Das Gewicht von Schnee. Christian Guay-Poliquin

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Das Gewicht von Schnee - Christian Guay-Poliquin

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dichte Rauchwolke auf. Dann sieht er uns nacheinander an. Matthias setzt Wasser auf und schielt hinüber zu dem Rucksack, den unser Besucher mitgebracht hat. Ich richte mich mühsam im Bett auf.

      Und, sagt Joseph und unterdrückt ein schiefes Grinsen, kommt ihr miteinander klar?

      Zu seinen Füßen bildet der schmelzende Schnee eine Lache. Er sieht aus, als säße er auf einem Felsen und schaue in die Ferne. Hinüber zu unserer einsamen Insel.

      Dreiundsechzig

      Im Dorf, beginnt Joseph, meinen manche, dass es noch ein paar Tage schneien wird. Wie sie das an den Wolken ablesen können, weiß ich nicht, aber sie sagen es. Sie sagen auch, dass der Winter lang wird. Aber dafür muss man kein Hellseher sein. Schon jetzt liegt viel Schnee für die Jahreszeit. Selbst mit Schneeschuhen ist der Weg hier rauf beschwerlich. Wisst ihr, mir kommt es vor, als würde sich euer Haus jeden Tag weiter vom Dorf entfernen.

      Beim Sprechen macht er mit den Armen ausladende Bewegungen, wobei die Asche seiner Zigarette von ihm unbemerkt auf den Boden rieselt.

      Diese Woche sind ein paar Jäger aus dem Wald zurückgekommen. Wir hatten gar nicht mehr mit ihnen gerechnet. Alle anderen sind längst zurück. Aber sie haben gewartet, bis das Eis auf den Seen dick und solide genug war, dass sie den Weg abkürzen konnten. Ich verstehe sie gut, sie mussten mehrere zerlegte Elche schleppen. Jetzt sitzen sie im Dorf, pökeln das Fleisch, machen Konserven. Ein schöner Anblick.

      Joseph drückt seine Kippe aus und neigt sich zu mir herüber.

      Von deinen Verwandten haben wir immer noch nichts gehört. Manche im Dorf sagen, ihnen wäre was passiert, und sie würden im Schnee festsitzen. Na ja. Die Leute erzählen alles Mögliche. Vielleicht wollten sie den Winter einfach lieber im Wald verbringen, weit weg vom Dorf und den Problemen, die der Stromausfall bringt. Um die mache ich mir keine Sorgen, die haben schon ganz anderes erlebt.

      Während Matthias uns Kaffee einschenkt, denke ich an die Jagdhütte meiner Onkel. Sie steht an einem Fluss zwischen zwei Bergketten. Ich erinnere mich noch gut an die Stelle, wo das Wasser laut rauschend durch eine grüne Schlucht strömt. Man muss mit dem Kanu übersetzen. Auf der anderen Seite stehen mächtige Lebensbäume, und der Boden ist mit Moos bedeckt. Die Hütte liegt etwas abseits. Man gelangt über einen von Wurzeln überwachsenen Weg dorthin. Sobald das Ofenrohr zwischen den Bäumen auftaucht, ist man da. Die Hütte ist zwar nicht groß, aber es gibt genug Schlafplätze für alle. Gut möglich, dass sie dort überwintern.

      Wisst ihr, erzählt Joseph weiter, wir haben im Dorf mehrere Versammlungen abgehalten. Trotz des Stromausfalls wollte Jude Bürgermeister bleiben. Erst hatten die Leute ihre Zweifel, aber als José sich offen für ihn ausgesprochen hat, konnten sich auch die anderen mit dem Gedanken anfreunden. Schließlich ist es Jude zu verdanken, dass wir einigermaßen zurechtkommen. Er koordiniert, was jeder zu tun hat, verwaltet das Benzin und kümmert sich um die Verteilung der im Supermarkt gelagerten Lebensmittel. Ihr müsst wissen, dass seit dem Stromausfall fast die Hälfte der Leute das Dorf verlassen hat. Sie sind in die Nachbardörfer gegangen, in die Stadt oder in den Wald, was weiß ich … Jude hat recht. Es bringt nichts, wegzugehen. Oder sich übermäßig Sorgen zu machen. Wir müssen die Zähne zusammenbeißen und den Winter überstehen. Schon seltsam, mir kommt es vor, als hätte der Schnee die Gemüter beruhigt. Beim letzten Arbeitseinsatz haben fast alle mitgemacht. Wir haben Brennholz geschlagen. Ach ja, ich bringe euch demnächst welches vorbei.

      Ich verfluche mein Schicksal. Wie gerne hätte ich geholfen und auch ein paar Bäume gefällt. Stattdessen bin ich ans Bett gefesselt, gefangen zwischen meinem Kopf und meinen Schienen.

      Außerdem, berichtet Joseph weiter, behalten wir den Ortseingang im Auge, aber bei dem vielen Schnee wäre es eine große Überraschung, wenn jemand vorbeikäme. Ich bin froh, dass ich keine Wachgänge mehr machen und ständig das Gewehr mit mir herumtragen muss. Unnützes Gewicht, das dumme Ding. Falls wirklich mal was ist, läuten die Kirchenglocken Alarm. Für irgendwas muss sie ja gut sein, die Kirche. Ansonsten hat Jude gesagt, wir sollten die leer stehenden Häuser durchsuchen und alle zurückgelassenen Vorräte zum Supermarkt bringen. In einem Keller haben wir die Ernte eines ganzen Gemüsegartens gefunden, Kartoffeln, Möhren und Rüben.

      Bei diesen Worten greift Joseph zu seinem Rucksack und stellt ihn auf den Tisch. Matthias kommt sofort näher und strahlt beim Anblick der vielen Lebensmittel.

      Irgendjemand hat auch ein altes Funkgerät und mehrere Solarzellen gefunden, sagt Joseph.

      Und, habt ihr schon mit anderen Dörfern Kontakt aufgenommen?, fragt Matthias.

      Nein. Wir haben es ein paarmal versucht, aber niemand kann so richtig mit dem Ding umgehen. Mit den Solarzellen können wir immerhin unsere Akkus aufladen und müssen dafür nicht mehr die Generatoren anwerfen. Ich habe in einem Haus eine Handpumpe gefunden. Wir haben unter dem Schnee einen Schlauch verlegt und können das Wasser jetzt direkt aus dem Fluss pumpen. Außerdem haben wir alle Gasflaschen, Fondue-Brenner, Werkzeuge und Decken eingesammelt. Einige haben auf unseren Touren alles Geld mitgenommen, das ihnen in die Finger kam, als hätten sie dann, wenn der Strom zurück ist, ausgesorgt. Es gab sogar ein paar Prügeleien, und niemand hat sich getraut dazwischenzugehen.

      Hast du Milch dabei?, unterbricht ihn Matthias.

      Nein, die bringe ich beim nächsten Mal. Im Stall sind nur noch zwölf Kühe. Die anderen haben wir geschlachtet und gegessen, wisst ihr. Das Heu hätte sowieso nicht für die ganze Herde bis zum Frühling gereicht. Seitdem ist das mit der Milch schwieriger, wir geben sie vor allem den Kindern. Aber alle, die deinen Käse probiert haben, waren begeistert. Einige Leute im Dorf würden gerne Tauschhandel mit dir betreiben.

      Matthias hebt den Kopf und sieht Joseph ungläubig an.

      Ja, ganz sicher, sagt Joseph, dein Käse ist wirklich gut, sprich mal mit Jacques. Der wohnt im alten Angel- und Jagdgeschäft. Er ist etwas verschroben, aber er bietet am meisten. Auf jeden Fall machen alle mit ihm Geschäfte.

      Matthias wirft ihm einen nachdenklichen Blick zu und sortiert dann weiter sorgfältig das Fleisch, das Gemüse und die Konserven ein. Währenddessen tritt Joseph an mein Bett.

      Ah, ich sehe, dass du wieder zu Kräften kommst, das freut mich. Unten im Ort will mir keiner glauben, dass du dich so gut machst. Da fällt mir ein, ich habe dir was mitgebracht. Vor kurzem war ich mal wieder in der alten Mine. Nach fast fünfzehn Jahren. Als Jugendliche sind wir oft da reingegangen. Weißt du noch? Ich hatte gehört, ein paar Leute hätten sich dort verkrochen. Aber Fehlanzeige, das war nur ein Gerücht. Was soll man da drin auch machen? Außer heimlich rauchen, Fledermäuse mit Eisenkugeln beschießen und Tiere an die Höhlenwände sprayen? Du erinnerst dich doch, oder?

      Joseph greift in die Innentasche seiner Jacke und gibt mir eine kleine Schatulle.

      Sieh mal, die habe ich in der Mine auf dem Boden gefunden.

      Während ich den Deckel aufklappe, merke ich, dass Matthias uns, während er die restlichen Lebensmittel in die Vorratskammer einräumt, aus den Augenwinkeln beobachtet. In der Schatulle liegen eine Schleuder und mehrere Eisenkugeln. Ich nehme die Schleuder heraus, prüfe die Dehnbarkeit des Gummibands, wiege eine Kugel in der Hand und lege sie in das kleine Lederstück in der Gummibandmitte. Dann ziele ich auf verschiedene Gegenstände im Raum, wage aber nicht zu schießen. Joseph grinst.

      Ich wusste, dass dir das Geschenk gefällt. Früher hatten wir so ähnliche. Beim nächsten Mal können wir ja sehen, wer von uns am besten trifft, aber jetzt muss ich los, wenn ich vor Einbruch der Dunkelheit im Dorf sein will. Ach ja, ich soll euch ausrichten, dass Maria in den nächsten Tagen vorbeikommt.

      Während

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