Ostfriesische Verhältnisse. Peter Gerdes

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Ostfriesische Verhältnisse - Peter Gerdes

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irgendwo da hinten. Weitere Mitarbeiter gab es anscheinend nicht. Ungewöhnlich für ein Geschäft dieser Größe, fand der Hauptkommissar. Was, wenn es hier einen Kundenansturm zu bewältigen gab?

      Den aber gab es nicht. Was vermutlich das Problem war.

      Hinten wurde aufgelegt. Schnelle Schritte näherten sich. »So, jetzt bin ich ganz für Sie da. Was kann ich denn für Sie tun?« Eine schmale Gestalt tauchte zwischen den Kleiderständern auf, das Gesicht blass, die Wangen hohl, die halblangen rötlichen Haare schütter; die Augen lagen tief in ihren Höhlen und vervollständigten den Gesamteindruck völliger Überarbeitung. Einen erfolgreichen Geschäftsmann stellte sich der Hauptkommissar anders vor. Aber was nicht war, konnte ja noch kommen – immerhin schien das Feuer in diesen tief liegenden Augen noch nicht erloschen zu sein.

      »Nur ein paar Fragen, Herr Dahlmann«, sagte Stahnke und zückte seinen Dienstausweis. »Sie waren ja Tatzeuge gestern Abend, gar nicht weit von hier.«

      »Ach so.« Enttäuschung sprach aus der Miene des Rothaarigen. Ein Kunde wäre ihm offenkundig lieber gewesen als ein Kriminalpolizist. »Na, dann schießen Sie mal los. Ich meine natürlich – na, Sie wissen schon. Dieser eine Schuss von gestern Abend, der reicht mir erst einmal für eine Weile.«

      Stahnke musterte den bleichen, ausgemergelten Mann, dessen Blick mehr Energie ausstrahlte als seine restliche Erscheinung. Wie kam solch ein Typ dazu, ausgerechnet einen Klamottenladen aufzumachen? Und wieso blieb er derart verbissen dabei, obwohl es doch offensichtlich nicht funktionierte?

      So kurz das Schweigen auch währte, für den Rothaarigen war es schon zu lang. »Ich war ja bereits auf dem Heimweg gestern Abend, mit dem Herrn Christiansen, meinem Kollegen«, begann er unaufgefordert zu erzählen. »Der von dem Buchladen gleich da vorne. Wir standen gerade vor dem Coloniale, als der junge Schnösel an uns vorbeikam, nicht wahr, Eickhoff junior. Schien es ziemlich eilig zu haben.«

      »Bei Ihnen stehen geblieben ist er nicht? Ich meine, weil Sie sich doch kennen, so als Kollegen. Schließlich sind Sie in der gleichen Branche tätig.«

      »Der? Bei mir stehen bleiben?« Dahlmann lachte spöttisch auf. »Dafür wäre sich der junge Herr doch viel zu fein! Auf so etwas wie mich schaut man in seinen Kreisen bloß angewidert herab. Für den bin ich doch wie Scheiße am Hacken!« Der Rothaarige grinste so breit, wie sein schmales Gesicht es zuließ. »Entschuldigung, Herr Kommissar. Meine Scherze sind manchmal etwas derb.«

      Und dein Lachen ist nicht echt, setzte Stahnke in Gedanken hinzu. Dieser Mann scherzte nicht, er tat nur so. In Wahrheit schien er tief verletzt zu sein.

      »Trotzdem haben Sie nicht gezögert, Herrn Eickhoff junior zu Hilfe zu kommen«, sagte er laut. »Die Schusswunde war zwar nicht lebensgefährlich, trotzdem war es gut, dass sie schnellstmöglich versorgt werden konnte. Wäre die Kugel anderswo eingeschlagen, hätte Ihre Reaktion den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen können.«

      Dahlmann winkte ab und schaute zu Boden. »Ach, das war doch selbstverständlich, ich bitte Sie! Wenn man so was heutzutage nicht mehr ganz automatisch täte, wo kämen wir denn da hin? Außerdem, den Anruf beim Rettungsdienst hat ja der Christiansen gemacht. Der hat noch viel schneller reagiert als ich. Und das, obwohl ihn der Typ kurz zuvor ebenso angepöbelt hat …« Der Kaufmann unterbrach sich und blickte erschrocken auf.

      »Angepöbelt«, wiederholte Stahnke. »Ebenso wie wen?«

      Dahlmann zuckte die Achseln. »Wie mich«, sagte er. »Aber das ist ja nichts Neues. Dass die Eickhoffs und wir von der Altstadt ständig überkreuz sind, das weiß ja nun jeder, der regelmäßig Zeitung liest. Dabei spielt der Kleine nur eine Nebenrolle. So etwa wie der Papagei auf der Schulter von Long John Silver.« Er lachte wieder, diesmal gehässig. Das wirkte ehrlicher.

      »Was war denn der Anlass Ihres Wortgefechts?« Der Hauptkommissar ließ nicht locker. »Wann und wo spielte sich das ab?«

      Dahlmann seufzte, dann begann er den Vorfall vom vergangenen Abend im Zusammenhang zu schildern, wobei er den kläglichen Verlauf des Einkauf-Events in der Fußgängerzone in den dunkelsten Farben malte. »Kein Wunder, dass bei denen die Nerven blank liegen«, schloss er. »Wenn die sogar schon aufeinander losgehen! Nach außen spucken sie noch große Töne, tatsächlich aber wissen sie langsam nicht mehr, wie sie der Konkurrenz des Internets und der großen Märkte am Stadtrand noch Paroli bieten sollen. Da regiert einfach die Panik.« Der Geschäftsinhaber breitete bedauernd die Arme aus; seine Miene aber ließ Schadenfreude erkennen. »Eickhoff senior steht natürlich besonders unter Erfolgsdruck, weil er ständig Angst hat, von seinem eigenen kleinen Bruder in den Schatten gestellt zu werden. Karl-Joseph Eickhoff, der Reeder, sagt Ihnen das was?«

      Stahnke nickte, ohne richtig hingehört zu haben. Er musste an die Worte von Karl-Friedrich Eickhoff denken, die möglichen Motive für den Anschlag auf seinen Sohn betreffend. Tatsächlich schien sich der Senior durch seine rigide Geschäfts- und Verbandspolitik täglich neue Feinde zu machen, nicht zuletzt im eigenen Lager. Aber waren konkurrierende Kaufleute, mochten sie untereinander auch noch so uneinig oder gar verfeindet sein, als neuzeitliche Pistoleros auf dem Motorrad vorstellbar?

      Natürlich waren sie das, stellte der Hauptkommissar fest und war selber überrascht.

      Unwillig schüttelte sich Stahnke den Gedanken aus dem Kopf. »Was halten Sie von der Idee, dass der Anschlag auf Oliver Eickhoff gar nicht ihm persönlich gegolten hat, sondern seiner Familie? Dass der junge Mann sozusagen stellvertretendes Opfer war?« Jetzt, da er sie aussprach, kam ihm die Theorie absurd vor.

      Genauso kam sie bei Dahlmann an. »Das hat Ihnen der Alte selber erzählt, stimmt’s?«, rief er. »Der Spinner! Lässt wirklich keine Gelegenheit aus, sich aufzuspielen und seine Kritiker ins schlechte Licht zu rücken! Selbst wenn sein eigener Sohn dafür den Kopf hinhalten muss.« Er grinste: »Oder vielmehr den Popo. Ist ja echt die Frage, welches bei dem der edlere Körperteil ist.«

      Stahnke musste sich beherrschen, um dienstlich ernst zu bleiben. »Sie glauben also nicht an diese These. Aber wer könnte denn sonst einen Grund gehabt haben, derart auf Oliver Eickhoff loszugehen?«

      »Wer?« Der Rothaarige kniff die Augen zusammen. »Eine ganze Menge Leute, davon können Sie ausgehen! Der Kleine ist nämlich nicht so lieb und nett, wie er und sein Vater Sie anscheinend glauben machen wollen. Allein schon, was der für einen Umgang hat! Kein Wunder, dass der Christiansen langsam graue Haare kriegt.«

      »Sie meinen den Buchhändler da vorne an der T-Kreuzung, mit dem Sie gestern Abend unterwegs waren? Inwiefern ist der denn von Eickhoff juniors Umgang betroffen?«

      »Weil, der Christiansen, der vermietet ja auch«, erläuterte Dahlmann. »Die große Wohnung über seinem Laden. Na ja, das Haus ist alt, abends ist es im Restaurant naturgemäß etwas lauter, da kann er sich seine Mieter nicht wirklich aussuchen, verstehen Sie? Deswegen nimmt er gerne Wohngemeinschaften. Aber mit der jetzigen hat er echt ins Klo gegriffen. Ständig Lärm, ständig Randale, und die Polizei ist auch jede zweite Woche da. Eigentlich wollte Christiansen die Leute längst raussetzen, aber da ziehen ja sowieso ständig welche ein und aus, und jedes Mal heißt es, den Ärger hätte immer nur der gemacht, der jetzt weg sei. Tja, und der Christiansen, der hat eben so ein weiches Herz, verstehen Sie? Deswegen geht der ganze Mist auch immer weiter.«

      »Und Oliver Eickhoff soll zu dieser WG gehören?« Der Hauptkommissar klang ungläubig.

      »Nein, natürlich nicht!« Dahlmann verzog sein Gesicht. »Als ob der im Altbau wohnen würde! Nee, für den hat Papa ganz was Modernes hochziehen lassen, da draußen im Neubaugebiet an der Grenze zwischen Loga und Heisfelde. Aber der Oliver verkehrt mit den Leuten, die oben beim Christiansen wohnen,

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