Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten. Jonathan Swift

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Inselabenteuer. Von Schatzsuchern und Gestrandeten - Jonathan Swift

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auf seine rechte Hand nahm, herzlich auflachte, mir mit der anderen Hand einen sanften Schlag gab und mir die Frage vorlegte, ob ich Whig oder Thory sei. Dann wandte er sich zu seinem Premierminister, der mit einem weißen Stabe ehrerbietig hinter seinem Stuhle stand (dieser Stab war so lang wie der Hauptmast des englischen Linienschiffes »Royal Sovereign«), und sagte, wie verächtlich doch die Menschengröße sein müsse, da solche Diminutivinsekten wie ich sie nachahmen könnten. Ja, ja, sagte er, diese Geschöpfe haben gewiß ihre besonderen Titel und Rangunterschiede; sie bringen kleine Nester und Kaninchenbaue zustande, die sie Häuser und Städte nennen; sie paradieren mit Kleidern und Equipagen; sie lieben, kämpfen, zanken, betrügen und verraten. In dieser Weise sprach er längere Zeit, während ich voll Unwillen die Farbe wechselte, als ich mein edles Vaterland, so ausgezeichnet durch Künste und Waffen, die Geißel Frankreichs und die Gebieterin Europas, den Sitz der Tugend, Frömmigkeit, Ehre, Wahrheit, den Stolz und den Neid der Welt, so verächtlich behandeln und verlästern hörte. Da ich mich nun aber nicht in der Lage befand, Beleidigungen zu rächen, so begann ich nach reiflicher Überlegung zu begreifen, daß ich überhaupt nicht beleidigt sei. Weil ich nämlich schon mehrere Monate an den Anblick und das Gespräch mit diesen Leuten gewöhnt war und jeden Gegenstand, worauf mein Blick fiel, nach seiner verhältnismäßigen Größe betrachtete, so war der Schauder, den ich zuerst wegen ihrer Größe empfand, so weit verschwunden, daß ich eine Gesellschaft von englischen Lords und Damen in vollem Putz zu sehen glaubte, die auf die feinste Weise ihre Rollen im Sichbrüsten, Verbeugen und Schwatzen spielten. Um die Wahrheit zu reden, ich kam mehreremal in Versuchung, über sie ebenso zu lachen, wie der König nebst seinen Großen über mich spottete. Auch konnte ich es nicht unterlassen, über mich selbst zu lächeln, wenn die Königin mich auf ihrer Hand vor einen Spiegel hielt, so daß unsere beiden Gestalten in voller Größe von diesem wiedergegeben wurden; nichts hätte dann so albern sein können wie ein Vergleich zwischen uns, und es schien mir wirklich, meine Gestalt sei um mehrere Grade zusammengeschrumpft.

      Niemand ärgerte und kränkte mich jemals so sehr wie der Zwerg der Königin. Da dieser nämlich so klein war, wie man bisher noch niemand im Lande gesehen hatte (ich glaube wirklich, daß er nicht höher als dreißig Fuß war), wurde er so unverschämt, als er ein noch unter ihm stehendes Geschöpf erblickte, daß er sich stets zu blähen und großzutun pflegte, sooft er im Vorzimmer an mir vorüberging, während ich auf dem Tische stand und mich mit den Herren und Damen unterhielt. Dann unterdrückte er selten einige spitze Worte über meine Kleinheit. Ich rächte mich an ihm dadurch, daß ich ihn Bruder nannte, ihn zum Ringen herausforderte und ihm Erwiderungen gab, wie sie im Munde der Hofpagen üblich sind. Eines Tages war diese boshafte, junge Katze über etwas, das ich ihm sagte, so verdrießlich, daß er auf die Seitenlehne des Armstuhls Seiner Majestät kletterte, mich um die Mitte meines Leibes packte, als ich, ohne an Arges zu denken, ruhig dasaß, in eine silberne Schale voll Milch hineinwarf und dann so schnell wie möglich fortlief. Ich kam mit dem Kopfe unter die Oberfläche der Milch, und wäre ich kein guter Schwimmer gewesen, so hätte es mir schlimm ergehen können. Glumdalclitch befand sich damals gerade am anderen Ende des Zimmers, und die Königin war so erschrocken, daß es ihr an Geistesgegenwart fehlte, mir zu helfen. Allein meine kleine Wärterin lief herbei, um mich zu retten, und zog mich heraus, nachdem ich ungefähr ein Quart Milch verschluckt hatte. Ich wurde zu Bett gebracht, erlitt jedoch keinen anderen Schaden, als daß mein Anzug vollkommen verdorben war. Der Zwerg wurde tüchtig gepeitscht und mußte außerdem zur Strafe die Milch, in die er mich geworfen, austrinken; auch erhielt er nie wieder die Gunst der Königin, und Ihre Majestät verschenkten ihn bald darauf zu meiner großen Freude an eine Frau von hohem Stande, sonst würde der boshafte Kobold seine Rache sicherlich bis zum Äußersten getrieben haben.

      Schon früher spielte er mir einen Streich, über den die Königin lachen mußte, obgleich sie sich zugleich herzlich darüber ärgerte und ihn auf der Stelle kassiert haben würde, wenn ich nicht so großmütig gewesen wäre, Fürsprache für ihn einzulegen. Ihre Majestät hatten einen Markknochen auf ihren Teller genommen und stellte diesen, nachdem sie ihn vom Marke geleert, wieder aufrecht in die Schüssel, wie er zuerst gestanden hatte. Der Zwerg nun benutzte einen Augenblick, wo Glumdalclitch an den Kredenztisch gegangen war, stieg auf den Schemel, auf dem meine Wärterin, um beim Essen zu bedienen, vorher gestanden, packte mich mit beiden Händen, drückte meine Beine zusammen und quetschte sie in den Markknochen bis über meinen Leib hinein, wo ich dann einige Zeit steckenblieb und eine sehr lächerliche Figur machte. Ich glaubte, man wußte eine ganze Minute lang überhaupt nicht, was aus mir geworden war, denn ich glaubte, es sei unter meiner Würde, laut aufzuschreien. Da aber alle Gerichte nur selten warm auf eine fürstliche Tafel gebracht werden, wurde die Haut meiner Schenkel nicht verbrannt, und nur die Strümpfe und die Beinkleider gerieten in einen schlimmen Zustand. Der Zwerg erhielt auf meine Bitte keine andere Strafe als eine genügende Anzahl derber Peitschenhiebe.

      Die Königin spottete häufig über meine Furchtsamkeit und fragte mich gewöhnlich, ob alle Leute in meinem Vaterland dieselbe Feigheit wie ich besäßen. Die Veranlassung war folgende: Das Königreich wird im Sommer sehr durch Fliegen überschwemmt, und die verhaßten Insekten, von der Größe einer Lerche, gönnten mir durch ihr ewiges Summen an meinen Ohren keinen Augenblick Ruhe; oft setzten sie sich auf meine Nahrung und ließen dort ihren ekelhaften Unrat und ihre Eier zurück, die mir, aber nicht den Eingeborenen des Landes, sichtbar waren, weil diese für kleinere Gegenstände kein scharfes Gesicht besitzen. Bisweilen setzten sie sich mir auf Nase und Stirn und beängstigten mich dadurch bis zum äußersten, denn zugleich stanken sie auch auf höchst ekelhafte Weise; ich konnte sogar jene klebrige Materie genau sehen, die diese Geschöpfe, nach Behauptung unserer Naturforscher, instand setzt, an den Zimmerdecken einherzuspazieren. Die Abwehr dieser verabscheuungswürdigen Tiere kostete mich viel Mühe, und es war mir unmöglich, nicht zurückzufahren, sobald sie auf mein Gesicht zuflogen. Der Zwerg spielte mir gewöhnlich den Streich, daß er eine Anzahl Insekten, wie Schulknaben bei uns, mit der Hand fing und sie dann plötzlich unter meine Nase fliegen ließ, um mich zu erschrecken und die Königin zu amüsieren. Mein Gegenmittel bestand aber darin, daß ich sie, während sie in der Luft flogen, mit meinem Messer zerschnitt, und da ich mir viel Gewandtheit in diesem Verfahren erwarb, habe ich auch zugleich viele Bewunderung damit erregt.

      Wie ich mich erinnere, hatte Glumdalclitch mich einst in der Schachtel vor ein offenes Fenster hingesetzt, was sie an schönen Tagen, damit ich frische Luft schöpfte, zu tun pflegte. Ich wagte es nämlich nie, meine Schachtel an einen Nagel außerhalb des Fensters hinhängen zu lassen, wie dies bei uns in England mit Käfigen gemacht wird. Ich schob eines meiner Fenster in die Höhe und setzte mich an einen Tisch, um ein Stück süßen Kuchen zum Frühstück zu verzehren. Da aber drangen zwanzig Wespen, durch den Geruch herbeigelockt, in das Zimmer und brummten dabei lauter als ebenso viele Maultrommeln oder Dudelsäcke. Einige von ihnen ergriffen meinen Kuchen und trugen ihn stückweise fort, andere flogen mir um Kopf und Gesicht, betäubten mich mit ihrem Geräusch und versetzten mich in die äußerste Furcht vor ihren Stacheln. Ich hatte jedoch den Mut aufzustehen, mich mit dem Messer zu verteidigen und sie in der Luft anzugreifen. Vier wurden von mir getötet, die übrigen flogen fort, und ich schloß mein Zimmer. Diese Insekten waren so groß wie Rebhühner; ich zog die Stacheln aus den Leichen und fand, daß sie anderthalb Zoll lang und so scharf wie Nadeln waren. Ich habe sie sämtlich mit Sorgfalt aufbewahrt, zeigte sie nach meiner Rückkehr mit anderen Merkwürdigkeiten in mehreren Teilen von Europa, schenkte drei Stacheln der Schule von Gresham und behielt den vierten für mich selbst.

      Viertes Kapitel

      Beschreibung des Landes. Ein Vorschlag, neuere Landkarten zu verbessern. Der Palast des Königs und einige Berichte über die Hauptstadt. Des Verfassers Art zu reisen. Beschreibung des Haupttempels.

      Jetzt will ich dem Leser auch eine kurze Beschreibung von Brobdingnag liefern, soweit ich das Land bereist, das heißt nur im Umkreise von zweitausend Meilen im Bereich der Hauptstadt Lorbrulgrud. Die Königin, die ich stets begleitete, ging nämlich niemals weiter, wenn sie mit dem König reiste, und wartete dort, bis Seine Majestät von der Besichtigung der Grenzen zurückgekehrt war. Die Ausdehnung der Besitzungen dieses Fürsten beträgt sechstausend Meilen in der Länge und drei- bis

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