You for Future. Günther Wessel

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You for Future - Günther Wessel

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Der sagte, dass man, um die Truppen, die in Europa für die Freiheit der Welt kämpften, zu unterstützen, auf vieles verzichten müsse. Nicht nur auf Luxus, sondern auch auf viele kleinere Annehmlichkeiten. Doch das sei kein „Opfer“:

      Die Regierung erhöhte radikal die Steuern, die Preise für Fahrräder, Schuhe, Feuerholz und anderes wurden staatlich festgelegt, Benzin wurde streng reguliert und die Höchstgeschwindigkeit auf 35 Meilen (56 Stundenkilometer auch auf Autobahnen) festgelegt, um Treibstoff und Gummi zu sparen. All das funktionierte, weil man sich einig in der Erreichung eines großen Ziels war.

      Wir sind zwar nicht der Meinung, dass man, wenn man sich gegen den Klimawandel engagiert, nie, nie, nie, nie mehr fliegen, Auto fahren oder Plastiktüten benutzen darf. Wir möchten Leuten nichts verbieten oder ihnen ihr Handeln vorschreiben – es geht darum, die Konsequenzen abzuwägen. Zu verstehen, ob sich das Wochenende auf Mallorca lohnt, wenn man dafür Massen an CO² ausstößt. Vielleicht fliegt man ein erstes Mal und auch ein zweites Mal, vielleicht lernt man dann aber etwas. Wir hätten gern, dass sich die Kosten für die Umweltschäden beispielsweise im Preis eines Flugtickets niederschlagen – also vielleicht mit 180 Euro je Tonne CO², wie Fridays for Future fordert. Das würde den Hin- und Rückflug von Berlin nach Palma de Mallorca um 128 Euro verteuern. Und vielleicht würden viele Menschen dann nicht mehr so gedankenlos durch die Gegend fliegen.

      Die Gedankenlosigkeit ist vielleicht ein Grund, warum viele Menschen den Klimawandel oder Umweltfragen oder andere politische Probleme nicht ernst genug nehmen.

      Oder das, was man mit dem Fachausdruck Kognitive Dissonanz bezeichnet. Die entsteht, wenn zwei Bedürfnisse oder Gewissheiten oder Informationen sich widersprechen. Zum Beispiel: Ich fahre Auto. Das ist schlecht für die Umwelt, und die will ich eigentlich schützen. Gleichzeitig macht mir Autofahren Spaß. Oder: Ich rauche. Ich weiß aber auch, dass Rauchen meiner Gesundheit schadet. Dann entsteht ein Widerspruch, die berühmte Dissonanz. Kognitiv, weil es um das Wissen geht. Schließlich passt das alles nicht zusammen. Und dann muss man irgendetwas tun; entweder muss man sein Verhalten ändern, also mit dem Autofahren oder dem Rauchen aufhören, oder man muss seine Kognition, sein Wissen, anpassen. Sprich, sich sagen: Na ja, vielleicht ist das Autofahren ja doch nicht so schlimm. Oder: Vielleicht schadet mir das Rauchen gar nicht so sehr – ich mache ja Sport.

      Das ist dann eben so eine Rechtfertigung, damit man sein Verhalten nicht ändern muss – also weiter Auto fahren kann. Oder rauchen.

      Weil es auch Mut verlangt, aufzustehen und etwas zu sagen, wenn einen etwas stört. Öffentlich. Das ist eine Herausforderung, denn es wird immer Menschen geben, denen das nicht gefällt. Und die sind nicht immer fair. Sie lachen einen vielleicht aus, stellen einen als ahnungslos und dumm hin oder reagieren mit persönlichen Beschimpfungen.

      Aber diese Herausforderung hat auch Vorteile: Man lernt, Argumente abzuwägen, man lernt, mit Mut für Überzeugungen einzustehen; man gewinnt immer größere Sicherheit – dadurch, dass die eigenen Überzeugungen wachsen und in der Debatte immer wieder überprüft und eventuell bestätigt werden. Eine Sicherheit schließlich, die auch das Vertrauen in die eigene Person stärkt. Dass es richtig ist, was man denkt und wie man handelt und sich das nicht einfach so ergibt. „Wage es, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen.“ Und daraus folgend:

      Es gibt Lehrer und Lehrerinnen, die werfen ihren Schülern vor, dass diese immer alles ausdiskutieren wollen. Nun kann man das einerseits verstehen – manchmal nervt es, wenn man ständig und über alles und jedes diskutieren muss. Aber im Kern finden wir, dass diese Lehrer irgendetwas falsch verstehen:

      Und schaut man auf unsere Gesellschaft, gibt es genug Punkte, an denen man sich einmischen kann und sollte. Es gibt so viele Dinge, die nicht richtig sind, nicht so sind, wie sie sein sollten. Unsere Städte stehen vor dem Verkehrskollaps, und die Autoindustrie manipuliert fröhlich Abgaswerte. Politiker und Politikerinnen leugnen die Klimakrise oder schieben Argumente vor, warum man daran nichts ändern könne, obwohl sie sich in zahlreichen Verträgen genau dazu verpflichtet haben. Die Zerstörung der Tropenwälder geht weiter, damit dort Soja angebaut werden kann, das wir an unsere Masttiere verfüttern. Nur damit das Schweinekotelett oder Rinderfilet jeden Tag dick und breit und billig auf unserem Teller liegen kann. Jeder und jede Deutsche isst durchschnittlich 60 Kilo Fleisch im Jahr (was nebenbei bemerkt doppelt so viel ist, wie es gesund wäre) – alle zahnlosen Babys und Vegetarier und Vegetarierinnen eingerechnet. Es muss da draußen also Menschen geben, die weit über 60 Kilo im Jahr vertilgen. Vor Kurzem begegnete uns ein Mensch, der trug stolz ein schwarzes T-Shirt, auf dem in weißer Schrift stand: „Rinderfilet krümelt nicht“. Was lustig gemeint ist, was wir aber, bedenkt man die sozialen, gesundheitlichen und klimatischen Folgen unseres Fleischkonsums, nur sehr bedingt lustig finden. Wir verseuchen unsere Landschaft und unser Trinkwasser mit Gülle aus der Tiermast und giftigen Spritzmitteln, wir bauen überall gigantische Auslieferungshallen und Gewerbegebiete, voller gleich aussehender Schnellimbisse, Shopping-Malls und Baumärkte.

      Tendenz leider immer noch steigend.

      Und mehr: Unsere Industrien exportieren Waffen in alle Welt, die auf Umwegen auch in Krisengebiete gelangen, von wo dann die Menschen nach Europa zu flüchten versuchen. Nicht wenige ertrinken dabei im Mittelmeer, weil wir uns weigern, sie aufzunehmen, und sie deshalb keine andere Chance sehen, als sich Schleppern auszuliefern, die versprechen, sie für ihr letztes Geld nach Europa zu bringen.

      Oft kann man hören: Das geht uns nichts an, dafür sind wir nicht verantwortlich. Aber ist das wirklich so?

      Von dem australischen Moralphilosophen Peter Singer stammt dieses Gedankenexperiment: Bei einem Spaziergang an einem Teich sehen wir, wie ein Kind dort hineinfällt und zu ertrinken droht. Was machen wir? Ohne nachzudenken, springen wir hinein und versuchen, das Kind zu retten. Eine normale Handlung, selbst wenn wir uns dabei unsere neue Hose ruinieren. Trotzdem handeln wir einfach. Wir denken nicht darüber nach, ob die Hose mehr wert ist als das Kind. Kaum jemand würde sagen, dass er oder sie das nicht täte. Wir sehen die Not und handeln sofort. Nun folgt aber Singers Frage: Was unterscheidet das Kind, das vor unseren Augen zu ertrinken droht, von einem Kind, das irgendwo in Afrika, Asien oder sonst wo in der Welt verhungert? Warum handeln wir in dem einen Moment unmittelbar und bei größerer Entfernung überhaupt nicht? „Aus den Augen, aus dem Sinn“, könnte man sagen, aber das ist allenfalls eine Begründung, kein Argument. Genau wie das, dass man am Teich vielleicht der oder die Einzige ist, der oder die eingreifen kann. Gibt es einen Unterschied, der moralisch relevant ist, warum wir bei dem vor unseren Augen ertrinkenden Kind eingreifen, bei dem verhungernden in Afrika aber nicht? Zumal unsere Welt ja heute zu einem globalen Dorf geschrumpft ist und alle Lebensbeziehungen der Menschen durch die globalisierte Wirtschaftswelt und den globalen Informationsaustausch miteinander verknüpft sind.

      Schwierig? Ja. Aber das heißt nicht, dass man sich diese Frage

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