Cannabis und Cannabinoide. Franjo Grotenhermen
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1.3 Niedergang des westeuropäischen Hanfanbaus
Als im 18. Jahrhundert die Baumwollspinnerei mechanisiert wurde („spinning jenny“), die die Verarbeitung der Baumwollfaser wesentlich erleichterte und preiswerter machte, wurden die heimischen Pflanzenfasern, deren Fasergewinnungsprozess arbeitsaufwendig blieb, mehr und mehr vom Textilmarkt verdrängt.
Im 17. Jahrhundert wurden in Europa etliche 100.000 ha Hanf angebaut. In Konkurrenz zur preiswerteren Baumwolle und dem Niedergang der Segelschifffahrt im 19. Jahrhundert, ging die Anbaufläche kontinuierlich zurück, Aber auch im Jahre 1850 wurden in Frankreich immer noch 130.000 ha und in Italien 140.000 ha Hanf angebaut.
Bis Anfang des 20. Jahrhunderts waren die wichtigsten technischen Anwendungsbereiche der Hanffaser Taue, Seile und Bindfäden sowie das sog. Segeltuch, das als strapazierfähigstes technisches Gewebe eine Vielzahl von Einsatzgebieten aufwies. Aber bereits im 19. Jahrhundert verlor Hanf auch im technischen Bereich an Bedeutung. Zusätzlich zu der Konkurrenz durch Jute, Sisal und Manila geriet der europäische Hanf infolge preisgünstiger Hanffaserimporte aus Russland unter Druck.
Die beschriebenen Entwicklungen führten dazu, dass der deutsche Hanfanbau, der Mitte des 19. Jahrhunderts noch ca. 30.000 ha betragen hatte, bis 1910 mit 600 ha praktisch zum Erliegen kam. Ähnlich verlief die Entwicklung in Frankreich, von 176.000 ha im Jahr 1840 auf knapp 9.000 ha im Jahr 1915. Nur in Italien hielt sich der Hanfanbau bis in die 50er-Jahre auf recht hohem Niveau.
1.4 Wiederentdeckung während der Weltkriege
Während der beiden Weltkriege wurde der Hanf in Deutschland zum Kriegsgewinner. Abgeschnitten von den überseeischen Importfasern besann man sich wieder auf den Hanf und verbesserte Anbau-, Ernte- und Nutzungstechniken. Über die sog. Kotonisierung gelang es, aus den langen Hanffasern einen kurzfaserigen, hochwertigen Baumwollersatz herzustellen. In den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts gab es Überlegungen, die gesamte Baumwolleinfuhr durch kotonisierte Hanffasern zu ersetzen, wozu eine Anbaufläche von etwa 1 Million Hektar notwendig gewesen wäre. Sicher entsprang dieses Szenario vor allem dem deutschen Autarkiebestreben – dennoch zeigt es das Potenzial, welches damals dem Hanf zugesprochen wurde. Heute sind es vor allem ökologische Gesichtspunkte und neue Perspektiven für die europäische Landwirtschaft, die den Hanf zurück auf die Äcker holen.
In den letzten Kriegsjahren des 2. Weltkrieges wurden in Deutschland ca. 21.000 Hektar angebaut, womit etwa 20% des Bedarfs gedeckt wurden. Der Rest wurde vor allem aus Italien importiert. Auf deutschen Baumwollmaschinen wurde gegen Ende des Krieges mehr kotonisierter Hanf als Baumwolle verarbeitet.
1.5 Nach den Weltkriegen – erneuter Rückgang und erstmalig Anbauverbote
Nach dem Krieg war der Hanf in Deutschland schnell wieder vergessen. Die preiswerten Baumwollimporte drängten wieder auf den Bekleidungstextilmarkt und bei den synthetischen Fasern konnte die Chemie- und Kunststoffindustrie entscheidende Fortschritte erzielen. Sie übernahmen vor allem den technischen Textilbereich.
Entsprechend schrumpfte der Hanfanbau in Westdeutschland wie in den meisten anderen westeuropäischen Ländern rasch auf unbedeutende Größe. In der ehemaligen DDR hielt sich der Hanfanbau noch bis Ende der 60er-Jahre. Auch die Hanfforschung kam mehr und mehr zum Erliegen. Allerdings wurden in Westdeutschland in den 50er- und 60er-Jahren noch neue Hanfsorten mit niedrigem Gehalt an Tetrahydrocannabinol (THC) und hoher Faserausbeute gezüchtet, die dann zum Teil in Frankreich weiter gezüchtet wurden und in die französischen Sorten aufgingen.
Viele europäische Länder sprachen in den 80er-Jahren Anbauverbote für Hanf aufgrund seiner Nähe zur Schwesterpflanze Marihuana aus. So auch in Deutschland: Mit der Änderung des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zum 1.1.1982 drohte dem Anbau von Faserhanf in Westdeutschland zunächst das endgültige Aus. Seitdem war der Anbau von Hanf unabhängig von THC-Gehalt und Nutzungsziel untersagt. Ausnahmen durften nur zu wissenschaftlichen Zwecken genehmigt werden oder wenn ein öffentliches Interesse am Anbau vorlag. Bis Anfang 1996 verhinderte diese Gesetzesfassung jeglichen kommerziellen Hanfanbau. Mit den Anbauverboten erlosch auch das Interesse der Agrarforschung an Hanf.
Infolge dieser Entwicklungen brach der europäische Hanfanbau im Jahr 1990 auf etwa 5.000 Hektar in Frankreich zusammen.
1.6 Bei der Wiederentdeckung der nachwachsenden Rohstoffe übersehen
Als in den 80er-Jahren nachwachsende Rohstoffe wie Flachs und Raps als Option für die europäische Agrarwirtschaft und die verarbeitende Industrie neu entdeckt wurden, wurde der Hanf schlichtweg übersehen. Obwohl es schon seit mehreren Jahrzehnten Faserhanfsorten gab, die aufgrund ihrer sehr geringen Mengen des Wirkstoffes THC nicht als Droge missbraucht werden können, wurde Hanf in vielen Ländern unabhängig von seinem THC-Gehalt von der Agrarforschung und -wirtschaft links liegen gelassen und oftmals sogar der Anbau verboten. Lediglich in Frankreich – als einzigem Land in Westeuropa – sowie in Osteuropa wurden die Hanfindustrien weiterbetrieben. Während in Osteuropa bis zum Zusammenbruch der UdSSR und des Warschauer Paktes die Produktion von groben technischen Textilien wie Planen und Uniformen für den russischen Markt dominierte, wurde der Hanf in Westeuropa auf kleinen Anbauflächen zum Lieferanten hochwertiger Spezialzellstoffe vor allem für die Zigarettenpapierindustrie.
1.7 Mittel- und Osteuropa setzen Hanfanbau fort
Im Gegensatz zu den meisten westeuropäischen Ländern war der Hanfanbau in Mittel- und Osteuropa nie eingestellt worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg war hinsichtlich der Anbaufläche die Sowjetunion mit 140.000 Hektar das führende Hanfanbauland. Diese Fläche verringerte sich bis 1990 auf 40.000 Hektar. Auch Rumänien hatte bis in die 80er-Jahre einen bedeutenden Hanfanbau (1989: 46.000 ha) und eine entwickelte Hanfindustrie, vom Faseraufschluss bis hin zu speziellen Spinner- und Webereien. Bedeutend war der Hanfanbau außerdem in Polen, Ungarn und im ehemaligen Gebiet Jugoslawiens. Im wenig bewaldeten Ungarn wurden die als Nebenprodukt des Faseraufschlusses anfallenden Schäben als Holzersatz verwendet und zwar sowohl als Brennstoff als auch in der Möbelindustrie, insbesondere für Leichtbau-Spanplatten.
Mit dem Zusammenbruch des sowjetischen Marktes 1991 gingen die Hanfanbauflächen in den mittel- und osteuropäischen Ländern, die große Teile ihres Hanfes in Form von technischen Textilien in die Sowjetunion exportieren, schlagartig zurück. Die Anbauflächen in Ungarn und Rumänien sanken auf weniger als 1.000 ha.
Wie es der Zufall oder das Glück wollten, begann die weltweite Wiederentdeckung des Hanfes noch bevor die hanfindustriellen Strukturen dieser Länder endgültig zerbrochen waren. Das neue Interesse aus den USA und Westeuropa an Hanfgeweben insbesondere für den Bekleidungstextilbereich konnte wichtige Verarbeitungsstrukturen retten. Rumänien war nach China der wichtigste Lieferant für hochwertige Hanfgewebe. Heute werden in Rumänien Hanffasern für Dämmstoffe und Biokomposite produziert, wie sie vor allem im automobilen Bereich eingesetzt werden.
1.8 Die weltweite Wiedereindeckung des Nutzhanfes
1.8.1 Entwicklungen in Europa
In der Europäischen Union hat der Hanfanbau in den 90er-Jahren eine gewisse Renaissance erfahren. Einer der Auslöser war die „Hanfbibel“ von Jack Herer „Hemp & Marijuana Conspiracy: