Ostfriesische Verhältnisse. Peter Gerdes

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ostfriesische Verhältnisse - Peter Gerdes страница 4

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Ostfriesische Verhältnisse - Peter Gerdes

Скачать книгу

Arschbacke wurde denn getroffen?«

      »Die linke. Würde passen.«

      »Wie Arsch auf Eimer.« Stahnke griff erneut nach seiner Regenjacke. Diesmal richtig. »Mal hören, was uns der junge Mann selber noch Erhellendes zum Tathergang erzählen kann«, sagte er im Gehen.

      3.

      »Polizei, ja? Kommen Sie auch schon!«, keifte der blonde Jüngling, kaum dass Stahnke die Tür zum Krankenzimmer geöffnet hatte. »Wird langsam Zeit! Oder fanden Sie es nicht so wichtig, dass man in Ihrer Stadt auf offener Straße seines Lebens nicht mehr sicher ist?«

      So also sieht einer aus, der mit einem goldenen Löffel im Mund geboren worden ist, dachte Stahnke. Noch ein halbes Baby und schon stellvertretender Geschäftsführer. Und so hört er sich auch an. Wenn ihm das schon derart gegen den Strich ging – was sollten dann die Leute sagen, die so einen Pimpf als Vorgesetzten hatten?

      Na ja, wenn sie ihn so sehen könnten, auf dem Bauch liegend, das verbundene Gesäß halb freigestrampelt, das Gesicht nicht nur vom Schimpfen verzerrt, dann würde es diesen Leuten vielleicht schon ein bisschen besser gehen. Selbst Stahnke spürte einen Anflug von Schadenfreude, für den er sich nicht einmal schämte. Kam er hier vielleicht gedanklich in die Nähe eines Tatmotivs?

      »Guten Morgen, Herr Eickhoff«, grüßte er betont freundlich und stellte sich und Kramer vor. »Es freut mich zu sehen, dass Sie schon wieder so weit hergestellt sind. Wenn man bedenkt, was Sie hinter sich haben – das hätte ja auch anders ausgehen können.«

      Der Hauptkommissar hatte deutlich den Ärger erkennen können, der die helle Haut von Oliver Eickhoffs Gesicht zwischen den schräg hängenden Ponyfransen rötlich getönt hatte. Mit Stahnkes Worten aber war dieser Ausdruck wie weggewischt. Jetzt sprach schiere Panik aus den kindlichen Zügen. Dann wandte sich der junge Mann ab und drückte sein Gesicht ins Kopfkissen.

      Veräppeln lässt er sich nicht gerne, registrierte Stahnke. Verständlich. Aufbrausend ist er – wie nicht anders zu erwarten bei solch einem Geldadelsspross. Und Angst hat er. Normal. »Könnten Sie mir den Vorfall bitte aus Ihrer Sicht schildern?«, bat er.

      Aus dem Kopfkissen waren halb erstickte Laute zu hören. Dann stemmte sich der junge Mann auf die Ellbogen hoch. »Es war alles ganz normal, eigentlich«, begann er, jetzt ohne Allüren. »Ich hatte noch spät gearbeitet, meinem Vater geholfen, wegen des Mitternachts-Shoppings. Dann musste er noch zu einer Sitzung, zu der ich nicht geladen war. Es hat geregnet, und ich war zu Fuß unterwegs, also habe ich mich ziemlich beeilt. Das Motorrad konnte ich kommen hören, habe mir aber nichts dabei gedacht. Das heißt, doch – ich dachte noch, der soll bloß aufpassen, bei Nässe kann das Pflaster in der Brunnenstraße ganz schön rutschig sein.« Er ließ den Kopf wieder sinken.

      »Und dann?«

      »Dann.« Schweres Atmen, durch das Kissen gedämpft. »Es war wie ein Schlag. Oder ein Tritt in den … Plötzlich lag ich am Boden, hatte keine Gewalt mehr über meine Beine. Nach und nach kam der Schmerz.« Er drehte sein Gesicht wieder seinen Besuchern zu; die blasse Haut war rot gefleckt. »Ich habe nach hinten gefasst, und meine Hand war voller Blut. Da hab ich dann wohl geschrien.«

      »Konnten Sie das Motorrad erkennen? Irgendein Detail vielleicht?«

      Oliver Eickhoff schüttelte den Kopf. »Hab’s nur gehört. Vorher. Danach – plötzlich war es weg, keine Ahnung, wie und wohin. Nur an den Sound kann ich mich erinnern.«

      »Kennen Sie sich aus mit Motorrädern?«, fragte Stahnke verwundert. Diesem kleinen Stenz hatte er höchstens einen Roller zugetraut.

      »Ein bisschen«, sagte Eickhoff junior. »Nicht, dass ich Ihnen jetzt den Typ sagen könnte oder so. Es war aber irgendein Eintopf. Wenn Sie verstehen, was ich meine.«

      Der Hauptkommissar nickte. »Ein großvolumiger Einzylinder-Motor also. Sind Sie sich da sicher? Irrtum ausgeschlossen?«

      »Logo«, schnauzte der junge Mann zurück. »Was denken Sie denn? Eine Harley war es jedenfalls nicht, auch keine BMW, überhaupt kein moderner Mehrzylinder und schon gar kein Zweitakter. Nee, das war ein Eintopf, vermutlich irgend so eine Enduro.«

      Immerhin etwas, dachte der Hauptkommissar. Auch wenn das für eine Fahndung natürlich nicht reichen würde, dafür gab es von diesem hochbeinigen Fahrzeugtyp denn doch zu viele.

      Plötzlich lachte Oliver Eickhoff auf. »Als dann plötzlich Asterix und Obelix angerannt kamen, dachte ich zuerst, die seien es gewesen«, sagte er.

      Stahnke runzelte die Stirn. Hatte es den Knaben doch schlimmer erwischt als gedacht? Verfolgt von zwei Comicfiguren, so etwas hatte er auch noch nicht gehört. Aber wieso hatte der Bursche etwas am Kopf, wo ihn die Kugel doch am Hintern getroffen hatte? Litt er unter einer posttraumatischen Verwirrung?

      Oliver Eickhoff feixte, als er Stahnkes ratlose Miene bemerkte. »Sie kennen die beiden wohl nicht? Ich dachte, die seien stadtbekannt. Laufen überall rum und meckern, wie die beiden alten Knacker aus der Muppetshow.«

      »Möglicherweise bekommen Sie da etwas durcheinander.« Der Hauptkommissar versuchte sich so schonend wie möglich auszudrücken. »Asterix und Obelix kenne ich, und die beiden sind nicht nur stadtbekannt, sondern weltberühmt. Aber Figuren aus der Muppetshow sind sie nicht. Das eine ist eine amerikanische Produktion, während die zwei Gallier …«

      »Wollen Sie mich verarschen?«, brüllte der junge Kaufmann unvermittelt los. Im nächsten Moment verzog er schmerzerfüllt sein gerötetes Gesicht. Seinen linken Arm hielt er angewinkelt an den Brustkorb gepresst. »Asterix und Obelix, so nennen wir die beiden doch bloß. Weil, der eine ist ziemlich klein und rothaarig, der andere groß und dick und trägt einen Pferdeschwanz. Treten immer gemeinsam auf, und der Große dackelt hinter dem Kleinen her. Zwei Kaufleute aus der Altstadt, echte Museumsstücke. Geschäftsgebaren wie vor Kaisers Zeiten, sagt mein Vater immer. Aber wenn etwas verändert oder erneuert werden soll, stehen die beiden da und motzen rum. Echt lästig.«

      Endlich klickte es in Stahnkes immer noch leicht weindementem Oberstübchen. »Die beiden haben Sie also dort gefunden, schwer verletzt, wie Sie waren. Haben Polizei und Rettungswagen gerufen. Und Sie haben geglaubt, einer der beiden hätte auf Sie geschossen? Wieso denn das?«

      »Na ja.« Oliver Eickhoff hob die Schultern, was ihm anscheinend Schmerzen bereitete. »Wie die da so angerannt kamen … Wir verstehen uns eben nicht so gut, die und wir. Da ist schon manches böse Wort gefallen.«

      »Wie böse? Ich meine, gab es Drohungen?«

      »Na sicher! Sogar öffentlich.« Der Verletzte versuchte sich mehr auf die rechte Körperseite zu betten. »Stand doch im Frühjahr in der Zeitung. Nachdem mein Vater unsere Mitternachts-Shoppings als ›für den Umsatz so sicher wie ein Elfmeter‹ bezeichnet hatte und dann zum ersten Mal eine dieser Aktionen nicht wirklich erfolgreich war, hat der Asterix doch gehöhnt, Eickhoff sei der Einzige, der per Elfmeter ein Eigentor fabrizieren könne. Da war mein Vater natürlich mächtig sauer und hat ihn einen ›ewig Gestrigen‹ genannt. Darauf hat dieser rothaarig Gnom doch gedroht, er werde ihm schon das Maul stopfen. So war das! Haben Sie das nicht mitgekriegt? Das war doch mehr als deutlich.«

      Doch, Stahnke hatte das sehr wohl mitbekommen seinerzeit, und er wusste noch gut, was ihm dabei deutlich geworden war – nämlich, dass es dem Leeraner Einzelhandel schlechter gehen musste, als seine Wortführer zuzugeben bereit waren. Mehr als ein wechselseitiges Gepöbel von Konkurrenten mit mangelhafter Kinderstube hatte er darin ansonsten nicht gesehen. Eine Bewertung, die er vielleicht revidieren

Скачать книгу