Reise Know-How ReiseSplitter: Von Kasachstan in die Südsee – Wie ich mal eben vom Weg abkam. Katharina Bahn

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Reise Know-How ReiseSplitter: Von Kasachstan in die Südsee – Wie ich mal eben vom Weg abkam - Katharina Bahn Reisegeschichte

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die ohnehin bald in einem Umzugskarton landen werden. Bei einem der Streifzüge im „Blue Souk“ von Sharjah probiere ich in einem Schmuckgeschäft so viele verschiedene Ringe an, dass ich den Überblick verliere. Beim Verlassen des Ladens trage ich versehentlich noch einen nicht bezahlten Ring am Finger.

      Erst zehn Minuten später bemerke ich mein Missgeschick. Erschrocken haste ich sofort zurück in das Geschäft. Wie werden Ladendiebe hier eigentlich behandelt? Darf ich meine Finger behalten?

      Ich darf. Der Verkäufer zeigte sich sogar ausgesprochen dankbar. Auf den Schreck könnte ich jetzt ein kaltes Bier vertragen, aber Fehlanzeige. In Sharjah, dem letzten Emirat auf unserer Rundreise, herrscht absolutes Alkoholverbot. Anders als in Dubai und Abu Dhabi, wo wenigstens Hotelbars Ausschankgenehmigungen haben. Dafür dürfte ich theoretisch auf unserem Hotelzimmer rauchen, aber meine Freundin Kat würde mich wahrscheinlich töten. Anyway, wie mein Onkel Jürgen von den Seychellen sagen würde. Von seiner Gelassenheit habe ich mir gedanklich ein paar Flaschen abgefüllt.

      Als ich wieder in Frankfurt lande, holt mein Untermieter mich erneut vom Flughafen ab. In meiner Wohnung schenkt er mir einen Strauß Osterglocken. Provisorisch platziert in einem Kölsch-Glas. Spätestens jetzt ist es um mich geschehen.

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      Die Grand Tour mit Paul nach Zentralasien soll in rund zwei Wochen starten. Ich verpacke mein Leben in Kartons. Trenne mich von noch mehr veralteten Erinnerungen und überflüssigem Krempel. Hilfreiche Fragen bei dieser Aktion sind zum Beispiel: Was habe ich in den letzten Monaten nicht mehr getragen oder benutzt? Was würde ich wirklich vermissen, wenn das Haus abbrennen würde?

      Meiner Schwester bringe ich kistenweise wichtige Unterlagen vorbei sowie den Schlüssel zu meinem Bankschließfach. Zuhause nehme ich in diesen Tagen noch letzte Arzttermine wahr. Überraschend problemlos war die Ummeldung der gesetzlichen Krankenversicherung. Meine Zahlungen an die Rentenversicherung habe ich ausgesetzt. Für mein Hab und Gut habe ich einen Lagerraum für rund 40 Euro pro Monat gemietet. Ich trenne mich zwar von vielen Dingen, verschenke und verkaufe einen Großteil meiner Möbel. Meine Lieblingsstücke bleiben jedoch bei mir und werden in dem Lagerraum verstaut. Eine Ausnahme: das Unhandlichste von allem, mein reich verziertes, mattschwarz lackiertes Klavier. Hier spare ich nicht an der falschen Stelle und heuere einen professionellen Klaviertransport an. Das Erbstück darf bei meiner Freundin Dina einziehen und muss nicht im Lagerraum einsitzen.

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       In den Emiraten steht man auf Gold. Und Weiß. Und Weiß mit Gold

      Während dieser Zeit flirte ich heftig mit meinem Untermieter (ich sollte packen, stattdessen backe ich einen ganzen Tag Kuchen für seine 50-köpfige Abteilung). Aktueller Beziehungsstatus: unklar.

      Eine der schwierigsten Fragen ist, was ich mitnehme. Meine Gepäckbox im Land-Rover ist etwa 40 x 50 x 45 Zentimeter groß. Zwangstherapie für „Ich-packe-immer-zu-viele-Klamotten-ein“-Menschen wie mich. Ich rede mir permanent ein, dass ich nicht zum Mond fahre. Auch in anderen Teilen dieses Planeten gibt es schließlich Dinge des täglichen Bedarfs zu kaufen. Auf dem Boden meines leeren Wohnzimmers lege ich mir Stapel zurecht. Nehme Dinge weg, lege wieder etwas dazu. Rolle, quetsche, schiebe. Entscheide mich für oder gegen jedes einzelne Teil. Versuchte man meine Art des Packens in eine Formel zu pressen, würde diese in etwa lauten: Je kleiner der Stauraum bei proportionaler Steigerung der Reisezeit, umso geringer wird die mitgeführte „Gepäckmenge X“ und umso größer die maximale Annäherung an den Grenzwert „Reduzierung auf meine Grundbedürfnisse Y“.

      Unsere Abfahrt verzögert sich um wenige Tage. Wir warten noch auf unser „Carnet de Passage“, eine Art Reisepass und Zolldokument für das Auto. In vielen asiatischen Ländern ist das Carnet beim Grenzübertritt mit dem eigenen Fahrzeug Pflicht. Auch wir selbst sind inzwischen gut mit Dokumenten ausgestattet. Jeder von uns besitzt zwei Reisepässe voll mit Visa von Russland bis Indien. Auch sonst fühle ich mich gut vorbereitet. Ich habe meinen Erste-Hilfe-Kurs aufgefrischt. Zudem habe ich haufenweise Impfungen intus. Zu meinem Erstaunen habe ich bisher alle ohne Nebenwirkungen weggesteckt. Meine Reiseapotheke füllt einen ganzen Turnbeutel. Unterwegs krank zu werden, ist zu diesem Zeitpunkt meine größte Sorge. Mit Magen-Darm-Problemen irgendwo in der usbekischen Steppe? Mein persönliches Horror-Szenario.

      Mit meinen Freunden mache ich Abschied auf Raten, alles andere würde mich überfordern. Meine Freundin Vanessa spielt mir bei unserem letzten Treffen „Mein Ding“ von Udo Lindenberg vor und ich breche in Tränen aus. Meine Schwester verabschiedet mich auf ihre Art: „Wenn was ist, ruf mich an. Dann komm ich vorbei und hol dich ab.“

      Jetzt läute ich die Klingel am Haus meines Reisepartners Paul. Die letzten Sachen gepackt, die letzten Freunde verabschiedet und ein letztes Mal meinen Untermieter geküsst. Ich habe eine WhatsApp-Gruppe gegründet, ein Bündel US-Dollar in kleinen Scheinen in der Tasche und bin entgegen aller Logik und Vernunft frisch vergeben. In meinem Herzen habe ich eine Wagenladung voller guter Wünsche von meiner Familie, meinen Freunden und Kollegen.

      Meine Gefühle könnten gemischter nicht sein. Aber ich freue mich wirklich, dass es jetzt endlich losgeht. Paul öffnet die Tür. Morgen starte ich mit ihm in Richtung Osten.

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      Mein Zuhause auf vier Rädern für die kommenden Monate steht vor dem Haus. Ein weißer Land-Rover Defender 110. Einer der letzten seiner Art, dessen Bau Ende 2015 eingestellt wurde. In fast 70 Jahren sind mehr als zwei Millionen Exemplare vom Band gelaufen. Auf dem Dach haben wir ein Zelt, Wassertanks und eine Kiste für Feuerholz. Der hintere Innenraum ist ausgebaut mit einer Kühlbox und stabilen Kisten mit Deckeln. Eine davon für mich – erleichtert stelle ich fest, dass für meinen Turnbeutel voller Medikamente noch Platz in einer weiteren Kiste ist. Eine Rückbank gibt es in unserem Gefährt nicht mehr. Was sich zum Teil alles in den Behältern befindet, soll sich für mich erst nach und nach herausstellen. Nach dem Frühstück laden wir unser Gepäck in den Wagen. Ich sortiere nun wirklich zum allerletzten Mal Überflüssiges aus. Was mitfährt, sind: Klamotten, Kulturbeutel, Kamera, Reiseführer, Apotheke, etwas Kleinkram. Und eine Jahresration Tampons. (Ich weiß, dass ich wahrscheinlich auch diese überall auf der Welt kaufen kann – trotzdem.) Ich stelle fest, dass ich nun zum ersten Mal seit Jahrzehnten keine Schlüssel mehr bei mir habe. Ich besitze keinen Wohnungsschlüssel und keinen Autoschlüssel mehr. Ein merkwürdiges, aber befreiendes Gefühl. Ich habe mein Leben vorübergehend einmal komplett aus seinen Angeln gehoben und bin gespannt, was daraus wird.

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      Endlich dreht Paul den Zündschlüssel – wir starten! Nach all den Monaten der Vorbereitung liegen nun 40.000 Kilometer und mehr als 15 Länder vor uns. Von jetzt an vertraue ich mich voll und ganz einem Menschen an, den ich kaum kenne – seinen Fahrkünsten, seinem Orientierungssinn, seiner Geduld. Vom Armaturenbrett schaut uns Königin Elisabeth II. an, als kleine solarbetriebene winkende Figur. God save the Queen und uns hoffentlich auch.

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      Unsere ersten Kilometer führen uns zur Autobahn. Dort pendelt sich unsere Geschwindigkeit bei 120 km/h ein. Obwohl sich die Rückenlehne nicht verstellen lässt und die straffe Federung nicht gerade rückenfreundlich ist, sitze ich überraschend bequem.

      Paul und ich reden über die ersten Etappen unserer Route. Einzig unsere erste Übernachtung steht bereits fest: Stralsund. Paul hat uns ein Doppelzimmer im „Hiddenseer Hotel“ gebucht. Da wir ohnehin die nächsten Monate immer wieder gemeinsam in einem Dachzelt übernachten werden, kann ich damit leben.

      Wir

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