Den Oridongo hinauf. Ingvar Ambjørnsen

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Den Oridongo hinauf - Ingvar Ambjørnsen

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Sara Selmers siebter Einsatz als serbische Sachensucherin –, aber jetzt ist es nun einmal so, dass Gott der Herr dafür gesorgt hat, dass sie mich hat und ich sie. Das ist groß, und deshalb gibt es nicht sehr viel darüber zu sagen. Alles liegt ein wenig jenseits der Worte.

      So zu sitzen. Mit Lutschtabak und Kaffee. In einem Zimmer mit einer Frau. Zum Gott weiß wievielten Mal geht mir auf, wie gemütlich dieses Wohnzimmer ist, vor allem um diese Tageszeit, und nachts, ja, die ganze Zeit, bis im Osten das erste Tageslicht zu sehen ist. In all diesen Stunden, vom Nachmittag bis zum Morgengrauen, ist dieses Zimmer das Herz des Hauses. Ja, so denke ich. Dass das Wohnzimmer das Herz des Hauses ist. Tagsüber sitze ich in der Küche, vom Frühstück an und in jedem müßigen Augenblick. Sitze da mit Ziegenkäse und Kaffee oder nur mit Kaffee, sitze da zusammen mit ihr oder allein, trinke Kaffee und schaue hinaus auf die Straße, so wie Tausende andere Menschen in diesem langgestreckten Land ebenfalls am Küchentisch sitzen und auf die Straße hinausschauen, den Nachbarn vorüberradeln sehen, mit dem Auto vorbeifahren, vorbeigehen, so wie sie vertraute Autos und fremde Autos bei jeder Art Wetter sehen, sommers wie winters fahren die vorbei, von links nach rechts, oder von rechts nach links, und wenn man einen anderen Menschen hat, kann man darüber reden, über die Bewegungen, die sich draußen vor dem Küchenfenster abspielen, während der, der allein ist, alles in sich versinken lassen muss, ich kenne mich aus mit diesen beiden unterschiedlichen Zuständen. Und nach dem Essen kommen die warme Dunkelheit des Wohnzimmers und das Meer, das sich in die Unendlichkeit erstreckt, das Rauschen des Strandes und die Schreie der Seevögel, und hier sitze ich und lasse alles auf mich einwirken, nicht die Schreie der Seevögel, die schweigen jetzt in der Dunkelheit, aber die Wellen, die gegen das Ufer schlagen, und das Knistern im alten Holzofen, nachdem Miles für diesmal Feierabend gemacht hat. Ja. Das Herz des Hauses. Das Bücherregal. Eine ganze Wand, bedeckt von Buchrücken. Abgegriffene Bücher und neuere Bücher. Die Seekiste unter dem Fenster, mit den Tischdecken, die Berit in den langen Wintermonaten bestickt hat, Jahr um Jahr. Der Diwan hinten beim Ofen, und das Holz, das ich selbst ins Haus getragen habe. Wenn ich auf dem Diwan liege, ich hätte fast gesagt: Wenn der Kater mir gestattet, mich auf den Diwan zu legen, dann riecht es nach warmem Holz und ein wenig schimmelig von dem dicken Wandbehang. Es ist ein gewebter Wandbehang, ein Bild, das einen röhrenden Hirsch zeigt, dazu zwei kleine Hirschdamen, die ihn unter einer alten Eiche fragend mustern. Gemälde. Bäume. Blumen. Fjord und Inseln. Der Leuchtturm von Skarven. Sie hat sie selbst gemalt. Sie ist sehr begabt, aber nicht als Malerin, und diese Unbeholfenheit in Öl auf Leinwand gibt mir ein Gefühl, das an Mitleid erinnert, das aber etwas ganz anderes ist, ich weiß nicht so recht, was.

      Der Kater steht in der Küchentür und betrachtet mich. Große aufgerissene Augen, als habe er einen soeben gelandeten Außerirdischen entdeckt, er steht da in der Türöffnung und ist in der Welt zugegen, wie erstarrt für einige Sekunden, ehe er zum Schaukelstuhl hinüberstolziert, um dann einen Sprung auf Berits Schoß zu machen, zu ihr, die seine Auserwählte ist, seine Bevorzugte auf Erden, und darin liegt ein tiefes Verständnis zwischen dem Kater und mir.

      Das Mobiltelefon in der Seitentasche meiner Arbeitshose piept. Ein schwaches Vibrieren an meinem Oberschenkel.

      Es ist Reinert von Neset. Jetzt will er das Holz bringen.

      Ich gehe in den Gang hinaus und ziehe Magnes schwere Arbeitsstiefel und Magnes Jacke mit den Farb- und Harzflecken an.

      Dann gehe ich hinaus.

      Es weht. Hier oben weht es fast immer. Starker Wind kommt vom Meer herein, gewürzt mit winzigkleinen Eiskristallen, die sich an den Nähten der Jacke ablagern, die weiße Linien auf den groben Stoff zeichnen. Die Lampe auf dem Hof legt einen gelben Halbkreis in den Kies. Ich gehe über den Hofplatz zur Scheune und öffne die Doppeltür, ich weiß nicht, warum, es ist doch zu früh, aber ich sichere beide Türen mit den dicken Eisenbolzen. Und die Bolzen wiederum sind im Boden verankert.

      Unten am Strand bleibe ich stehen und stoße mit dem Fuß den dicken Stamm an. Der lässt sich ein wenig bewegen. Ich denke, dass wir zwei noch gute Freunde werden, in den Stunden, die wir brauchen, um dich mit Säge und Axt zu zerteilen, dich Stück für Stück ins Haus zu bringen, zum Trocknen beim Ofen, ehe der Ofen dich bekommt und Berit und ich die Wärme.

      Dann gehe ich in die Hocke und halte die Hand in das eiskalte Wasser.

      Berühre die glatten Steine.

      Wie ich das sonst nur mache, wenn die alte Unruhe mich erreicht.

      Das geschieht nicht oft.

      Jetzt bin ich ganz ruhig. Deshalb zähle ich nicht bis tausend, sondern denke stattdessen an Walhai und Rochen, an Tigerhai und Seelachs, die da unten in der großen nassen Welt umherschweben, in die ich jetzt meine Hand geschoben habe, in dem hohen Himmel aus Salzwasser, der sich über den Tiefen wölbt, kalt und dunkel und gewaltig. Es ist überwältigend. Eine einzige große schwimmende Gebärmutter, und ich wohne so nah dabei, dass die Stürme große Schaumsoden von der Oberfläche reißen und sie mit einem weichen Klatschen, das ich aus irgendeinem Grund mit Sex assoziiere, gegen die Wohnzimmerfenster werfen. Der grelle Leuchtturm draußen auf Skarven brennt jetzt und alle paar Sekunden fegt der Lichtkegel über Meer und Schären und Inseln hier drinnen in unserem Teil der Bucht, jetzt durch das immer dichter werdende Schneegestöber. Ich ziehe die Hand aus dem Meer und will mir durch die Haare fahren, ich nehme die Mütze ab, um mir durch die Haare zu fahren, aber im selben Moment merke ich, dass die nicht mehr da sind: Es ist vier Jahre her, aber ich habe mich noch immer nicht daran gewöhnt, dass ich auf dem Weg den Oridongo hinauf die Haare verloren habe. Das macht nichts. Als ich in die alte Welt zurückkehrte, stellte ich fest, dass ein kahler Schädel bei Männern jetzt modern war. Berit sagt, ich hätte schöne Ohren. Sie ähnelten Muscheln.

      Ich gehe zurück zur Scheune. Ich hätte die Doppeltür natürlich nicht öffnen dürfen. Der Schnee legt sich auf den Boden. Andererseits habe ich keine Lust, die Tür zu schließen, wo ich sie nun schon sperrangelweit aufgerissen habe. Ich will Reinert von Neset klarmachen, dass ich die Dinge auf meine eigene Weise erledige. Und jetzt stelle ich mir vor, dass er die Ladung direkt in die Scheune kippen soll. Aber warum habe ich nicht warten können, bis er hier ist? Weil ich nicht die Zeit eines anderen vergeuden will. Ich will, dass alles bereit ist, wenn er kommt. Außerdem ist es ja so, dass der Schnee den grauen Staub auf den breiten Bodenbrettern bindet, stimmt das nicht? Doch. Wenn ich mit dem Besen darüberfahre, wird der Schnee grau gefärbt, fast schwarz, und dann brauche ich den Dreck ja nur noch auf den Hof hinauszukehren; was ich hier mache, ist wirklich fast schon genial. Nicht so dumm, der alte Vågsvikinger, denke ich. Er hat seine Eigenheiten, das schon. Wer hat die nicht? Er beharrt auf seiner Meinung und gibt sich nur selten geschlagen. Das ist hier draußen am offenen Meer nicht direkt ein Nachteil. Im Gegenteil. Es ist sogar eine Annäherung an die Gemeinschaft, die verstanden und respektiert wird. Offener Trotz ist ein Teil des Inselkodex. Ich glaube fast, das sagen zu dürfen.

      Ich höre Reinert, ehe ich ihn sehe. Das heißt, ich höre seinen Traktor hinter dem Haus. Dann sehe ich die blauen Lichtkegel der Scheinwerfer über dem Briefkasten, ehe der Traktor plötzlich aus der Dunkelheit auftaucht und auf dem Hofplatz rangiert, hin und her, oder auf und ab, wie Reinert selbst sagen würde, wenn er Lust hätte, sich zu dieser Frage zu äußern, aber vorläufig begnügt er sich damit, zum Gruß mit einem Finger an seine Pelzmütze zu tippen, was ich damit beantworte, dass ich braun ins Scheinwerferlicht spucke, ehe ich ihn mit beiden Händen zu mir winke, als er mit seiner Ladung zur Scheune zurücksetzt. Näher. Näher. Er dreht das Kinn über die rechte Schulter und starrt mich misstrauisch an, während er vorsichtig auf das Gaspedal tritt. Noch näher? Ja. Noch näher. Bis fast ganz zu mir. So machen wir das da, wo ich herkomme. Am Ende will er nicht mehr und leert die Ladung Birkenholz so heftig ab, dass die Scheite mitten in die Scheune krachen. Dann dreht er den Motor aus und dreht sich eine Zigarette.

      Jetzt ist es wichtig, nicht »danke« zu sagen und keinerlei Form von Enthusiasmus zu zeigen. Er kann in solchen Situationen ungeheuer reizbar sein.

      Ich

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