Internationaler Buchmarkt. Corinna Norrick-Rühl
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Organigramm der Governance-Struktur der IPA
Why is the Chinese Publishers Association allowed to be part of the IPA? How is this defensible?
Angela Gui, Tochter von Gui Minhai6
Auf das Konfliktpotential bei der Zusammenarbeit mit Akteuren auf dem chinesischen Buchmarkt wiesen 2009 auch schon die schwierigen Diskussionen rund um den Gastlandauftritt Chinas auf der Frankfurter Buchmesse hin. Wie in Kapitel 2 noch zu sehen sein wird, ist China einer der größten und aktivsten Buchmärkte weltweit. Zudem sind chinesische Verlage aktuell die mit Abstand stärksten Lizenzabnehmer aus dem deutschen Raum – besonders im Bereich Kinder- und Jugendbuch werden jährlich hunderte Lizenzverträge mit chinesischen Abnehmern geschlossen. Dadurch ist es schwer, als Branchenteilnehmer an einer Zusammenarbeit mit chinesischen Verlagen und Organisationen vorbeizukommen. Es gibt aber de facto eine Zensur in China: Autoren und Verleger, die nicht politisch auf einer Linie mit der Regierung sind, werden bedroht und inhaftiert. Dieses Beispiel verdeutlicht eine Herausforderung im internationalen Buchmarkt: eine Zusammenarbeit findet trotz unterschiedlicher gesellschaftlicher, politischer und rechtlicher Rahmenbedingungen statt. So unterscheiden sich historisch wie politisch bedingt die Auffassungen von Zensur, Publikations- und Pressefreiheit bisweilen sehr.
Neben der IPA sind weitere Verbände und Organisationen global engagiert für die Akteure in der Buchbranche. Die Tatsache, dass im Börsenverein des deutschen Buchhandels sowohl Verleger als auch Buchhändler organisiert sind, ist im internationalen Vergleich als eher ungewöhnlich zu bezeichnen. Allerdings wird diese Doppelrolle im deutschsprachigen Raum gleichermaßen vom Hauptverband des Österreichischen Buchhandels (HVB) und vom Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband (SBVV) erfüllt. Alle drei müssen bzw. können Konflikte zwischen Buchhändlern und Verlegern intern verhandeln. Das stärkt die Verhandlungsposition nach außen, da mehr Marktmacht und mehr individuelle Mitglieder in der Organisation zusammenfinden. Meistens jedoch gibt es global gesehen getrennte Buchhändler- und Verlegervereinigungen, etwa in Großbritannien mit der Publishers Association (PA) und der Booksellers Association of the UK and Ireland. Daher besteht auch ein europäischer Dachverband für Buchhändlerorganisationen, die in Brüssel ansässige European and International Booksellers Federation (EIBF). Auch hier ist für Deutschland der Börsenverein des deutschen Buchhandels Mitglied. Außerdem gibt es für den Antiquariatsbuchhandel die Gesellschaft International League of Antiquarian Booksellers (ILAB); hier ist für Deutschland der Verband Deutscher Antiquare e.V. (VDA) Mitglied.
DIE WICHTIGSTEN BRANCHENORGANISATIONEN IM INTERNATIONALEN BUCHMARKT (STAND: OKTOBER 2019)* | ||||
Internationaler Verband zum Schutz von Geistigem Eigentum | World Intellectual Property Organization | Agentur der Vereinten Nationen | Aktuell 192 Mitgliedsstaaten | www.wipo.int |
Internationale Verlegerverbände | International Publishers Association (IPA) | Dachverband international | Aktuell 81 Organisationen aus 69 Ländern | https://www.internationalpublishers.org/ |
Federation of European Publishers (FEP) | Dachverband für Europa | Aktuell 28 nationale Verlegerverbände | https://www.fepfee.eu/ | |
International Alliance of Independent Publishers | Aktuell 750 Verlage | https://www.alliance-editeurs.org | ||
Internationale Buchhändlerverbände | European and International Booksellers Federation (eibf) | Dachverband international (früher nur Europa) | Aktuell 27 nationale Buchhändlerverbände in Europa und 7 außerhalb von Europa | http://www.europeanbooksellers.eu/ |
Independent Online Booksellers Association (IOBA) | Dachverband international (Schwerpunkt: USA) | www.ioba.org/ | ||
International League of Antiquarian Booksellers (ILAB) | Dachverband international | Aktuell 22 Verbände antiquarischer Buchhändler in 37 Ländern | https://ilab.org/ |
*Die wichtigsten Branchenorganisationen im anglophonen Buchmarkt werden auf S. 61 vorgestellt
Neben den klassischen Branchenorganisationen gibt es viele andere international tätige Verbände und Gesellschaften, die die Buchhandelsakteure und -strukturen auf nationaler Ebene sozusagen spiegeln beziehungsweise einen Dachverband bilden.
Seit nahezu einhundert Jahren geben unsere Mitglieder auf der ganzen Welt denjenigen eine Stimme, die zum Schweigen gebracht wurden.
Jennifer Clement, Präsidentin des PEN International7
PEN wurde 1921 in London gegründet. ›PEN‹ heißt auf Englisch Stift oder Kugelschreiber – wurde aber gleichzeitig als Akronym für Poets, Essayists, Novelists (Dichter, Essayisten, Romanautoren) konzipiert. PEN war die erste internationale Vereinigung von Schriftstellern; heute gehören 140 nationale PEN-Zentren zu der internationalen Vereinigung. Diese ist insofern exklusiver als ein regulärer Berufsverband, weil Neumitglieder nur durch einen schriftlichen Antrag zweier bestehender Mitglieder (Bürgen) und durch Bestätigung der jährlich ausgerichteten Vollversammlung aufgenommen werden können. Damit soll gewährleistet werden, dass wirklich nur Menschen mit solider schriftstellerischer Qualifikation in die Reihen von PEN eintreten können.
Das zentrale Dokument von PEN International und allen PEN-Zentren ist die PEN-Charta, die zwischen 1926 und 1948 erstellt, überarbeitet und 1948 in Kopenhagen ratifiziert wurde. Die wichtigste Leitidee darin lautet, dass Literatur keine Ländergrenzen kennt und »auch in Zeiten innenpolitischer oder internationaler Erschütterungen eine allen Menschen gemeinsame Währung bleiben [muss]. Unter allen Umständen, und insbesondere auch im Krieg, sollen Werke der Kunst, der Erbbesitz der gesamten Menschheit, von nationalen und politischen Leidenschaften unangetastet bleiben.«
Im PEN International sind namhafte Autoren über ihren Landesverband vertreten; das European Writers’ Council (EWC, vor 2010 European Writers’ Congress; für Deutschland: der Verband deutscher Schriftsteller, VS, der Gewerkschaft ver.di) vertritt Menschen, die mit Schreiben ihren Unterhalt (zumindest teilweise) bestreiten. Auf europäischer wie auf weltweiter Ebene gibt es zahlreiche andere Verbände und Organisationen, die Akteure oder Institutionen im internationalen Buchmarkt repräsentieren. So vereint etwa das European Literacy Policy Network (ELINET) die Leseförderungsinstitutionen (für Deutschland: Stiftung Lesen) und das International Board on Books for Young People (IBBY; für Deutschland: Arbeitskreis für Jugendliteratur e.V.) die Kinder- und Jugendbuchinstitutionen. Als weiteres Beispiel: Für den Bereich des wissenschaftlichen Publizierens ist STM. The Global Voice of Scholarly Publishing der einschlägige Fachverband (für Deutschland als korrespondierendes Mitglied: Börsenverein des deutschen Buchhandels), zudem vertritt die international tätige Association of University Presses (AUP) über 140 Mitglieder weltweit, allerdings keine deutschen Mitglieder, da