... denn alles ist Vorherbestimmt. Elisabeth Schmitz

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... denn alles ist Vorherbestimmt - Elisabeth Schmitz

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      Tina nahm den kleinen Mann in ihre Arme und fing nun bitterlich zu weinen an.

      »Weißt du, ich hatte eine ganz, ganz liebe Freundin. Sie hieß Marie. Sie ist bei demselben Unfall gestorben wie deine Mama. Ich bin so fürchterlich traurig, dass sie nicht mehr bei mir ist. Ich brauche sie so sehr. Wenn sie nicht gestorben wäre, dann könnte sie mir nun helfen. Ich weiß ganz genau, wie sehr du deine Mama und deinen Bruder vermisst. Es tut richtig weh in dir drin.«

      Nun fing auch Nils zu weinen an. Er klammerte sich an Tina und sagte, dass seine Mama ihm immer Geschichten vorgelesen hätte.

      »Sie hat gesagt, dass sie immer für mich da wäre, aber sie hat mich angelogen. Ich vermisse Mama ganz schlimm, Tina.«

      »Doch«, sagte Tina. »Sie ist auch nun immer noch bei dir. Du kannst sie nur nicht sehen, aber sie ist immer noch da für dich. Das spüre ich ganz genau.«

      Sie hielten sich fest und weinten. Sie hatten dasselbe Leid zu tragen, und sie merkten, dass es verbindet. Wie lange sie so umklammert dagesessen hatten, wusste Tina nicht. Aber als das Schluchzen von Nils weniger wurde, holte sie einen Waschlappen und wischte ihm übers Gesicht und sich selber auch. »Heute Abend komme ich noch mal zu dir und singe dir ein Lied vor und dann öffnen wir das Fenster und winken in den Himmel. Ich hoffe, dass wir dort heute die Sterne sehen können. Wollen wir das tun?« Nils nickte und lächelte schon wieder.

      Ein Pfleger kam und wollte Nils auf das Bett heben, aber er protestierte.

      »Ich muss gleich noch in das Spielzimmer und den anderen unbedingt mein neues Auto zeigen. Schau mal, cool, oder?«

      Er fuhr mit dem Spielzeug auf seiner Jogginghose herum.

      »Das ist echt cool. Wenn was ist, dann sagst du Bescheid, ja? Und du verlässt heute nicht mehr die Station. Auch klar? Und mach mal ein anderes Gesicht. Lachen ist das Zauberwort. Bei so einem Auto! Komm, gib mir fünf.«

      Er hielt Nils seine Hand hin und dieser schlug ein. Als der Pfleger gegangen war, nahm Nils das Foto seiner Mutter und legte es vorsichtig wieder in die Lade.

      »Tschüss Mama«, sagte er.

      »Ich komme gleich wieder und dann schauen wir zusammen unsere Serie, und heute Abend winken wir dir zu.«

      Er schob die Lade zu und meinte zu Tina: »Willst du mit ins Spielzimmer? Da ist es ganz toll.«

      »Nee, da geh mal alleine hin, und lass dir nicht das Auto wegnehmen. Um sechs Uhr komme ich wieder. Wenn der große Zeiger oben ist und der kleine unten. Schau da hin.«

      Tina zeigte auf die Elefanten-Uhr. Als Nils den Kopf wandte, um zur Uhr zu sehen, gab Tina ihm einen Schmatz auf die Wange, den er aber sofort wieder abwischte.

      »Küssen ist voll doof«, meinte er.

      »Bis nachher, Nils.«

      »Bis nachher Tina.« Nun wieder lächelnd verließ sie die Kinderstation und ging in ihr Zimmer.

      Ihr Nachmittagskaffee stand da und war schon kalt. Aber es gab eine Kaffeemaschine und sie würde eine Schwester bitten, ob sie ihr wohl einen besorgen könnte, denn Kaffee wäre nun gut und die Schwester meinte, dass sie ihn ihr sofort bringen würde. Das war der Service der Privatstation, dachte Tina. Kurz darauf klopfte es kurz, und die Tür wurde gleich drauf geöffnet.

      »Zimmerservice«, sagte eine Männerstimme. Andy stand in der Tür mit einem Becher Kaffee.

      »Den hab ich gerade der Schwester abgenommen. Ich wollte noch mal eben schauen, ob alles in Ordnung ist.«

      Schon wieder war Dr. Bergheim so seltsam. Sie spürte, dass er witzig sein wollte, aber es gelang ihm nicht. Tina ging immer den direkten Weg und fragte ihn einfach.

      »Sie sind so komisch, Dr. Bergheim. Habe ich Ihnen vielleicht etwas getan? Heute Morgen habe ich es auch schon gemerkt. Sie wollen zwar immer noch witzig und freundlich sein, aber es ist nicht echt.«

      Andy blickte sie intensiv an und sagte zunächst nichts. Dann setzte er sich zu ihr aufs Bett und meinte, dass er ein paar private Probleme hätte.

      »Sie müssen ein ganz empfindsamer Mensch sein«, meinte er.

      »Ich versuche, so normal wie möglich zu sein. Aber manchen Menschen kann man eben nichts vormachen.«

      Tina nickte und meinte: »Wollen Sie darüber reden? Ich rede immer sehr viel, aber ich kann auch gut zuhören. Probieren wir es mal aus?«

      Dr. Bergheim schüttelte den Kopf, aber irgendetwas trieb ihn an, nun doch zu reden.

      »Ich lebe schon seit längerem mit einem Mann zusammen. Als ich gestern nach Hause kam, war da noch einer, und ich traf die beiden in eindeutiger Position an. Ich dachte, ich falle in ein tiefes Loch. Ich bin kurzerhand ausgezogen und wohne nun in der Gästewohnung meines Freundes Peter Weber. Meine Arbeit fordert meine ganze Aufmerksamkeit, aber es ist schwer, bei der Sache zu sein. Immer schweifen meine Gedanken wieder ab.«

      Tina hörte nur: »Mit einem Mann zusammen.«

      Oh nein, es ist doch immer dasselbe! Die tollen Männer sind schwul. Warum hatte sie nur so viel Pech?

      Dann erzählte er ihr alles, und sie hörte nur zu. Als er zu weinen anfing, nahm sie ihn wie den kleinen Nils Kramer in den Arm und streichelte seinen Rücken, und er ließ es willenlos geschehen.

      Dann fing sie an, alles von Markus und sich selber zu erzählen, und am Ende sagte sie ihm, dass es zuerst weh täte, dass es dann wütend machen würde und dass es dann verblassen würde. Immer mehr.

      Ganz automatisch waren die beiden zum »Du« übergegangen. Sie hatten solange geredet, dass darüber der Kaffee kalt geworden war.

      »Ich hol dir einen neuen«, meinte Andy.

      »Ich meine den Kaffee, nicht einen Markus.«

      »So einen will ich auch nie wieder haben«, lachte Tina.

      Andy ging Kaffee holen, und Tina schaute auf die Uhr. Gleich gab es Abendbrot und danach musste sie wieder zu Nils. Und sie musste pünktlich sein.

      Als Andy zurück kam, erzählte Tina ihm von Nils.

      »Sag das bitte noch einmal. Hat Nils wirklich geweint? Seit dem Unfall arbeiten Psychologen mit ihm. Manchmal dachten sie, dass sie nahe dran wären, dass Nils nun seinen Kummer heraus spülen könne, aber er wirkte immer verschlossen, wenn es um seine Mutter ging. Und nun sagst du, dass du nach einer Stunde dieses Wunder erreicht hast? Morgen haben wir Dienstbesprechung, und da werden sich aber manche wundern, wenn ich das erzähle.

      Nils Kramer ist ein Kind, das schon sehr viel in seinem kleinen Leben mitgemacht hat.

      Erst der Vater weg, dann die Mutter weg, der kleine Bruder weg, und die Oma ist auch nicht mehr so fit. Es ist lieb von dir, wenn du dich ein wenig kümmerst. Ich hoffe, wir kriegen ihn wieder vollkommen hin. Ich habe seine Hüfte gut hergestellt, und er wird bald wieder laufen können.

      Aber am Freitag steht eine Hirn-OP an, denn es hat sich bei dem Unfall ein Stückchen Knochen in die Hirnmasse gebohrt. Es dauert nicht mehr lange, und er kann die Schmerzen nicht mehr aushalten. Wir geben schon so viel Morphin, wie

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