Reise Know-How ReiseSplitter: Von Kasachstan in die Südsee – Wie ich mal eben vom Weg abkam. Katharina Bahn

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Reise Know-How ReiseSplitter: Von Kasachstan in die Südsee – Wie ich mal eben vom Weg abkam - Katharina Bahn Reisegeschichte

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Staunend will ich ein Foto von der kasachischen Variante von Cola schießen. Sofort springt ein Wachmann hinter einem Stapel Konservendosen hervor und gibt mir zu verstehen: Fotos machen verboten! Im Supermarkt? Ich staune noch mehr.

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      Wir finden ein idyllisches Plätzchen an besagtem See, dem Lake Inder. Bisher haben wir uns Richtung Süden bewegt, grob am Fluss Ural entlang. Die russische Grenze liegt jetzt 350 Kilometer weiter nördlich. Paul gibt mir noch Welpenschutz, da ich die Camping-Anfängerin von uns beiden bin. Er baut allein unser Schlaflager auf. Dafür turnt er geschickt auf das Autodach, löst mehrere Verschlüsse an dem zusammengefalteten Dachzelt und klappt dieses mit einer lässigen 180-Grad-Bewegung nach unten auf. Er zaubert eine Leiter hervor und im Anschluss daran einen Klapptisch und zwei bequeme Campingstühle. Im Nu stehen allerlei Gerätschaften, Geschirr und unsere Vorräte auf dem Tisch.

      Neben uns ziehen Schaf- und Rinderherden vorbei. Ein Hirte auf einem Pferd begutachtet unser Lager. Es scheint, als ob er nicht so recht weiß, was er von der Sache halten soll. Mit dem Hirten, mir und dem Pferd verfolgen nun also drei Augenpaare Pauls Aufbauarbeiten mit einer gewissen Skepsis. Wahrscheinlich aus unterschiedlichen Gründen. Der Reiter bittet uns um einen Schluck Wasser (was eher wie ein Vorwand klingt, aber er bekommt ihn natürlich) und wendet sich wieder seiner Herde zu.

      Die Sonne ist inzwischen untergegangen und ich friere mir auf gut Deutsch den Arsch ab. Aber erstmal stört mich das nicht weiter. Wir kochen uns Nudeln mit Soße und brutzeln in einem Pfännchen ein paar Zwiebeln an. Ich finde dabei begeistert heraus, was wir alles so bei uns haben. Zum Beispiel einen mit Holz befeuerter Campingkocher, der nebenbei Energie zum Laden von kleinen Geräten mit USB-Anschluss erzeugt. Auch die Camping-Anfängerin in mir erkennt, dass unsere Ausstattung von der gehobenen Sorte ist. Nach unserem üppigen Abendessen spülen wir ab und verstauen unser Geschirr. Dann krieche ich zum ersten Mal in unser geräumiges Dachzelt. In meinem brandneuen Schlafsack rolle ich mich so klein wie möglich zusammen. Die Nacht ist grauenvoll kalt. Wo ist eigentlich der nächste internationale Flughafen? Ich finde kaum Schlaf und überlege ernsthaft, wie ich die kommenden Wochen durchstehen soll.

      Am Morgen werde ich versöhnt – wir frühstücken in der Sonne und ich genieße die Ruhe und die klare Luft. Die Rinder schaukeln friedlich an uns vorbei. Das Wasser des Sees glitzert im hellen Licht.

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      Auf der Suche nach einem Kalksteingebirge, das unser Reiseführer anpreist, tasten wir uns über schlechte Straßen vorwärts. Wir können den gesuchten Ort jedoch nicht finden. Die Kombination aus unserer Orientierungslosigkeit und immer tieferen Schlaglöchern zwingt uns schließlich zum Umdrehen. Von der Gegend um Atyrau unweit des Kaspischen Meeres schaffen wir es bis Makat. Dort angekommen, suchen wir ein Quartier. Wir finden auf Nachfrage bei Einheimischen am Straßenrand ein Hotel. Dieses hatten wir zwar zuvor schon entdeckt, aber als leer stehendes, zerfallenes Gebäude abgetan. Das Zimmer ist fragwürdig. Die Betten sind mit hässlicher Blumenbettwäsche bezogen, die noch aus der Zeit vor der Unabhängigkeit Kasachstans im Jahr 1991 zu stammen scheint. Ich blende innerlich aufkeimende Fragen zur Sauberkeit erfolgreich aus.

      Hungrig fahren wir zu einem Gebäude, das ich mit meinem selbst angeeigneten, winzigen bisschen Kyrillisch als Restaurant identifiziert habe. In Kasachstan gibt es übrigens mehr Buchstaben im Alphabet als in Russland, aber so tief steige ich dann doch nicht ein. pecTopaH = Restaurant. Reicht!

      Ohne auszusteigen beobachten wir eine Weile die Eingangstür. Nacheinander halten Autos davor und schick angezogene Damen steigen aus. Paul hält den Ort für ein Bordell. Mein Gefühl sagt mir aber, dass ich Recht habe. Ich glaube, dies ist ein Restaurant und wir bekommen hier etwas zu essen. Nur Mut. Wir tragen einem schick gekleideten Herrn an der Tür unser Anliegen vor und man schickt uns hinein. Es ist kein Bordell, sondern eine Veranstaltungshalle mit zugehörigem Restaurant. Bevor wir realisiert haben, dass wir gerade in eine private Feier geplatzt sind, haben wir schon den ersten Wodka in der Hand.

      An den großen Tisch werden schnell noch zwei weitere Stühle herangeschoben. Wir unterhalten uns gestikulierend und wenn das nicht funktioniert, mit Hilfe des Google-Übersetzers auf unseren Handys. Rund 15 Arbeitskollegen sind hier zu Ehren eines älteren Herrn zusammengekommen, der in Pension geht. Die Gäste sind vergnügt und ausgelassen. Sie lachen und feiern mit uns, als würden sie uns seit Jahren kennen. Auch Essen und Trinken wird ohne zu zögern mit uns geteilt. Unter dutzenden Tellern mit Wurst, Frikadellen, Käse, Gemüsestiften, Brot und würzigen Soßen, ebenso vielen Gläsern und Flaschen voll Wasser, Wein, Cola und Wodka ist das Tischtuch nur noch zu erahnen. Man erklärt uns, dass der Jubilar deutsche Vorfahren hatte und dass man unser zufälliges Auftauchen für eine glückliche Fügung hält. Nach der dritten Runde Wodka drückt Paul mir den Autoschlüssel in die Hand: „Du fährst.“ Beim Abschied schießen wir ein paar Fotos mit unseren neuen Freunden und wir werden mit Tüten voll Wurst, Fladenbrot und anderen Leckereien beladen. Was unseren Heimweg mit fortgeschrittenem Promillepegel erschwert: Es gießt in Strömen. Im Schneckentempo lenke ich unseren „Dicken“ die 800 Meter zum Hotel. Wir fallen satt und betrunken in unsere verschlissene Blümchenbettwäsche.

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      Als Frau falle ich grundsätzlich durch zwei Sachen auf. Erstens: Ich rauche. Zweitens: Ich fahre Auto. Es scheint, als ob ich mich in den ländlichen Gegenden Kasachstans dadurch von der Durchschnittsfrau unterscheide. Zumindest starren die Herren der Schöpfung mich in diesen Situationen auffallend ungläubig an. An diesem Morgen habe ich jedoch weder Lust auf das eine noch auf das andere. Wir starten leicht verkatert auf die Straße von Makat Richtung Aqtöbe. An dieser Stelle sollte es „Straße“ heißen. Dem Erfinder der Anführungszeichen sei hier gedankt. Offiziell heißt sie A27, auf unserer Karte ist sie mit einem breiten, vielversprechenden Strich dargestellt – und ist schlussendlich eine einzige Ansammlung von Schlaglöchern, Pfützen und Matsch. Dazwischen schimmert an einigen wenigen Stellen Asphalt durch – also das, was mal Straße war oder vielleicht mal werden sollte. Unsere erste Etappe von 300 Kilometern kostet uns praktisch den ganzen Tag. Im Stillen hoffe ich, dass der Landy die Rumpelpartie heil übersteht.

      Im Dunkeln erreichen wir einen kleinen Ort mit dem wunderschönen Namen Shubarkuduk. An einer Tankstelle fragen wir nach einer möglichen Schlafgelegenheit. Ein hochgewachsener Kasache Mitte 30 ist hochmotiviert, uns zu helfen. Er gibt uns zu verstehen, ihm in seinem Wagen zu folgen. Unser Ziel ist ein Gebäudekomplex, den man als Unwissender unmöglich als Unterkunft hätte erkennen können. Bei zwei schüchternen jungen Damen klärt unser Helfer für uns den Übernachtungspreis und organisiert sogar noch ein Abendessen. Doch vorab noch eine wichtige Frage – die Betreiber der Unterkunft seien Moslems, ob wir verheiratet wären? Wir sagen ja. Wir beziehen unsere Absteige mit furchtbar dünnen Matratzen, ohne Dusche und noch hässlicherer Bettwäsche. Mit aufgedruckten Wölfen und Giraffen. Wir werfen uns weg vor Lachen. Auf uns warten zwei Portionen dampfender Reis mit Gemüse und unser Helfer leistet uns Gesellschaft, bis wir aufgegessen haben.

      Am Morgen wagen wir uns wieder auf die Straße und erreichen nach etwa drei Stunden Aqtöbe, eine Stadt mit fast 400.000 Einwohnern. Im Vergleich zu dem, was wir in den letzten drei Tagen gesehen haben, eine Metropole.

      Wir verbringen zwei Nächte im Dastan, einem schicken, internationalen Businesshotel. Zuerst lassen wir im Ort unser Auto waschen. Dank der schlammigen Tour der letzten zwei Tage ist vom weißen Lack des Wagens nicht mehr viel zu sehen. Für umgerechnet drei Euro wird der Wagen per Handwäsche von oben bis unten gewienert. In einem riesigen Supermarkt machen wir im Anschluss einen Großeinkauf und füllen unsere Vorräte auf. Ich kaufe zwei Kissen und eine warme Wolldecke, um in Zukunft die Nächte im Zelt besser zu überstehen. An einem Paar grüner Gummistiefel bestückt mit Absätzen kann ich nicht vorbeigehen. Sie schmücken auch heute noch meinen Schuhschrank.

      Wir

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