Das Labyrinth erwacht. Rainer Wekwerth

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Das Labyrinth erwacht - Rainer Wekwerth Labyrinth-Trilogie

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– schlängelten sich Bilder entlang, wuchsen aus den Ärmeln seines Hemdes heraus und zogen sich bis über den Schädel. Die Bilder sahen beängstigend aus, abschreckend – und auch faszinierend. Was sie wohl bedeuteten?

      Jeb räusperte sich. »Du hast keine Haare und ehrlich gesagt, siehst du ein wenig merkwürdig aus, mit all den Bildern im Gesicht und auf deinem Schädel.«

      León grinste ihn an. »Das sind Tätowierungen, mein ganzer Körper ist voll davon.«

      Jeb dachte über das neue Wort nach. »Was bedeuten sie?«

      »Ich kann mein Gesicht nicht sehen, wie sieht es denn aus?«

      »Du weißt nicht, wie dein Gesicht aussieht?«, fragte Jeb verblüfft. Erst jetzt bemerkte er, dass er eine genaue Vorstellung davon hatte, wie er selbst aussah.

      »Nein, keine Ahnung.« León wirkte verärgert. Seine Körperhaltung drückte Anspannung aus. Er hatte die Mundwinkel zurückgezogen, die Zähne fest aufeinandergepresst.

      »Hey«, meinte Jeb beschwichtigend. »Cool bleiben. Es gibt keinen Grund, sich aufzuregen. Ich war nur ein wenig überrascht. Jede Information könnte wichtig sein, wenn wir hier überleben wollen.«

      León entspannte sich wieder, aber sein Tonfall blieb hart. »Was quatschst du da, compadre?«

      Jeb ließ sich von León nicht verunsichern und erwiderte ruhig: »Weißt du, wo du bist? Was dich hierher verschlagen hat? Warum du da bist? Weißt du, wie du wieder nach Hause kommst?« Er machte eine kurze Pause, dann sprach er weiter. »Kennst du dein früheres Leben? Die Gefahren, die hier auf dich lauern? Willst…«

      »Ist ja gut«, unterbrach ihn León. »Ich kapiere, was du mir sagen willst. Und die Antwort ist Nein. Nein, ich habe keine Ahnung, wo ich bin oder wie ich hierhergekommen bin. Ich habe auch keine beschissene Vorstellung davon, wer ich eigentlich bin, aber du siehst so aus, als ob du mich darüber aufklären kannst, was das alles hier bedeutet. Also, warum habt ihr mich gesucht?«

      Jeb warf einen Blick zum immer finsterer werdenden Horizont, dann spähte er über die Grasebene hinter ihnen. Im Moment war nichts zu hören, aber das musste nicht bedeuten, dass nicht etwas da draußen auf sie lauerte. Sie mussten weitergehen. Abrupt stand er auf.

      »Das werde ich dir unterwegs erklären.«

      Der tätowierte Junge starrte ihn misstrauisch an.

      »Unterwegs?«, wiederholte er.

      »Ja, wir müssen weiter. Hier sind wir nicht sicher – etwas ist hinter uns her«, setzte Jeb vorsichtig nach. Bei diesen Worten erhob sich auch Jenna.

      León blieb sitzen und blickte sich gelassen um. »Wer jagt uns und warum?«

      Jeb spürte, wie er unruhig wurde. Wie sich die Haut über seinen Wangen spannte. Sie vertrödelten hier kostbare Zeit – wie vorhin schon.

      »Es ist, wie es ist. Du kannst uns glauben oder es lassen, das ist mir scheißegal«, knurrte er und wandte sich um. Angespannt betrachtete er den Horizont. »Wir gehen jetzt weiter, mach, was du willst.«

      »Wie hast du vorhin so schön gesagt? Cool bleiben! Ihr erzählt mir eine Haufen merkwürdiger Dinge und seid dann überrascht, wenn ich nicht gleich alles schlucke und euch brav hinterherlaufe?« León erhob sich geschmeidig, ließ seine Wasserflasche liegen und spuckte neben sich ins Gras. »Mann, ich bin gerade aufgewacht. Splitterfasernackt. An einem Ort, an dem ich noch nie war, und kann mich nicht daran erinnern, wer ich bin. Ja, ich weiß nicht einmal, wie ich aussehe, dann kommt ihr zwei dahermarschiert. Euch kenne ich auch nicht und ihr erzählt mir irgendetwas von einer Verfolgung. – Meinetwegen glaube ich euch. ABER ich habe auch jede Menge Fragen.«

      »Die wir dir unterwegs beantworten. Wir müssen jetzt los und die anderen finden.«

      »Es gibt noch mehr Loser, die es in diese unwirtliche Gegend verschlagen hat?«

      »Ja.«

      »Von wie viel Leuten sprechen wir?«

      »Vier.«

      »Und du weißt, wo sie zu finden sind.«

      »Ja.«

      »Aber du sagst mir nicht, woher du das weißt?«

      Jetzt schaute auch Jenna ihn erwartungsvoll an. In der Ferne zuckten Blitze über den nachtschwarzen Himmel am Horizont. »Uns bleibt nicht mehr viel Zeit«, drängte Jeb.

      »Okay – Jeb. Sieht so aus, als hättest du einen Plan. Ich schnapp mir meinen Rucksack und dann erzählst du mir unterwegs alles ganz in Ruhe.«

      León ging einige Schritte zur Seite, bückte sich, dann fluchte er plötzlich laut.

      »Hijo de puta!«

      Jeb wandte sich um. Der tätowierte Junge durchpflügte mit weit ausholenden Armen das Gras, sein Blick wanderte hektisch über den Boden.

      »Was ist los?« Jenna, die sorgenvoll den Himmel betrachtet hatte, drehte sich um, während Jeb dem tätowierten Jungen gefolgt war.

      Leóns Rucksack war verschwunden.

      4.

      Als er aufgewacht war, hatte er entfernte Rufe gehört, die aber sofort wieder verstummt waren. Nun wusste er nicht, aus welcher Richtung die Stimme gekommen war. War es überhaupt eine Stimme gewesen?

      Die Ebene, die sich vor seinen Augen erstreckte, jagte ihm Angst ein. Schweiß brach auf seiner Stirn aus. Irgendetwas war ganz falsch. Er gehörte nicht hierher.

      Sein Kopf war leer, alles darin wie ausgewischt. Diese Leere nahm ihm den Atem. Hektisch blickte er sich um. Weite, unendliche Weite. Er bekam keine Luft mehr, seine Brust zog sich schmerzhaft zusammen. Panisch rang er nach Atem. Vornübergebeugt kauerte er sich zusammen. Doch sosehr er auch versuchte, sich das Gegenteil einzureden, nichts, gar nichts war in Ordnung. Er war nackt, er wusste nicht, wo er war. Er keuchte mühsam auf, beim Versuch, sich zu erinnern, vergrub er beide Hände in seinen Haaren, die auf der einen Seite kurz geschnitten und auf der anderen Seite schulterlang waren.

      Erschrocken zog er seine Hand zurück. Etwas schimmerte in seinem Augenwinkel, instinktiv griff er danach und hielt eine Haarsträhne in der Hand, sie war blau.

      Und da erinnerte er sich.

      Ich heiße Tian.

      Seinen Namen zu kennen, hatte augenblicklich etwas Tröstendes, war ein Anker in dieser fremden Welt. Erschöpft ließ sich Tian auf die Seite fallen und sog gierig Luft ein.

      Der Wind fuhr durch seine übrigen Haare, sie waren schwarz wie die Nacht, aber diese eine ungefähr zwei Zentimeter breite Strähne glänzte in einem fantastischen Blau. Tian betrachtete sie und wusste, dass sie gefärbt war. Er wollte gerade darüber nachdenken, wieso er das wusste, als der Wind die Rufe erneut herantrug. Dieses Mal konnte er die Richtung ausmachen, aus der sie kamen.

      »Hallo!«, rief er laut. Dann noch einmal. Niemand antwortete.

      »Ist da jemand?«

      Das Gras war hoch. Er konnte niemanden entdecken. Er war sich plötzlich unsicher, ob diese Schreie Hilfe

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