Lucy Gray. William Wordsworth

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Lucy Gray - William Wordsworth

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1800)

      DIE FIKTIVE REKONSTRUKTION

      Eine kleine Farm in Yorkshire

      Es windet stark ... und die Tür des Schuppens springt nun auf und wird vom Wind hin und her geschlagen.

      Im Schuppen

      Das Pferd wird unruhig.

      Farm aussen

      Ein Mann (William Gray) kommt aus dem Haus ... und eilt hinüber zum Schuppen. Seine Frau (Dorothy Gray) kommt nun ebenfalls aus dem Haus. Sie hat einen Korb am Arm und rennt zum Schuppen hinüber.

      Im Schuppen

      William versucht, das Pferd zu beruhigen, als Dorothy die Schuppentür öffnet und hereinkommt. William sieht seine Frau an, während er noch das Pferd hält. Dorothy kommt langsam zu William.

      Im Haus

      Lucy, die ca. 6-jährige Tochter, sitzt im großen Wohnraum am Tisch und zeichnet. Dann schaut sie von ihrem Platz aus kurz in Richtung Korridor, zeichnet dann wieder weiter und beginnt nun leise eine Melodie zu summen. Und dann beginnt es draußen zu regnen, und zwar innerhalb kürzester Zeit wie aus Eimern. Der Regen prasselt auf das Strohdach. Lucy springt vom Stuhl auf und rennt zum Fenster.

      Haus außen

      Hinter der Fensterscheibe sehen wir Lucys Gesicht. Staunend beobachtet sie, wie die Tropfen an der Fensterscheibe hinunter rollen.

      Die Farm ist im dichten Regen in der Landschaft kaum zu erkennen.

      Lucy schaut noch immer in den Regen ... geht dann aber vom Fenster weg.

      Haus innen

      Lucy geht durch den dunklen Korridor zur Haustür ... öffnet diese einen Spalt weit ... und schaut hinüber zum Schuppen. Dann schließt sie die Tür wieder und geht zurück in den Wohnraum ... und setzt sich wieder an den Tisch.

      Auf dem Hof

      William und Dorothy kommen aus dem Schuppen und rennen über den Hof ins Haus. Sie lachen.

      Haus innen

      Allein von diesem kurzen Stück Weg kommen beide tropfnass herein. Sie lachen noch immer. Sie gehen durch den Korridor in den Wohnraum. Lucy sitzt noch immer am Tisch und schaut die beiden jetzt an.

      Lucy (zur Mutter)

      Hast du keine Eier mitgebracht?

      Dorothy sieht zunächst ihren Mann an ... und dann Lucy ...

      Dorothy

      Die hab ich vergessen ... dann muss ich wohl oder übel nochmal raus.

      William (zu Dorothy)

      Lass nur ... ich hole sie.

      Farm aussen

      William rennt wieder zum Schuppen hinüber ...

      Thirsk

      Auch in der Stadt regnet es noch immer in Strömen ... und wir erkennen ganz undeutlich eine Straße und die Häuser.

      Ein Mann verlässt ein Haus und läuft schnell die Straße hinunter, die vom Regen total überflutet wird.

      Er geht nun um eine Hausecke ... und biegt in eine andere Straße ein. Er ver­sucht, sich so gut wie möglich mit seinem Mantel vor dem Unwetter zu schützen ... und an seiner Körperhaltung können wir erkennen, dass er unter dem Mantel etwas mit sich trägt ...

      Er geht dann in ein Haus.

      Haus innen

      Unser Mann, er muss ein Bote sein, geht durch einen düsteren Korridor ... und muss dann eine Treppe hinab, die nur schwach von Kerzen beleuchtet wird ... und kommt dann in einen Raum, in dessen Mitte ein einfacher Holztisch steht, an dem im Schein einer beinahe heruntergebrannten Kerze ein etwa 40-jähriger Mann (es ist der Gefängniswärter) mit strähnigem Haar hockt und eine Suppe schlürft.

      Gefängniswärter

      Verdammt nochmal! ... kann man nicht einmal in Ruhe essen?! Hat hier einfach jedermann das Recht, mich zu stören, wann es ihm passt?!

      Bote

      Tom, entschuldige, aber ich bringe dir die Liste. Der Transport findet bereits morgen früh statt. Um 6 Uhr.

      Gefängniswärter

      Zeige mal.

      Er liest die Namen auf der Liste.

      Gefängniswärter

      Endlich, endlich werde ich dieses Gesindel los, alle zusammen. Es ist schrecklich, denn der eine jammert, der andere weint, der Dritte kotzt andauernd und beim Vierten weiß man nie, ob er noch lebt – ein Denker und natür­lich auch Dichter, sieht aber aus wie ein Reve­rend. Dabei behaupte ich, dass der Mann höchst gefährlich ist, denn mann weiß nie, was er denkt ... ich glaube, der Kerl ist im Grunde zu allem fähig. – Komm mit, du darfst dabei sein, wenn ich nun die frohe Botschaft ver­künde.

      Er lässt seine Suppe stehen und nimmt den Boten am Arm ... und geht mit ihm durch einen weiteren Korridor, der in den Zellentrakt führt. Hier sehen wir zehn Türen, fünf an jeder Seite.

      Gefängniswärter

      Könnt ihr mich alle hören?! –

      Keine Antwort ... eine beängstigende Stille herrscht.

      Gefängniswärter

      Wenn ich eine Frage stelle, dann erwarte ich eine Antwort!

      Aus drei Zellen tönt es:

      Ja. – Ja. – Ja.

      Dann geht der Gefängniswärter an das kleine vergitterte Fenster einer Tür auf der rechten Seite ... und schaut hinein.

      Gefängniswärter

      Habe ich mich getäuscht oder habe ich eure Stimme etwa nicht gehört?!

      Ein ausgemergelter etwa 50 Jahre alter Mann mit Brille hockt in einer Ecke.

      Gefängniswärter

      Mr Colley, darf ich euch bitten, mir mitzu­teilen, ob ihr meine vorherige Frage gehört habt?

      Mr Colley

      Ja, – hab ich, – Sir.

      Gefängniswärter

      Warum braucht Ihr bloß andauernd eine Sonder­einladung? Aber Ihr seid es ja anscheinend gewohnt, dass man Euch die Hände unter die Füße legen muss. Als Mann, der mit Feder und Papier umzugehen weiß, seid Ihr sicher in vornehmen Häusern ein- und ausgegangen, mit schriftlichen Einladungen natürlich. – Leider muss ich Euch nun eine Einladung mündlich überbringen (dies hatte er leise gesagt ... und nun an die anderen laut) und auch an die anderen Herrschaften

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