Langeooger Dampfer. Peter Gerdes

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Langeooger Dampfer - Peter Gerdes

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      »Ich glaube, wir müssen uns dringend umhören«, konstatierte Bea und stapfte los, den Passanten hinterher. Gertrud Reershemius war ihr ein paar Schritte voraus. Sina eilte den beiden nach.

      7.

      Die Pressekonferenz im »Haus der Insel« fand Marian wenig ergiebig. Jedenfalls, was den Informationstransfer anging; er hatte nichts erfahren, das er nicht bereits gewusst hätte. Manches war bestätigt worden, aber längst nicht alles. Was nicht weiter tragisch war, denn für die morgige Ausgabe hatte er mehr als genügend Stoff.

      Als eigenständiges Event dagegen gab die PK weitaus mehr her. Dieses Getümmel von Festlandkollegen jeder Couleur, die sich gegenseitig zu überschreien versuchten, dieses Gerangel von Fotografen und Kameraleuten, die um die besten Plätze rivalisierten! Trittleitern verschiedenster Längen kamen zum Einsatz. Einige trugen noch die Preisschilder der örtlichen Läden. Darüber ließe sich bestens schreiben, fand Marian. Eine bunte Geschichte, eine Art Sittengemälde – eines, auf dem die besseren Sitten durch Abwesenheit glänzten.

      Aber das war etwas für die kommenden Tage. Jetzt ging es um das Aktuelle, um die Fakten und deren Einordnung. Mit der ihm eigenen Akribie hackte Marian den neuen Aufmacher in die Tasten, konzipierte dazu einen Infokasten und einen Extrabericht mit Stimmen von Augenzeugen und bedeutsameren Persönlichkeiten. Wie man das halt so machte. Gelernt war eben gelernt. Die Stimmen lieferte ihm überwiegend Ocko Onken, der ein Talent dafür hatte, Leute zum Reden zu bringen. Oder zum Schwätzen, dachte Marian, während ihm der alte Onken ein Bündel Notizen nach dem anderen neben die Tastatur legte, begleitet von Erläuterungen, die die bekritzelten Zettel fast überflüssig machten. Augenzeugen und Persönlichkeiten, repetierte Marian bei sich. Von wegen! Gaffer und Wichtigtuer waren das, nichts anderes. Aber was half es, solcherlei Anreicherungen wurden eben verlangt. »Namen sind Nachrichten, Menschen sind per se interessant«, lautete das gültige Journalismusprinzip. Schon als Volontär hatte Marian sich dagegen aufgelehnt: »Interessant sind doch nur interessante Menschen!« An die Abfuhr, die ihm das eingebracht hatte, erinnerte er sich heute noch.

      Irgendwann war es geschafft, der letzte Artikel getippt, auf Zeile gekürzt und Korrektur gelesen, das letzte Foto elektronisch beschnitten und eingepasst, die letzte seiner Seiten fertig gebaut. Noch ein letzter Blick. Und noch ein allerletzter, damit es nicht wieder einen Abschuss gab. Dann klickte er auf »send«. So, das war’s. Für heute jedenfalls. Morgen begann wieder alles von vorn.

      Und jetzt? Draußen war es noch einigermaßen hell, und Marian war hellwach. Was tun? Mit ein paar Bieren Helligkeit und Wachheit dimmen? Oder mit ein paar Gläsern Wein? Das tat er in letzter Zeit häufig. Oder vielleicht bei Sina anklingeln? Bisschen zusammensetzen, vielleicht etwas essen, von alten Zeiten erzählen? Immerhin hatten sie mal gemeinsam die Redakteursausbildung im selben Zeitungsverlag absolviert. Und noch mehr hatten sie zusammen gemacht, viel mehr. Aber nein, Stahnke war auf der Insel. Marian hatte ihn bei der Pressekonferenz gesehen, in Aktion, wortkarg und ruppig wie immer. Was fand Sina bloß an diesem Klotz? Warum hatte sie ihn seinerzeit in die Wüste geschickt, nur um sich an diesen Kerl zu hängen, der so viel älter war als sie beide? Sie beide, die doch so viel besser zusammenpassten. Marian schloss die Augen und atmete tief durch. Solche Gedanken hatte er sich doch verboten! Mit dem Erfolg, dass Sina ihn immerhin als Freund akzeptierte und wieder an sich heranließ. Auf Armeslänge sozusagen. »Lass uns doch Freunde bleiben«, hatte sie nie gesagt. Aber nerven lassen würde sie sich nicht von ihm, das stand felsenfest.

      Er schloss die Redaktion hinter sich ab und stieg die knarrende Treppe hinunter. Das mit den Bierchen war bestimmt nicht die schlechteste Idee. Aber vorher ein bisschen Bewegung, um Dampf abzulassen. War sowieso besser, denn mit dem Alkohol würde der Hunger kommen, und er fühlte sich mal wieder etwas zu schwer. Spazieren? Nein, lieber das Fahrrad. Das lag ihm mehr, und er liebte den Fahrtwind im Gesicht. Sein Trekkingrad liebte er auch. Es war extrem leichtgängig, durch die beiden Hörner seitlich am Lenker auch auf längeren Strecken sehr bequem und durch die Schaltung mit 21 Gängen sowohl ergonomisch als auch flott. Mancher hatte ihm schon »Elektrospinner« nachgerufen, wenn er ihn mit viel Speed überholt hatte. Dabei hatte das Rad gar keinen Elektroantrieb.

      Wenn er so darüber nachdachte, dann waren die unfreundlichen Kommentare in letzter Zeit häufiger geworden. Und die Wortwahl deftiger. Pöbeln lag offenbar im Trend, selbst hier auf Langeoog, wo die meisten Menschen im Urlaub waren und eigentlich entspannt sein sollten! Woher kam das eigentlich? War das die allgemeine Verrohung der Gesellschaft, von der man las?

      Marian hörte auf zu treten, ließ sein Rad ausrollen und richtete sich im Sattel auf. Ganz schön weit war er in den letzten zehn Minuten gefahren; er befand sich irgendwo im Niemandsland zwischen Inselbahnhof und Hafen. Musste hier nicht der Golfplatz sein? Ach nein, da war ja der neue Reiterhof, wo man Großpferde und Ponys für Ausritte mieten konnte. Die Betreiber boten Kutschfahrten und andere Freizeitbeschäftigungen an, Lassowerfen und Bogenschießen zum Beispiel. Hatte erst letzte Woche in einer größeren Anzeige im »Inselboten« gestanden. Außerdem hatte er gehört, dass Landwirtschaftliches und Handwerkliches zum Angebot gehören sollten: Käseproduktion, Bier brauen, Holz- und Schmiedearbeiten und solche Dinge. Klang alles in allem nach einer Bereicherung der insularen Infrastruktur.

      Zur Straße hin war das Hofgelände eingezäunt. Das breite Holztor der langen, schnurgeraden Einfahrt stand offen. Am Mast vor dem Wohn- und Stallgebäude flatterte eine Flagge. Die deutsche war das nicht. Die Grundfarbe sah nach Orange aus, darauf war ein schwarzer Kreis zu sehen mit etwas Geknicktem innen drin. Ein Ellbogen? Oder etwa ein Bumerang?

      Ein Hund!

      Nicht auf der Flagge, dafür in der Realität. Ein großer Hund, schwarz wie die Nacht. Und anscheinend schnell. Sein wütendes Knurren klang abgrundtief bis zu Marian herüber. Manche Hunde, so hieß es, wollten ja nur spielen. Dieser Hund spielte eindeutig nicht. Marian hob den Hintern aus dem Sattel. Die Pedale fühlten sich plötzlich an wie einbetoniert, und es dauerte einen Moment, bis er auf die Idee kam herunterzuschalten. Einen kostbaren Moment. Die Bestie hatte fast das offene Gatter erreicht, das drohende Grollen klang lauter und lauter.

      Echte Radprofis konnten während voller Fahrt unter der eigenen Achsel hindurch nach hinten schauen, um die Konkurrenz im Auge zu behalten; Marian wusste das von den Tour-de-France-Übertragungen im Fernsehen. Als er das jetzt selbst versuchte, hätte er sich um ein Haar auf die Nase gelegt. Ein Blick zurück gelang ihm trotzdem: Die Zähne dieser Töle waren lang und blendend weiß.

      Marian hatte Fahrt aufgenommen, schaltete hoch. Und gleich noch einmal. Viel schneller ging es nicht mehr. Noch ein Blick, diesmal oben über die Schulter: Es würde nicht reichen. Der Hund kam immer näher, und er schien wild entschlossen, seinen Angriff zu Ende zu bringen.

      Zu Ende? Zu welchem Ende?

      Früher, als Schüler, hatte Marian mal morgens Zeitungen ausgetragen, mit seinem alten Fahrrad. Ein riesiger Hirtenhund war ihm bellend auf die Pelle gerückt; Marian hatte sein Rad als Schild benutzt und das tobende Tier so lange auf Distanz gehalten, bis der verschlafene Besitzer ein Fenster geöffnet und gepfiffen hatte. Ob er das wieder versuchen sollte? Aber dazu müsste er zunächst mal anhalten und absteigen, und in den paar Sekunden hätte er das Biest garantiert am Bein hängen. Oder am Hintern.

      Was also tun? Nach dem Tier treten, sobald es nahe genug heran war? Mit dem Sommerschuh samt ungeschütztem Knöchel mitten hinein ins Labyrinth dieser blitzenden Hauer? Außerdem müsste er dazu aufhören zu treten und konnte ins Schlingern kommen, dann war er geliefert. Oder schlagen? Aber womit? Er hatte nichts dabei, nicht einmal einen Regenschirm. Höchstens die Luftpumpe unten am Rahmen. Nur war die aus Plastik und federleicht, darüber lachte diese Riesentöle doch nur! Aber irgendetwas musste er tun. Also bückte er sich und angelte nach dem Ding, ohne dabei aus dem Tritt zu kommen, was nicht leicht war, denn die Pumpe war nicht eingehakt, sondern mit Lochbändern angelascht.

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