Todesstrafe - Der zweite Fall für Schmalenbeck und Paulsen. Brigitte Krächan

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Todesstrafe - Der zweite Fall für Schmalenbeck und Paulsen - Brigitte Krächan

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war ihr klar, dass die Öffentlichkeit den Mord an Wilhelm Tieck und ihre Ermittlungen mit großem Interesse verfolgen würde. Jetzt verstand sie auch, warum Dr. Seidel an dieser Fallbesprechung teilnahm. Er mischte sich immer dann in die Ermittlungsarbeit ein, wenn er eine negative Presse befürchtete. Unter allen Umständen den Ruf der Behörde schützen, stand ganz oben auf der Agenda des Polizeipräsidenten, der jetzt aufstand und sichtlich genervt das Wort ergriff: „2003 hatten wir gerade erst begonnen, eine DNA-Analyse-Datei beim Bundeskriminalamt aufzubauen. Es war damals noch nicht üblich, auch DNA-Analysen in die Ermittlung aufzunehmen. Ich kann verstehen, dass solche spektakulären Fälle, bei denen ein Täter angeblich durch eine DNA-Analyse überführt wird, Eindruck machen. Aber die Herren von der Presse sollten sich auch einmal damit beschäftigen, was der Bundesgerichtshof zum Beweiswert von DNA sagt. Selbst wenn die DNA zum mutmaßlichen Täter passt, ist sie nur ein Indiz, das auf den Täter hinweist, kein Beweis, der den Täter sicher überführt. Außerdem sagt das Strafrecht, man darf grundsätzlich nicht zweimal für die gleiche Tat angeklagt werden. Ne bis in idem. Wenn ein Urteil gesprochen ist, soll man einen Fall nicht immer wieder aufrufen dürfen. Jemand, der freigesprochen wurde, hat das Recht, in Frieden weiter zu leben. Zumal die meisten Freisprüche sicherlich zu Recht erfolgen. “

      „Fiat justitia et pereat mundus“, Sebastian hatte den Satz anscheinend gedankenverloren in die Runde geworfen und erntete von Dr. Seidel einen wohlwollenden Blick.

      „Genau: Gerechtigkeit, die man auf Biegen und Brechen durchsetzen will, verkehrt sich ins Gegenteil.“

      „Streber“, knurrte Paule neben Ulli.

      „Außerdem“, fuhr Dr. Seidel fort, „können wir doch jetzt nicht alle Freisprüche wieder neu aufrollen und untersuchen. Wir haben genug aktuelle Fälle, die aufzuklären sind.“

      „Aber ich könnte wetten, es ist Wilhelms Tiecks DNA, die wir damals beim Opfer gefunden haben“, meldete sich Walter zu Wort.

      „Selbst wenn dem so wäre“, wandte sich Ulli an Walter, „auch ein DNA-Beweis wäre kein eindeutiger Beweis für die Schuld eines Täters. Und in der Praxis besteht wenig Chance, dass man einen irrtümlich freigesprochenen Täter durch Konfrontation mit dem DNA-Beweis zu einem späten Geständnis bewegen kann. Aber ein Geständnis des Täters wäre der einzige Weg, einen falschen Freispruch zu korrigieren.“

      „Na ja“, warf Paule ein, „in gewisser Weise wurde der Freispruch von Wilhelm Tieck ja auf anderem Wege korrigiert.“

      Ulli schaute in die Runde. Schweigen. Niemand schien der Aussage von Paule widersprechen zu wollen. Selbst Sebastian hatte sich auf seinem Stuhl zurückgelehnt, die Arme vor dem Körper verschränkt und verfolgte die Diskussion mit gelassenem Interesse. Dass Sebastian sich zurückhielt, konnte Ulli verstehen. Er war noch neu in der Familie des KK3 und schlau genug, sich nicht zu weit vorzuwagen. Aber das Verhalten der übrigen Kollegen empörte Ulli.

      „Gibt es hier irgendjemanden im Raum, der sich noch daran erinnert, dass Wilhelm Tieck gestern Opfer eines Gewaltverbrechens wurde?“ Ihre Stimme klang wütender, als sie es beabsichtigt hatte. Als Leiterin des Teams sollte sie sich nicht aus der Fassung bringen lassen. Aber dieses stille Einverständnis mit den mutmaßlichen Motiven des Täters, die Tatsache, dass hier niemand der offensichtlichen Billigung von Selbstjustiz entgegentrat, empörte Ulli.

      „Jeder hier weiß, dass wir in einem Mordfall ermitteln“, lenkte Paule ein, „und bisher wissen wir nicht einmal, ob Wilhelm Tiecks Tod mit dem Mord an Karin Kömen vor zehn Jahren im Zusammenhang steht. Jedem fällt es schwer, bei einem Mord wie dem an der kleinen Kömen ruhig und objektiv zu bleiben, besonders, da wir alle das Gefühl hatten, dass wir den offensichtlichen Täter damals mussten laufen lassen. Aber du hast Recht: Auch die Tötung eines Mörders ist Mord.“

      Ulli nickte Paule zu. Sie hatte sich wieder gefasst. „Dann sollten wir jetzt weitermachen. Dirk, du behältst die Presse und die sozialen Medien im Auge, ob da jemand auffällige Bemerkungen zu dem Artikel macht. Schau auch, ob es irgendwelche Opfervereine gibt, die sich besonders für den Fall interessieren. Hat das Handy von Wilhelm Tieck etwas ergeben?“

      „Es sieht nicht so aus, als hätte das Opfer irgendwelche Geheimnisse. Noch nicht einmal einen Sicherheitscode hatte er auf dem Smartphone, auch keine App zu irgendwelchen sozialen Netzwerken. Tieck war wohl HSV-Fan. Hat deren Newsletter abonniert. Es gibt keine privaten Mails. Adressverzeichnis: Fehlanzeige. Er hat keinen einzigen Kontakt gespeichert. Emma wird nachher die Nummern abtelefonieren, um herauszufinden, mit wem er in letzter Zeit Kontakt hatte.“

      „Danke, Dirk. Was wissen wir über die Mordwaffe?“, fragte Ulli jetzt Jana Nielsen von der Spurensicherung.

      „Ein einziger Schuss. Aus einer Pistole mit Schalldämpfer. Projektil und Hülse wurden von uns sichergestellt. Keine Waffe am Tatort. Unsere Ballistik sagt, die Schussspur deute auf eine HK P10 hin. Der Schalldämpfer war mit großer Wahrscheinlichkeit ebenfalls von Heckler & Koch. Diese Waffe ist auf dem Schwarzmarkt eine der meistgehandelten Pistolen. Da kommt eigentlich jeder ran. Wird übrigens auch als Dienstwaffe der Polizei in einigen Bundesländern benutzt, nicht hier in Hamburg, aber im Saarland, in Thüringen und in Sachsen. Wir haben die ballistischen Daten zum KTI nach Wiesbaden weitergeleitet. Vielleicht wurde die Waffe schon einmal benutzt. Aber das wird dauern, bis wir von dort ein Ergebnis bekommen. Ich fahre nachher mit dem Team noch einmal in die Torstraße und nehme Fingerabdrücke im ersten Stock.“

      „Ich komme mit“, meldete sich Kai zu Wort.

      „Heute Morgen waren die meisten schon zur Arbeit. Da wir jetzt die ungefähre Tatzeit kennen, kann ich noch einmal konkret nachfragen, ob jemand in der Nachbarschaft etwas Ungewöhnliches gehört oder gesehen hat. Die Überwachungskameras habe ich schon heute Morgen gecheckt, leider Fehlanzeige. Zu parkenden Autos konnte auch niemand etwas Konkretes sagen. Darauf achtet keiner, zumal es sonniges Wetter war und dort dann immer mal wieder fremde Wagen parken. Gäste, die beim Nachbarn zum Grillen eingeladen sind oder Besucher des jüdischen Friedhofes in Langenfelde. Auch zum Spazierengehen oder Angeln am Ziegelteich kommen die Leute mit dem Wagen. Noch nicht einmal das Auto mit dem Logo des Pizzadienstes ist am Donnerstagabend aufgefallen. Aber einige sagen, in der Woche zuvor sei ein Pressefahrzeug der Hamburger Aktuellen durch die Straße gefahren. Ich denke, die hätten gerne ein Interview von Wilhelm Tieck gehabt, um ihre Jahrestag-Story aufzupeppen. Ich werde bei den Presseleuten nachfragen, ob denen etwas aufgefallen ist. Um die Zusammenarbeit mit der Hamburger Aktuellen kommen wir in dem Fall ohnehin nicht herum.“

      Ulli hörte neben sich Dr. Seidel seufzen. Und dieses Mal konnte sie mit dem Polizeipräsidenten mitfühlen. Niemand im Raum war besonders erfreut darüber, mit dem Revolverblatt in Kontakt zu treten. Ziel dieser Zeitung war es, ihre Auflage zu pushen. Sie schrammte dabei oft gerade so an einer Falschmeldung vorbei, aber das war dieser Art von Journalisten egal.

      „Okay“, Ulli klappte das Notebook zu und schaute in die Runde, „dann treffen wir uns morgen wieder hier. Solange wir kein anderes Motiv haben, werden wir den Fall Karin Kömen vorranging in die Ermittlungen einbeziehen. Paule und ich werden der Familie Kömen einen Besuch abstatten und danach zum Arbeitgeber von Wilhelm Tieck fahren.“

      Ulli wollte gerade das Besprechungszimmer verlassen, als der Polizeipräsident sie zurückhielt: „Ich weiß, Frau von Schmalenbeck, Sie wollen das von mir nicht hören, aber seien Sie vorsichtig mit der Presse. Sicherlich sind die Reporter schon vor Ort, wenn Sie die Eltern von Karin Kömen besuchen. Die Stimmung ist bereits aufgeheizt, und wir sollten darauf achten, dass der Ruf der Hamburger Polizei nicht beschädigt wird. Halten Sie den Kollegen Paulsen nach Möglichkeit vor unbesonnenen Kommentaren zurück.“

      Ulli nickte beiläufig. „Umsichtig und besonnen, wie immer.“

      Ulli war Dr. Seidels angespanntes

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