Benannt ist der Markt nach einem ehemaligen Gouverneur der Seychellen mit britischen Wurzeln. Ich bin begeistert von dem reichen Angebot an Kokosprodukten – Butter, Öl, Creme, Snacks, Milch. Ich bin im Kokoshimmel!
Zurück in Beau Vallon und inzwischen ziemlich hungrig, freuen Carina und ich uns auf den berühmten Wochenmarkt, der hier jeden Mittwochabend am Strand stattfindet. Wir lassen uns würzige Maniok-Chips, erfrischende Cocktails direkt aus der Kokosnuss und andere Leckereien schmecken. Mehr Urlaubsfeeling geht nicht. Für mich ist es zudem ein Gefühl von „Hirn aus“ vor dem großen Land-Rover-Abenteuer.
Wir treffen Dax und er nimmt uns mit in ein kleines Casino. Ich gewinne ein paar Rupien an einem der Automaten, aber die Auszahlung erweist sich als hochkompliziert: Der Automat wird von zwei Mitarbeitern per Hand geöffnet, ein Quittungsblock wird daraus hervorgezaubert und die Gewinnsumme handschriftlich eingetragen. Damit kann ich an einem Schalter meinen Gewinn einlösen.
Unsere letzte Anlaufstelle des Abends ist ein Club, in dem R’n’B und HipHop nach meinem Geschmack läuft und der fast ausschließlich von Einheimischen besucht wird. Carina und ich trinken, tanzen und haben Spaß für zehn. Kaum zu glauben, dass wir uns erst vor 24 Stunden getroffen haben. Im Lauf des Abends lernen wir zwei Piloten kennen – Markus aus Deutschland und Giovanni aus Italien. Gemeinsam verbringen wir den kommenden Tag am Sunset Beach und essen auf der Terrasse von einem kleinen Hotel mit Blick auf die wunderschöne Bucht. Mir scheint auf gut Deutsch die Sonne aus dem Hintern.
Türkisblaues Wasser wie im Katalog. Schön, dass ich hier bin
In der Barrel Bar & Nightclub in Victoria treffen wir uns alle vier am Abend wieder. Dax stößt ebenfalls zu uns. Zu weit fortgeschrittener Stunde und ebenso fortgeschrittenem Promillepegel kommen wir auf die Idee, zum Strand zu fahren und im Dunkeln im Meer schwimmen zu gehen. Giovanni baggert mich höchst offensichtlich an, was ich nicht zuletzt wegen seines Eherings am Finger höflich abwehre. Dax bekommt das irgendwie mit und wir verstricken uns in eine Grundsatzdiskussion. Er unterstellt mir, dass ich mein Leben nicht genießen würde. Ich bin empört und amüsiert zugleich. Gerade jetzt genieße ich mein Leben mehr denn je. Mit allem, was es zu bieten hat. Ehebruch gehört nicht dazu.
Von Carina muss ich mich am nächsten Morgen leider verabschieden, da sie bereits abreist. Ich vertrödele den Tag und treffe mich am Abend schon mit Manuel, meinem nächsten Gastgeber, in einer hippen Bar. Er ist ausgesprochen nett und spricht fließend Deutsch. Ich bin gespannt auf seine Kochkünste, die er mir hoch anpreist. Auf den Seychellen wird traditionell ein Flughund-Curry gegessen. Ich hatte mir bereits in Deutschland vorgenommen, es zu probieren. Schon Daxwell wollte es mir zubereiten – nach einem Blick in seine Küche habe ich jedoch dankend abgelehnt. Vielleicht klappt es ja bei Manuel.
In meiner letzten Nacht bei Dax ist eine riesengroße Kakerlake im Zimmer nicht mein größtes Problem. Wir verlieren uns erneut in einer Grundsatzdiskussion, diesmal über das Thema Hilfsbereitschaft. Vor seinem Haus ist eine Frau mit ihrem Kleinwagen in den Straßengraben gefahren und kommt dort ohne fremde Hilfe nicht wieder raus. Die indischen Arbeiter sind hilfsbereit, Dax jedoch geht nur widerwillig mit nach draußen. Nach der Rettungsaktion will er mir seine Welt erklären. Er ist der Meinung, in so einer Situation sollte sich jeder selbst der Nächste sein. Ich bin irritiert – wo er doch so ein gastfreundlicher Mensch ist. Die Situation ist absurd. Ich spare meine Energie und gebe ihm in allem Recht, was er sagt. Zum einen, weil er ziemlich betrunken ist und zum anderen, weil ich ohnehin morgen früh hier weg bin. Dax legt sich schließlich schlafen und ich entspanne mich noch etwas in der kühlen Nachtluft auf dem Balkon. Was mich ungemein an diesem Abend bei Laune hält – ich schreibe schon seit Stunden mit meinem Untermieter in Deutschland WhatsApp-Nachrichten. Ein Hoch auf die geringe Zeitverschiebung von nur drei Stunden.
Ich lege Dax am nächsten Morgen noch einen Zettel hin und bedanke mich natürlich trotz allem für seine großzügige Gastfreundschaft. Ich schultere meinen Rucksack und marschiere los zum Treffpunkt mit meinem nächsten Gastgeber Manuel. Erstaunlich: Die indischen Arbeiter lächeln mich an und winken mir freundlich zum Abschied.
Bei Manuel, im ruhigen Südwesten der Insel, kann ich erstmal jede Menge Schlaf nachholen. Er bekocht mich wie angekündigt mit feinsten Köstlichkeiten. Soursop-Frucht als Vorspeise, Spaghetti mit Gambas, dazu ein erfrischender gekühlter Rosé ist nur eines der Menüs der kommenden Tage.
Diese sind so entspannt, dass ich einfach mitfließe und sogar mein Handy auslasse. Tagsüber verdient Manuel sein Geld als Reiseführer und Taxifahrer und bringt mich in seinen Pausen zu den schönsten Stränden der Insel. Manchmal besuchen wir seine Familie. Abends essen wir gemeinsam und treffen seine Freunde zum Tanzen oder Billard spielen. Ich wehre mich nicht gegen sein allumfassendes Verwöhnprogramm.
Besonders schön finde ich die Besuche bei Manuels Familie, um die ich ihn richtig beneide. Im Haus seiner Schwester Tina wohnen vier Generationen zusammen. Ich werde ohne Zögern aufgenommen, darf zum Essen bleiben und freunde mich mit den Kindern an. Sie spielen einfach mit dem, was sie im Garten finden – Blätter, Steine, Äste. Es gibt nur wenige „echte“ Spielsachen. Die Kinder wirken vollkommen zufrieden.
Eines der Familienessen besteht aus einem Curry in senffarbener Soße und einem scharfen Chutney mit Brot. Als mein Teller leer ist, erzählt Manuel mir ganz entspannt, dass ich gerade Wasserschildkröte gegessen habe. Ich bin schockiert. Auf den Seychellen ist das offiziell verboten. Das Wort „geschmacklos“ wurde für genau diesen Augenblick erfunden. Geschmacklos finde ich es, ein geschütztes Tier zu einer Mahlzeit zu verarbeiten. Geschmacklos, mir erst nach dem Essen davon zu erzählen. Und schließlich geschmacklos,