Ostfriesische Verhältnisse. Peter Gerdes

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Ostfriesische Verhältnisse - Peter Gerdes

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Anfang dreißig? Oder schon Mitte? Wie auch immer, auf jeden Fall ist sie viel zu jung.

      Er stutzte. Zu jung wofür? Was sollte denn solch ein Gedanke? Wo kam der her? Er hatte doch überhaupt keine Absichten, er hatte doch …

      Sina. Aha, daher wehte der Wind. Wieder spürte er diese altbekannten Stiche. Und als er den ersten Schluck Kaffee heruntergestürzt hatte, spürte er auch wieder dieses Brennen im Magen. Klar konnte es vom zu heißen Kaffee kommen. Aber das wusste er besser.

      Jahrelang hatte er sich diese unkontrollierbaren Eifersuchts-Attacken übel genommen. Musste er sich denn sein Glück mit dieser wunderbaren jungen Frau mutwillig selber vermiesen? Natürlich war es eine Amour fou, eine Beziehung, die aus dem gesellschaftlich akzeptierten Rahmen fiel. Er hasste diese hochgezogenen Augenbrauen angesichts der gut zwanzig Jahre Altersunterschied zwischen ihm und seiner Freundin ebenso sehr wie das fette Lachen seiner Macho-Kollegen und deren anerkennendes Schulterklopfen: »Mensch, Stahnke, du musst ja verborgene Qualitäten haben, dass du so ein junges Blut unter Vertrag halten kannst! Hätte gar nicht gedacht, dass du so ein Hengst bist!« Drecksäcke. Manchmal hätte dieser Hengst am liebsten kräftig ausgekeilt.

      Aber andererseits schmeichelte ihm solch klebrige Macho-Anerkennung doch auch, obwohl er es sich nicht eingestehen mochte. Und obwohl die Prämissen dieses Lobes auch überhaupt nicht stimmten. Von wegen erfrischender Brunnen der Jugend, in den er nach Belieben eintauchen konnte! Nicht er war die lenkende Kraft in dieser Beziehung. Weit gefehlt! Für Stahnke war Sina die, von der er lernte, an der er sich orientierte. Um mit ihr Schritt zu halten, musste er sich ständig selber ins Hinterteil treten. Und das tat ihm gut.

      Der Jungbrunnen natürlich auch. Und das Eintauchen.

      Trotzdem, diese Intervalle von Eifersucht und Misstrauen konnte er einfach nicht unterdrücken. Und egal, gegen wen sie sich richteten – letztlich richteten sie sich doch immer gegen ihn selbst. Weil er deutlich spürte, dass er es war, der hier nicht passte. Der nicht genügte. Da konnte er sich so oft in den Hintern treten, bis der blau anlief, dieses Gefühl bekam er damit nicht weg.

      Und solche Gefühle, solche Zweifel färben irgendwann ab, schlagen durch auf die Realität. Verfluchte Dialektik! Selbsterfüllende Prophezeiung nannte man das wohl auch. Oder, blumiger ausdrückt: Zweifel und Misstrauen sind Äxte am Baum der Liebe.

      Ich glaub, es hackt, dachte Stahnke. Vielmehr, ich weiß es. Und der da hackt, das bin ich.

      Er stürzte den Rest seines Kaffees hinunter. Heiß war der nicht mehr, aber es brannte dennoch.

      Wie oft hatte es so gebrannt, wenn er an Sina und ihr freundschaftliches Verhältnis zu ihrem Ex-Freund, dem Journalisten Marian Godehau, gedacht hatte! Dabei hatte Sina diesen Burschen längst weit hinter sich gelassen, fand ihn zwar immer noch unterhaltsam und nett, aber viel zu kindisch. Trotzdem hatte Stahnke sich immer wieder eingebildet, zwischen den beiden etwas wahrzunehmen, das sich zu einem Keil zwischen ihm selbst und ihr entwickeln mochte. Pure Einbildung, gespeist aus dem Schuldbewusstsein Marian gegenüber, dem er seinerzeit die Freundin ausgespannt hatte – was wiederum eine Sichtweise war, mit der er Sina auf gar keinen Fall kommen durfte. »So denken keine Männer, so denken nur Männchen«, würde sie sagen. Und dass sie in Sachen Beziehung immer noch selbst die Entscheidungen träfe.

      Oh ja, das traf absolut zu. Hatte er vielleicht davor so große Angst?

      Die Tür wurde geöffnet; zwei Paare betraten den Laden. Das eine ging gleich durch nach hinten ins Café, das andere steuerte den Tresen an. Offenbar ging es um vorbestellte Bücher, die schnell gefunden und bezahlt waren. Danach ging auch das zweite Pärchen weiter ins Restaurant.

      Stahnke blickte auf die Uhr: schon nach zwölf, die Küche hatte geöffnet. Er musste dringend zu seiner Dienststelle aufbrechen. Die halbstündige Auszeit war bereits vorüber.

      Er wollte sich erheben, aber blanke Unlust hielt ihn zurück. Dieser blasierte, arrogante Eickhoff! Musste er sich den wirklich antun? Neue Erkenntnisse waren von einer Unterhaltung mit dem sowieso nicht zu erwarten, jedenfalls nicht, solange er überhaupt nicht wusste, wonach er eigentlich fragen sollte. Auf reine Verdächtigungen und Unterstellungen gegenüber irgendwelchen Rivalen und Konkurrenten der Eickhoff-Familie jedenfalls konnte er gerne verzichten.

      Er zückte sein Handy. Zögerte kurz, gab sich dann aber einen Ruck. Dies war ja schließlich keine Mordermittlung!

      »Kramer? Ist Eickhoff senior schon da?«

      »Allerdings.« Der Oberkommissar klang genervt. »Seit einer Viertelstunde schon. Wartet nebenan. Wenn man das warten nennen kann! Alle zwei Minuten steht er bei mir auf der Matte.«

      »Dann behalte ihn das nächste Mal einfach da«, sagte Stahnke. »Übernimm du doch Eickhoffs Befragung, ja? Ich bin hier in der Altstadt zugange. Dafür brauche ich noch ein bisschen.«

      »Wofür? Etwa Kaffee trinken im Taraxacum?« Kramer klang gereizt. »Was soll ich den Typen überhaupt fragen?«

      »Lass dir was einfallen. Du kennst den Fall doch ebenso gut wie ich.« Oder ebenso schlecht, setzte der Hauptkommissar in Gedanken hinzu. Dann schnippte er mit den Fingern. »Und übrigens, Tarax stimmt, aber von wegen Kaffee! Der Laden gehört doch neuerdings diesem Christiansen, du weißt schon, dem Obelix von Asterix. Die beiden haben bekanntlich zusammen die Tat beobachtet, mehr oder weniger. Also, Christiansen muss ich auch noch befragen.«

      »So.« Kramer war ein Meister der Untertöne, der jedermann der faulen Ausrede bezichtigen konnte, ohne dass es nachweisbar gewesen wäre. »Neuerdings ist übrigens stark untertrieben, Christiansen gehört das Haus schon seit drei Jahren. Und übrigens, was ist mit der WG? Wenn schon, dann kannst du dir die ja auch gleich vorknöpfen.«

      »WG? Was für eine WG?« Stahnke hatte die Frage kaum gestellt, da fiel es ihm wieder ein. »Ach so, die anrüchige Wohngemeinschaft, in der der junge Eickhoff verkehrt haben soll.« Er richtete seinen Blick zur Decke. Jenseits der fetten Balken mussten sie hausen, die wilden Gesellen, die auf den jungen Mann aus reichem Hause solch eine Anziehungskraft ausübten. Vor allem wohl die Gesellinnen. »Na klar, ein Besuch da oben steht auch auf meiner Agenda.«

      Der Hauptkommissar beäugte die Deckenbalken noch einmal gründlich: Nein, sie bogen sich nicht. So sehr er auch log.

      Kramer holte Luft, kam aber nicht mehr dazu, eine weitere Spitze abzufeuern. Eickhoff seniors laut polternde Stimme fuhr ihm dazwischen. Offenbar stand der mal wieder auf Kramers Matte.

      »Na denn, viel Erfolg!«, säuselte der Hauptkommissar und beendete eilig das Gespräch.

      Draußen vor dem Fenster quietschten Reifen. Der Fahrer eines tiefergelegten BMWs hatte es offenbar auch sehr eilig. Während der Wagen laut röhrend um die Kurve driftete, erhaschte Stahnke den flüchtigen Eindruck eines jungen, unbewegten Männergesichts hinter der Frontscheibe. Das einzig Lebendige an diesem Gesicht schien die große, verspiegelte Sonnenbrille zu sein, in deren Gläsern sich die Hausfassade krümmte.

      Ein Grüppchen kleiner, braunhäutiger Männer wäre dem Kamikaze-Piloten beinahe vor den Spoiler gelaufen. Im letzten Moment hatten sie am Bordstein gestoppt und schimpften dem Raser jetzt hinterher. Touristen, schätzte Stahnke. Bis vor kurzem hätte er sie trotz der umgehängten Kameras noch für Seeleute gehalten, die an einem Rettungslehrgang auf der Emssturm teilnahmen. Das langjährige Ausbildungsschiff aber hatte inzwischen den Leeraner Hafen verlassen. Die Handelsschifffahrt steckte in der Krise, wieder einmal. Da rechnete sich derartige Ausbildung nicht mehr.

      Dahlmanns Worte fielen Stahnke wieder ein. So, Eickhoffs jüngerer Bruder war also Reeder? Na, da hatte der

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