Lennox und die letzten Tage von Riverside: Das Zeitalter des Kometen #15. Jo Zybell

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Lennox und die letzten Tage von Riverside: Das Zeitalter des Kometen #15 - Jo Zybell

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Manhattans. Ein paar behelmte Männer hissten das Sternenbanner. Bauarbeiter und der Präsident. Unter dem Foto ein Wahlspruch der Woche: Es gibt keine Krisen, es gibt nur Herausforderungen.

      »Glaubst du, dass er vorbeifliegt? Oder glaubst du auch, dass er uns trifft?«

      »Ich weiß es nicht. Ich hab weder seine Bahn noch seine Geschwindigkeit berechnet. Ich weiß nur, dass ein paar Leute, die es wissen müssen, von einer hohen Kollisionswahrscheinlichkeit ausgehen.«

      »O Gott, Simon!« Sie bohrte die Stirn in seine Brust. »Das kann doch nicht sein, das kann Gott doch nicht zulassen …« Tränen erstickten ihre Stimme. »Das kann doch nicht der Wille des Herrn sein!«

      Simon besaß genug Taktgefühl, um sich nicht auf eine theologische Diskussion einzulassen. Schon seit Wochen bemerkte er eine Häufung religiöser Wendungen im Sprachschatz seiner Frau.

      »Die ganze Nacht hab ich davon geträumt«, schluchzte sie. »Ich hab Angst; seit wir dieses Lied gehört haben, hab ich solche Angst …«

      Simon nahm ihr Gesicht zwischen seine Hände und küsste ihr die Tränen aus den Augen. »Welches Lied?«

      »Den alten Stones-Song. Gestern. Wir saßen mit Tim im Esszimmer, aßen sein Lieblingsgericht und Marc spielte This could be the last time.« Wieder brach sie in Tränen aus. »Verstehst du, Darling? Tim besuchte uns, wir aßen Truthahn und Rotkohl, und Marc spielte This could be the last time

      Simon nahm ihr die Tasse ab. Eve fiel ihm um den Hals. Ein Heulkrampf schüttelte sie. Sein Blick fiel auf die Titelseite der Zeitung, während er ihren Rücken streichelte.

       Tausende Tote in Rio de Janeiro. Komet wird seinen erdnächsten Punkt vielleicht doch früher erreichen, als bisher erwartet, Kollision immer wahrscheinlicher …

      Der Dreiklang an der Haustür ertönte. Eve machte sich von ihm los. Sie zog ein Taschentuch aus dem Morgenmantel, wischte sich die Tränen aus dem Gesicht und schnäuzte sich. »Ich mach auf.« Sie zupfte den Gürtel des Mantels zurecht, fuhr sich durchs Haar und lief aus der Küche zur Haustür.

      Simon schmunzelte. Auch das war Eve. Sie konnte von einem Augenblick zum anderen umschalten.

      Draußen hörte er die Haustür aufgehen. »Hi, Mom«, sagte die belegte Stimme seines Sohnes. Unwillkürlich wartete Simon auf das für Liz so typische Wunderbar-siehst-du-aus-Mom! und auf das helle Lachen seiner Schwiegertochter.

      Falsch, dachte Simon, meiner ehemaligen Schwiegertochter.

      Statt Liz‘ Lachen hörte er das Schluchzen seiner Frau. »Es tut mir so Leid, Darling, so Leid.« Sie weinte laut.

      Plötzlich sah Simon sie vor dem Altar der Lutherischen Kirche von Riverside sitzen – Liz und Tim. Zehn Jahre war das her. Auch damals hatte Eve geweint. Und Tim hatte gestrahlt wie einer, der den Hauptgewinn gezogen hatte. Und die Einsicht, dass alles nur ein einziges Mal geschieht, wirklich nur ein einziges Mal, ließ Simon frösteln.

      Und der Song ging ihm durch den Kopf.

      Aus seiner Tasse dampfte der Kaffee, draußen im Flur weinten Tim und Eve, auf dem Kalenderfoto hissten Präsident Schwarzenegger und ein paar Bauarbeiter die amerikanische Flagge auf dem neuen World Trade Center, und in seinem Kopf sang Mick Jagger This could be the last time!

      3

       Mojave-Wüste, November 2517

      Die Dämmerung verdrängte die Finsternis aus dem Nachthimmel. Aber nicht die Schatten der Vögel. Die zeichneten sich von Minute zu Minute deutlicher ab. Große Vögel, sehr große Vögel kreisten über dem Kakteenhain. Tim zählte sieben Silhouetten am Morgenhimmel.

      »Geier«, sagte er.

      Er kannte sich mit der Fauna seiner alten Heimat aus. Die Silhouetten dort oben – Flügel, Schweif, Kopf – waren eindeutig die des kalifornischen Kondors. »Verdammt noch mal, es sind Geier!«

      Marrela runzelte die Stirn. »Was sind Geier?«

      »Aasfresser. Sie lauern schwachen und sterbenden Kreaturen auf und vertilgen, was der Tod übrig lässt. Geronnenes Blut, totes Fleisch, Knochen.«

      Marrela schien von solchen Vögeln noch nichts gehört zu haben. Das wunderte Tim nicht: Die einst in Europa vorkommenden Geierarten – Mönchs- und Gänsegeier – waren in den Jahren vor »Alexander-Jonathan« so gut wie ausgestorben. Wie sollten von ihnen Mutationen abstammen, die eine europäische Barbarin hätte kennen können?

      »Sie fressen Kadaver?« Marrelas Stimme klang nicht sehr überzeugt. Sie kauerten zwischen den mehr als mannshohen Kakteen und spähten hinauf zu den Geiern. Schwer zu sagen, wie groß die Vögel waren – Tim und Marrela konnten die Höhe, in der sie flogen, nicht abschätzen. »Zu deiner Zeit vielleicht – aber sagst du nicht selbst immer, alles sei anders geworden?« Sie sah ihn an. Es war inzwischen hell genug, um die Skepsis in ihrer Miene zu erkennen. »Vielleicht sind sie seit Alxanatan ja zu Jägern mutiert?«

      Zu deiner Zeit. Wie das klang – als wäre er ein Relikt einer längst vergangenen Epoche, als dürfte es ihn eigentlich nicht geben. Und beides stimmte auf makabere Weise: Tim gehörte in eine andere Zeit, und dass sein Lebenslauf fünfhundertvier Jahre einfach übersprungen hatte – in Bruchteilen von Sekunden einfach so übersprungen –, das konnte der ehemalige USAF-Pilot nicht einmal sich selbst erklären.

      Manchmal, wenn Tim darüber nachgrübelte, musste er unwillkürlich lachen.

      Vielleicht hätte er auch diesmal zumindest geschmunzelt, aber Marrela hatte noch in anderer Hinsicht Recht: Wer garantierte, dass Geier noch immer Aasfresser waren? Niemand.

      In einer Welt, in der man auf Heuschrecken reiten und Libellenlarven an Spießen braten konnte, niemand.

      »Okay.« Tim zog seinen Driller. »Warten wir, bis die Sonne aufgegangen ist, dann probieren wir es aus.« Er überprüfte das Magazin der Waffe – auch so ein Ding, das es zu seiner Zeit noch nicht gegeben hatte. Er hatte sie einem toten Agenten des Weltrats abgenommen. Noch wenig mehr als zwei Dutzend Kleinkaliber-Explosivgeschosse steckten im Magazin. Er würde sparsam damit umgehen müssen, über ein Ersatzmagazin verfügte er nicht.

      Eine halbe Stunde später etwa war es so hell, dass man die Stacheln in den Furchen der Kakteen sehen konnte. Stacheln so lang wie Unterarme. Ein kräftiger Wind blies von den Bergen im Westen her, feucht und kühl, und das Dornengestrüpp am Hang schüttelte sich. Unablässig zogen die Kondore ihre Kreise hoch über dem Kakteenhain. Träge bewegten sie ihre Schwingen. Es gab keine Thermik, von deren Auftrieb sie sich tragen lassen konnten; natürlich nicht, keine Sonne erwärmte die Luft um diese Zeit.

      Marrela und Tim hatten ihre Sachen in die Felle und Decken gerollt. »Versuchen wir es.« Tim warf sich sein Bündel über die Schulter und stand auf. Den Driller in der Rechten, blickte er zu den Geiern hinauf. Er traute dem Frieden nicht. Marrela schnallte sich die leere Schwerthalterung auf den Rücken. Mit gezogener Klinge ging sie zwischen den Kakteen hindurch. Der blonde Mann aus der anderen Zeit folgte ihr.

      Sie ließen die Greife nicht aus den Augen. Und – Tim registrierte es sofort – sie blieben im Zentrum ihrer Kreise. Die Vögel folgten ihnen also.

      »Sie belauern uns, merkst du es?« Marrela stemmte die Faust in die Hüfte und schulterte

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