Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift

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Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten - Jonathan Swift

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aufgefangen hätte. Die Amme lärmte, um das Kind zu beruhigen, mit einer Klapper, die aus einem hohlen, mit großen Steinen gefüllten Gefäße bestand und durch ein Tau um den Leib des Kindes festgebunden war; da dies jedoch vergeblich blieb, mußte sie das äußerste Mittel anwenden und das Kind an die Brust legen. Ich gestehe, nie hat mir ein Gegenstand solchen Ekel erregt wie der Anblick dieser ungeheuren Brüste, die ich mit nichts vergleichen kann, um dem neugierigen Leser einen Begriff von ihrer Größe, Form und Farbe zu geben. Sie ragten sechs Fuß hervor und mußten wenigstens sechzehn an Umfang haben. Die Warze war halb so dick wie mein Kopf, und ihre Farbe, so wie die der Brust, so sehr mit Flecken, Finnen und Sommersprossen besät, daß kein Gegenstand ekelhafter aussehen kann; ich sah sie nämlich ganz in der Nähe, da sie sich gesetzt hatte, um das Kind bequemer säugen zu können, während ich auf dem Tische stand. Ich dachte dabei an die schöne Haut der englischen Damen, die uns nur deshalb als so schön erscheinen, weil sie von unserer Größe sind und weil ihre Mängel durch kein Vergrößerungsglas betrachtet werden; gebrauchen wir ein solches, so erscheint die zarteste und schönste Haut rauh und von häßlicher Farbe.

      Wie ich mich erinnere, schien es mir, als ich in Liliput war, die Züge jener Diminutivmenschen seien die schönsten in der Welt. Als ich mich einst mit einem dortigen Gelehrten, einem vertrauten Freunde, darüber unterhielt, sagte mir dieser, mein Gesicht erscheine ihm bei weitem schöner und sanfter, wenn er mich vom Boden aus betrachte, als wenn er mich in größerer Nähe, sobald ich ihn auf meine Hand genommen habe, erblicke; er müsse gestehen, im Anfange sei dies ein sehr unangenehmer Anblick gewesen. In meiner Haut könne er große Löcher sehen, die Stoppeln meiner Barthaare seien zehnmal dicker als die Borsten eines Ebers; meine Haut im Gesicht spiele auf unangenehme Weise in mancherlei Farbe hinüber. Dennoch erlaube ich mir über mich die Bemerkung, daß ich zu den schönsten Männern meines Vaterlandes gehöre und daß mich die Sonne auf allen meinen Reisen nur wenig verbrannt hat. Anderseits, als ich mich über die Damen am Hof des Kaisers mit ihm unterhielt, sagte er mir gewöhnlich, die eine habe Finnen, die andere einen zu breiten Mund, die dritte eine zu große Nase. Ich aber konnte nichts von allem bemerken. Die Erinnerung an diese Dinge liegt, wie ich gestehen muß, auf der Hand; ich konnte es nicht unterlassen, die Bemerkung hier einzuflechten, sonst würde der Leser glauben, jene Riesen seien wirklich häßlich; ich muß hierauf erwidern, daß sie durchaus keinen häßlichen Menschenschlag darstellen; auch schienen mir die Züge meines Herrn, der doch nur ein Pächter war, ebenmäßig und schön gebildet, sobald ich ihn in der Höhe von sechzig Fuß betrachtete.

      Nach dem Essen ging mein Herr wieder zu seinen Arbeitern hinaus, und ich konnte aus seiner Stimme sowie aus seinen Bewegungen schließen, daß er seiner Frau strengen Befehl gab, mich mit Sorgfalt zu behandeln. Ich aber war sehr müde und zum Schlafe geneigt; da nun meine Herrin dies bemerkte, legte sie mich auf ihr eigenes Bett und bedeckte mich mit einem reinen weißen Schnupftuch, das aber größer und dicker war als das Hauptsegel eines Kriegsschiffes.

      Ich schlief ungefähr zwei Stunden und träumte, ich sei zu Hause bei Frau und Kindern. Dies vermehrte natürlich meinen Kummer, als ich erwachte und mich allein in einem ungeheuren Zimmer befand, das an zwei- bis dreihundert Fuß breit, aber noch bei weitem höher war. Das Bett aber, worin ich lag, war an die fünf Ellen breit. Meine Herrin war mit ihren häuslichen Angelegenheiten beschäftigt und hatte mich eingeschlossen. Das Bett war acht Ellen über dem Boden erhöht. Natürliche Bedürfnisse drängten mich nun, herunterzuspringen; auch wagte ich nicht, laut zu rufen. Hätte ich jedoch dies auch getan, so würde es mir bei meiner Stimme zu nichts geholfen haben, denn die Entfernung zwischen dem Zimmer, wo ich lag, und der Küche, wo sich die Familie befand, war zu bedeutend. Währenddessen kletterten zwei Ratten die Bettvorhänge hinauf und liefen schnuppernd auf dem Bette umher. Eine davon kam beinahe dicht an mein Gesicht, worauf ich voll Schrecken aufstand und zu meiner Verteidigung den Degen zog. Diese furchtbaren Tiere hatten die Kühnheit, mich auf beiden Seiten anzugreifen, und eines derselben legte die Vordertatzen auf meinen Rockkragen. Glücklicherweise schlitze ich ihm den Bauch auf, bevor es mir Schaden zufügen konnte; es stürzte zu meinen Füßen nieder. Das andere entfloh, als es das Schicksal seines Gefährten sah, erhielt aber noch im Fliehen von mir eine starke Wunde auf dem Rücken, so daß sein Blut auf den Fußboden tröpfelte. Nach dieser Heldentat ging ich auf dem Bette langsam auf und nieder, um mich von dem Schrecken zu erholen. Diese Tiere waren von der Größe eines starken Bullenbeißers, aber bei weitem behender und wilder; hätte ich meinen Degen, bevor ich schlafen ging, abgeschnallt, so wäre ich unfehlbar von ihnen zerrissen und verschlungen worden. Ich maß hierauf den Schwanz der toten Ratte und fand, daß er zwei Ellen weniger einen Zoll lang war. Es war mir widerwärtig, den Körper aus dem Bette zu ziehen, wo er noch blutend lag; auch bemerkte ich an ihm noch einiges Leben, deshalb tötete ich das Tier vollends durch einen Stich in den Hals.

      Bald darauf kam meine Herrin ins Zimmer; als sie mich voll Blut sah, lief sie herbei und nahm mich auf die Hand. Ich zeigte lächelnd auf die tote Ratte und gab durch andere Zeichen zu verstehen, ich sei nicht verwundet, worüber sie sich außerordentlich freute. Darauf rief sie die Magd herbei, damit diese die tote Ratte mit einer Zange aufnehme und aus dem Fenster werfe. Nachdem sie mich auf den Tisch gesetzt hatte, zeigte ich ihr meinen blutigen Degen, wischte ihn ab und steckte ihn wieder in die Scheide. In dem Augen blick fühlte ich einen heftigen Drang, etwas zu verrichten, was ein anderer statt meiner nicht tun konnte; deshalb gab ich meiner Herrin zu verstehen, ich wünschte auf den Fußboden gesetzt zu werden. Nachdem sie dies getan, erlaubte mir meine Schamhaftigkeit nicht, mich weiter auszudrücken, als daß ich auf die Tür zeigte und mich mehreremal verbeugte. Die gute Frau verstand endlich mit vieler Mühe meinen Wunsch; sie nahm mich auf ihre Hand und brachte mich in den Garten, wo sie mich auf den Boden setzte. Ich ging ungefähr zweihundert Ellen seitwärts, winkte ihr, mir nicht zu folgen oder auf mich hinzusehen, versteckte mich zwischen zwei Sauerampferblättern und entledigte mich dort des natürlichen Bedürfnisses.

      Ich hoffe, der gütige Leser wird mich entschuldigen, daß ich bei diesen und ähnlichen Umständen so lange verweile; diese mögen niedrigen und kleinlichen Seelen als unbedeutend erscheinen, werden aber gewiß manchem Philosophen zur Erweiterung seiner Gedanken und seiner Einbildungskraft verhelfen, damit er sie zum Frommen des öffentlichen und Privatlebens benutze. Dies war nämlich mein einziger Zweck bei der Herausgabe dieser und anderer Reisebeschreibungen, worin ich hauptsächlich die Wahrheit als Ziel vor Augen hatte, ohne irgendeine Ausschmückung durch Gelehrsamkeit oder Stil zu erstreben. Der ganze Eindruck dieser Reise wirkte aber so tief auf meine Seele und ist mir genauso im Gedächtnis geblieben, daß ich keinen einzigen wesentlichen Umstand übergangen habe, als ich die Beschreibung entwarf. Nach einer genaueren Durchsicht habe ich jedoch einige Stellen von geringerer Wichtigkeit gestrichen, die sich in meinem Manuskript befanden, weil ich den Tadel befürchtete, ich sei ein langweiliger Kleinigkeitskrämer, ein Vorwurf, der Reisenden, und vielleicht nicht mit Unrecht, oft gemacht wird.

      Zweites Kapitel

      Die Beschreibung der Tochter des Pächters. Der Verfasser wird auf einen Jahrmarkt und von dort in die Hauptstadt gebracht. Die Begebenheiten auf dieser Reise.

      Meine Herrin hatte eine neunjährige Tochter, ein Kind mit ziemlichen Fähigkeiten für ihr Alter, denn sie wußte bereits sehr geschickt mit der Nadel umzugehen und ihre Puppe zierlich anzukleiden. Die Mutter aber und die Tochter bereiteten mir sehr bequem ein Nachtlager in der Puppenwiege; diese wurde in eine kleine Schublade und die Schublade auf ein freihängendes Brett gestellt, um mich so gegen die Ratten zu schützen. Jene Puppenwiege war mein Bett, solange ich bei dem Pächter blieb, wo mir der Aufenthalt allmählich angenehmer wurde, als ich die Sprache zu lernen begann und somit imstande war, meine Wünsche auszusprechen. Das kleine Mädchen war so geschickt, daß sie mich an- und auskleiden konnte, nachdem ich ein- oder zweimal vor ihren Augen meine Kleider abgelegt hatte, ob ich ihr gleich nie diese Mühe machte, wenn sie zugab, daß ich dies selbst tat. Sie verfertigte mir sieben Hemden und einige andere Wäsche von so feiner Leinwand, wie man bekommen konnte, die aber doch noch rauher als Sacktuch war; diese Wäsche hat sie mir immer mit eigener Hand gewaschen. Ebenfalls war sie meine Lehrerin in der Sprache; wenn ich auf etwas zeigte, nannte sie mir den Namen, so daß ich in

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