Ostfriesische Verhältnisse. Peter Gerdes

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Ostfriesische Verhältnisse - Peter Gerdes

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Der Dicke hob jetzt erst den Blick.

      »Na, der Kleine! Der Oliver! Der, der uns vorhin beschimpft hat.«

      »Und wenn?« Der Dicke zuckte mit den Schultern. »Hat ja nur seinem Vater nachgeplappert wie ein Papagei. Der Typ ist doch hohl. Willst du ihm etwa nach und ihn verkloppen? Also ehrlich, aus dem Alter sind wir doch raus.«

      Sie zuckten zusammen, als sich von hinten ein Motorrad näherte, dessen bollernder Sound von den eng stehenden Häuserfassaden bedrohlich laut reflektiert wurde. »Verdammt, wann wird das hier endlich mal Fußgängerzone!«, knurrte der Dicke, als die Maschine an ihnen vorbeipreschte. Seine Worte wurden vom Lärm aus dem Auspuff verschluckt.

      Als es im nächsten Augenblick laut knallte, glaubten der Dicke und der Rothaarige zunächst an eine Fehlzündung. Der Motorradmotor aber lief fehlerlos, brüllte auf und katapultierte die Maschine sekundenschnell bis ans Ende der Brunnenstraße, wo sie mit kreischenden Reifen um die Kurve verschwand. Der Motorenlärm verklang in der Ferne.

      Zurück blieb ein anderes Geräusch. Das eines vor Schmerzen jammernden Menschen. Der Rothaarige und der Dicke brauchten einen Moment, um es richtig einzuordnen. Entsetzt starrten sie einander an, dann liefen sie los, der Rothaarige voran. »Das ist wirklich Oliver Eickhoff«, rief er. »Verdammt, alles voller Blut! Aber er lebt noch. Schnell, schnell!«

      Der Dicke antwortete nicht. Er hatte sein Handy bereits am Ohr.

      2.

      »Und? Ist er außer Lebensgefahr?« Hauptkommissar Stahnke war mitten in der Bewegung erstarrt, die tropfende Regenjacke am ausgestreckten Arm, zehn Zentimeter vor dem Garderobenhaken. Nach dem, was er da gerade vom Kollegen Kramer erfahren hatte, lohnte es sich gar nicht, die Jacke aufzuhängen, weil sie ja doch gleich wieder los mussten.

      Kramer nickte bedächtig. »Das ist er und das war er, von Anfang an. Die Schusswunde ist nämlich nicht lebensbedrohlich. Mal abgesehen vom Blutverlust, aber es gab ja zum Glück Zeugen, die sofort einen Rettungswagen gerufen haben. Und uns.«

      Und zum Glück nicht mich, dachte Stahnke. Immerhin, ein Mordanschlag, wenn auch ein offenbar missglückter – da hätte man auch gleich das komplette Besteck anfordern können. Gut, dass Kramer Rufbereitschaft gehabt und anders entschieden hatte, warum auch immer. Denn Stahnke hatte gestern Abend mit ein paar Segelkameraden gefeiert. Zwar nicht die deutsche Einheit, sondern Saisonschluss, aber Alkohol hatte es reichlich gegeben.

      Ob es daran lag, dass er sich immer noch nicht entscheiden konnte, wie nun mit der nassgeregneten Jacke zu verfahren war? Irgendwie fehlte ihm noch Input. »Wohin wurde es denn getroffen, das Anschlagsopfer?«, fragte er aufs Geratewohl.

      »In den verlängerten Rücken«, informierte Kramer ihn prompt, ohne eine Miene zu verziehen. »Steckschuss.«

      »In den … Allerwertesten?« Jetzt ließ der Hauptkommissar die Jacke doch auf den Haken sinken. Er benötigte beide Hände, um sie sich in die Seiten zu stemmen. »Wie konnte das denn passieren? Also, ich meine natürlich – war es ein Fehlschuss aus größerer Distanz?«

      »Wohl nicht.« Natürlich war Kramer wieder bestens informiert. »Die Entfernung war eher gering, so sehen es jedenfalls die Zeugen. Allerdings wurde im Vorbeifahren geschossen, und zwar von einem Motorrad aus. Ein Schuss und dann blitzartig ab durch die Mitte.«

      Stahnke pfiff durch die Zähne und ließ sich schwer auf den nächstbesten Stuhl fallen. »Ach nee. So weit sind wir schon? Bei den Amis gibt’s das ja öfter. Nennt sich Drive-by. Wird gerne von rivalisierenden Banden praktiziert, wegen Gebietsabgrenzungen und so.« Er runzelte die Stirn. »Interessieren sich jetzt schon Kuttenträger für die Leeraner Altstadt?«

      »Darauf weist derzeit nichts hin«, antwortete Kramer mit stoischem Ernst. »Zumal das Opfer dieses Drive-by kein einschlägig bekannter Krimineller ist, sondern ein wohlangesehenes, wenn auch noch junges Mitglied der Leeraner Kaufmannschaft.«

      »So. Na dann.« Der Hauptkommissar ersparte sich einen Exkurs über gewisse Parallelen zwischen krimineller und kaufmännischer Energie. Schließlich musste man hier mal vom Fleck kommen, auch wenn Kramer offenbar ausgezeichnete Vorarbeit geleistet hatte. »Name?«

      »Oliver Eickhoff. Sohn von Karl-Friedrich Eickhoff, dem Kaufhaus-Tycoon.«

      »Oha.« Und ob man vom Fleck kommen musste, und zwar schnell! Nicht mehr lange, und die gesamte regionale und überregionale Presse würde ihnen auf den Zehen stehen. Sofern dort noch Platz war vor lauter drängelnder Lokalprominenz. »Hast du ihn schon einvernommen? Beziehungsweise: Ist er schon vernehmungsfähig?«

      »Nein und ja. Ich dachte, das machen wir zusammen.«

      Stahnke nickte beifällig. »Wo liegt er denn, Borromäus oder Kreis?«

      »Kreiskrankenhaus. Beziehungsweise Klinikum, wie es ja seit geraumer Zeit heißt.« Kramer nahm es wie immer genau.

      Stahnke seufzte und erhob sich. Seine Regenjacke war immer noch nass. Wieder erstarrte er mit ausgestrecktem Arm. »Vom fahrenden Motorrad aus niedergeschossen, ja?«

      »Wie schon gesagt.« Kramer verschränkte die Arme.

      »Und die Maschine ist unmittelbar nach dem Schuss mit hoher Fahrt davongebraust, richtig? Darf ich deine Worte so interpretieren?«

      »Darfst du.«

      »Und das Opfer wurde auf welchem Bürgersteig aufgefunden?«

      »In Fahrtrichtung rechts. Wieso?« Jetzt merkte man sogar einem Stoiker wie Oberkommissar Kramer an, dass er neugierig war.

      Stahnke knickte seine immer noch ausgestreckte Hand im Gelenk ab, als würde er an einem Gasgriff drehen. »Weil alle Motorräder, die ich kenne, das Gas rechts haben«, sagte er. »Was dir übrigens auch bekannt sein müsste, schließlich hattest du doch selber auch mal ein Bike. Wenn man den Griff loslässt, dreht er sich automatisch zurück auf Standgas. Bei voller Fahrt ist das nicht angenehm. Das heißt …«, Stahnke deutet den Griff in die Innentasche einer Jacke an, die er gar nicht trug, »der Täter müsste kurz vor Erreichen seines Opfers den Gasgriff losgelassen, seine Waffe gezogen, gezielt und den Schuss abgegeben sowie anschließend die Pistole wieder eingesteckt haben. Erst danach konnte er wieder Gas geben – und musste vorher auch noch herunterschalten, um wirklich blitzartig, wie du es nanntest, abdüsen zu können. Der eigentliche Drive-by müsste sich also in besserem Schritttempo abgespielt haben. So klang mir die Schilderung aber nicht.«

      »Das stimmt«, musste Kramer zugeben. »Aber vielleicht war die Waffe ja irgendwie anders platziert? Griffbereiter?«

      »Und damit offen sichtbar?« Stahnke schüttelte den Kopf. »Unwahrscheinlich.«

      »Oder der Täter hatte den Choke gezogen? Dann dreht der Motor doch höhere Touren.«

      »Das erklärt das anschließende sofortige Beschleunigen nicht, wenn der Täter die Hand am Gasgriff nicht frei hat. Es sei denn, er hätte die Waffe sofort fallen lassen. Aber gefunden wurde sie ja wohl nicht, oder?«

      »Nein«, bestätigte Kramer. »Dann bleibt eigentlich nur noch eins.«

      »Genau. Der Täter muss Linkshänder gewesen sein.« Stahnke klatschte in die Hände.

      »Und das wiederum bedeutet, dass er vor seinem eigenen Körper entlang geschossen haben muss, zur falschen

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