Langeooger Dampfer. Peter Gerdes

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Langeooger Dampfer - Peter Gerdes

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      »Aua! He, was soll das?« Bea schubste ihre Hand weg, ganz leicht nur, aber Sina geriet dennoch ins Taumeln. »Wieso kneifst du mich?«

      »Ach, äh, ich … aber hör mal: Fünf nackte Männer?«

      »Mein Gott, Sinchen! Was bist du denn auf einmal so prüde? Das sind doch die ›Steamboat-Boys‹, diese Männer-Strip-Truppe, die demnächst im ›Haus der Insel‹ auftritt! Im Rahmen der 1. Langeooger Dampfer-Tage! Sowas ist doch schon lange kein Skandal mehr, die treten sogar im Fernsehen auf. Und außerdem – die sind ja nur fast nackt. Da, guck! Die entscheidenden Stellen sind bedeckt.«

      Jetzt bemerkte auch Sina die knappen Tangaslips. Hautfarben, aha, war ja kein Wunder, dass man erst dachte … Außerdem betonten die Dinger eher, als dass sie etwas verbargen, fand sie.

      »Sind doch bestimmt ausgestopft!« Bea knuffte Sina in die Seite; wieder hob es sie fast aus den Schuhen. »Muss auch. Solche Muskelberge züchtet man doch nicht ohne Steroide! Tja, und was an der einen Stelle schwillt, das schrumpft an der anderen. Die Götter geben und die Götter nehmen, so ist das nun mal.«

      »Götter, sagst du? Na, das weiß ich nicht.« Unbemerkt war eine dritte Frau zu ihnen gestoßen. Eine ältere Frau, hochgewachsen und hager. Sina kannte sie gut.

      »Moin, Gertrud! So hat Bea das nicht gemeint mit den Göttern«, erwiderte Sina. »Obwohl – also früher … Ich meine, diese nordischen Götter … sieht man ja jetzt viel im Kino, in diesen Actionfilmen. Da besteht schon eine gewisse Ähnlichkeit, finde ich.«

      Gertrud Reershemius zog die dünnen Augenbrauen hoch. »Also, wenn das eine Anspielung sein soll, dann muss ich dich korrigieren: Auch in meiner Jugendzeit war Ostfriesland bereits christianisiert. Soo alt bin ich nun auch wieder nicht.«

      »Oh, äh, Entschuldigung, das wollte ich nicht …« Sina schoss das Blut in die Wangen.

      Bea Wulf lachte als Erste los, Gertrud Reershemius stimmte ein. »Ach, Sina, du liebes Schäfchen!«, dröhnte die Walküre. »Dich kann man immer so leicht auf die Rolle nehmen! Vergiss niemals, mit wem Gertrud verheiratet ist. Bei der musst du immer mit allem rechnen, genau wie bei ihrem Kerl.«

      Jetzt lachte auch Sina mit, ein bisschen beschämt, aber vor allem erleichtert.

      Gertrud hatte inzwischen ihre Lesebrille gezückt, die sie sonst nur trug, wenn sie die Etiketten ihrer Gläser mit selbstgekochter Sanddornmarmelade prüfte. »Mädels, guckt euch bloß mal diese Bauchmuskeln an«, rief sie. »Die sind doch nachgeschminkt, ganz klar! Wetten, die sehen später auf der Bühne nicht halb so definiert aus?«

      Bea beugte sich vor. »Respekt, Gertrud!«, dröhnte sie. »Was du alles siehst! Dir macht keiner was vor. Aber wenn schon, wir helfen doch alle ein bisschen nach, oder?« Jetzt knuffte sie Gertrud, und Sina bekam Angst um die dünne alte Frau. Aber die hielt deutlich mehr aus als erwartet.

      »Klingt ja so, als würdest du dir das tatsächlich ansehen wollen«, fuhr Bea Wulf fort. »Hätte ich gar nicht von dir gedacht. Was sagt denn dein Klaas dazu? Und teuer sind die Karten auch, Donnerschlag, weiß gar nicht, ob ich mir das leisten kann.« Die Wirtin des Restaurants »Veggie-Paradies« machte kein Geheimnis daraus, dass ihr Lokal alles andere als eine Goldgrube war.

      »Klaas soll bloß seinen Rand halten, der glotzt doch nach jeder Touristen-Mieze, dass ihm die Augen rausquellen«, schimpfte Gertrud. Versöhnlicher fuhr sie fort: »Das Geld hab ich übrig, die Touristen sind richtig wild auf meine Marmelade. Komm doch mit, Mädel, ich lad dich ein! Und dich auch, Sina.«

      »Ach, danke, aber ich weiß noch gar nicht, ob …«

      Weiter kam Sina nicht, denn Bea schnitt ihr das Wort ab. »Aber sagt mal, wieso sind das denn nur fünf Kerle auf dem Plakat? Ich dachte, die wären zu sechst. Da fehlt doch einer.«

      »Ja, allerdings«, bestätigte Gertrud Reershemius. »Und zwar ausgerechnet Marco Heidergott. Der, den alle Langeooger unbedingt tanzen sehen wollen. Natürlich vor allem wir Mädels, klar. Aber es gibt auch ein paar vom anderen Ufer, die wären da spitz drauf gewesen. Schade, dass sie nicht reinkommen werden. Guck, hier steht es: Nur für Frauen.«

      »Marco Heidergott?« Bea schnappte nach Luft. »Doch nicht etwa der Sohn von Renko? Einer von hier?«

      »Ja, genau, der Sohn deines Kochkollegen und ehemaligen Konkurrenten«, bestätigte Gertrud Reershemius. »Marco, der wilde Bengel, der seinem Vater nichts als Ärger bereitet hat. Ist ja auch nicht leicht, solch einen Jungen ohne Mutter großzuziehen. Und dann geht der los, zieht in die weite Welt und wird berühmt. Nicht zu glauben!«

      »Ist ja schön, dass er so berühmt sein soll – aber warum ist er dann nicht mit auf dem Plakat?« Bea verschränkte die Arme, so gut ihre Oberweite das eben zuließ. »Ist er sich etwa zu gut dafür, uns auf seiner Heimatinsel etwas vorzutanzen? Mit so gut wie nix am Mors?«

      Sina öffnete schon den Mund, konnte sich aber beherrschen. Dazu hätte sie etwas sagen können – aber sie wusste, dass sie das nicht durfte. Also presste sie ihre Lippen aufeinander.

      »Nee, er hat sich verletzt«, sagte stattdessen Gertrud Reershemius. »Soll ein Unfall gewesen sein. Wie schlimm, weiß ich nicht, aber auf jeden Fall kann er nicht mit auftreten. Und überhaupt in nächster Zeit nicht, heißt es. Muss wohl was Ernsteres gewesen sein.«

      »Ach, das ist ja schade«, sagte Bea; ihr Bedauern klang echt. »Den Marco hätte ich doch zu gerne nackig auf der Bühne herumhampeln sehen.«

      »Ach, wirklich? Ist der Kleine nicht ein bisschen grün für dich? Du holst dir doch deine Männer sonst nicht aus dem Kindergarten!« Gertrud lachte derart schamlos, dass Sina stellvertretend gleich rot anlief.

      »Nee, deswegen doch nicht!« Schallend stimmte Bea in das Gelächter ein. »Nee, wegen Renko, seinem Papa, dem alten Fischbräter! Dem wär es doch hochnotpeinlich, wenn sein Sohn sich zum nackten Affen machen würde! Auch wenn er seinen Laden letztes Jahr verkauft hat und jetzt in Esens wohnt. Die Peinlichkeit wäre auch bis dorthin gedrungen.«

      Was für eine Hassliebe zwischen diesen beiden Gastronomen, dachte Sina, so verschieden und dabei doch so ähnlich. Und vielleicht hätte sie das auch ausgesprochen, wenn nicht im selben Moment ein Hubschrauber im Tiefflug über sie hinweg gedonnert wäre, dass ihr buchstäblich Hören und Sehen verging. Unwillkürlich duckte sie sich; die beiden anderen Frauen rissen schützend die Arme über die Köpfe.

      »Der kurvt schon den halben Tag herum«, schimpfte Bea, sobald sie sich verständlich machen konnte. »Was ist da bloß los? Ein Krankentransport wird das ja nicht schon wieder sein. Und der würde auch nicht so bescheuert fliegen.«

      Eine Gruppe Touristen stürmte an ihnen vorbei, die Augen geradeaus gerichtet, Handys in Bereitschaft. Einer der jüngeren Männer rempelte Gertrud Reershemius an. »He, pass doch auf, du blinde Bitch!«, pöbelte er und holte aus, als wollte er nach der alten Frau schlagen. Als er bemerkte, wie Bea ihre Fäuste ballte, ließ er das bleiben und eilte den anderen hinterher.

      »Die rennen zum Strand«, sagte Bea. »Irgendwas ist da passiert. Bestimmt nichts Gutes.«

      Eine junge Frau lief an ihnen vorbei. Sina drückte sich dichter an den Schaukasten, weil sie glaubte, es handele sich um eine Nachzüglerin der Pöblertruppe. Mit ihrer langen schwarzen Hose und dem rot-weiß geringelten T-Shirt wirkte sie jedoch geschäftsmäßig, nicht wie eine Touristin. Dann bemerkte Sina das verzerrte Gesicht und die verheulten Augen. Schlimm sah das aus, vor allem das verlaufene Make-up.

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