Cannabis und Cannabinoide. Franjo Grotenhermen

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Cannabis und Cannabinoide - Franjo Grotenhermen

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nachwachsenden Rohstoff mit unglaublichen Eigenschaften pries, der nur aufgrund der Marihuana-Prohibition übersehen worden war. Das Buch wurde in den 90er-Jahren in viele Sprachen übersetzt. So erschien es z.B. 1993 in Deutschland unter dem Titel „Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf – Cannabis – Marihuana“; die deutsche Ausgabe wurde um einen europäischen und einen wissenschaftlichen Teil ergänzt und löste in Deutschland eine gesellschaftliche und politische Bewegung aus, die schließlich die Anbauverbote für Nutzhanf mit einem THC-Gehalt unter 0,3% (im oberen Drittel der Pflanze) beendete.

      In England und den Niederlanden spielte bei der Wiederentdeckung eher eine Rolle, dass es für Hanfanbau und Faserproduktion (wie auch für Flachs) erhebliche europäische Beihilfen gab, die praktisch nur von französischen Landwirten abgegriffen wurden.

      Nachdem Spanien bereits 1986 wieder den Hanfanbau für die Spezialzellstoffgewinnung aufgenommen hatte, folgten 1993 England, 1994 die Niederlande, 1995 Österreich, 1996 Deutschland, anschließend Finnland, Italien, Portugal und Dänemark. Heute ist der Anbau von Nutzhanf in ganz Europa erlaubt und wird auch in fast allen Ländern praktiziert.

      Nach einem kurzen Hype in den 90er-Jahren stiegen die Anbauflächen auf 20.000 ha und fielen dann im Jahr 2011 wieder auf etwa 8.000 ha. Dann aber ging es erst richtig los. Nach 26.000 ha im Jahr 2015 und 33.000 ha im Jahr 2016 sind die Anbauflächen im Jahr 2017 auf etwa 43.000 ha angestiegen. Die wachsenden Flächen werden vor allem von der Nachfrage im Lebensmittelbereich getrieben. Die gesunden Hanfsamen sind im Mainstream angekommen und sind heute in fast allen europäischen Supermärkten pur, im Müsli, in Schokolade und vielen anderen Produkten zu finden. Hanfsamen können wie Soja zu Drinks und Joghurts verarbeitet werden. Beim Ölpressen bleibt ein proteinhaltiger Presskuchen übrig, aus dem Proteine für Sportler gewonnen werden. Ein Ende der steigenden Nachfrage ist nicht in Sicht (s. Abb. 1).

      Weiterer Aufschwung kam mit der Markteinführung des nicht-psychotropen Cannabinoids Cannabidiol (CBD), das in geringen Dosierungen milde beruhigende und fokussierende Wirkungen hat, in höheren auch medizinische. Es wird aus den Blättern und Blüten des Nutzhanfes gewonnen. Auch hier ist die Nachfrage groß, kann jedoch infolge eines Flickenteppichs nationaler Regelungen nicht ausreichend gedeckt werden. Während in der Schweiz Discounter erfolgreich CBD-Zigaretten verkaufen, ist konzentriertes CBD in anderen EU-Ländern ein verschreibungspflichtiges Medikament.

      Hanffasern werden in großen Mengen zum Leichtbau in der Automobilindustrie (z.B. Türinnenverkleidungen) eingesetzt, in Dämmmaterialien und für dünne, reißfeste Papiere (Zigaretten und Bibelpapiere). Die Schäben, der verholzte Teil des Stängels, werden als Baumaterial und Tierstreu eingesetzt.

      Die weltweit wachsende Hanfindustrie trifft sich jedes Jahr in Köln zur „International Conference of the European Industrial Hemp Association“ (www.eiha-conference.org). Im Jahr 2018 kamen 340 Hanfexperten aus 41 Ländern zu Konferenz, Ausstellung und vor allem Networking. Die „European Industrial Hemp Association“ (www.eiha.org) ist der europäische Industriehanfverband mit Mitgliedern aus allen Bereichen der industriellen Hanfnutzung.

       1.8.2 Entwicklungen außerhalb Europas

      Aber nicht nur in Europa erfreut sich Nutzhanf wieder erheblicher Nachfrage. In Kanada entstand noch vor Europa eine dynamische Hanflebensmittelindustrie mit stetigem Wachstum. Im Jahr 2016 wurden in Kanada 34.000 ha Hanf angebaut und im Jahr 2017 sogar mit 56.000 ha einer neuer Rekord erzielt. Im Jahr 2018 begann der Anbau von Nutzhanf in den USA, wo in den nächsten zehn Jahren zusätzliche 50.000 ha erwartet werden.

      Und auch in China, dem Mutterland des Nutzhanfes, wird Hanf vor allem für die Textilindustrie wieder eingeführt, um die Baumwollproduktion zu entlasten und später vielleicht sogar zu ersetzen. Im Nordosten von China gibt es große Programme, enzymatisch aufgeschlossene Hanffasern in die Textilindustrie einzuführen. Auch die chinesische Automobilindustrie nutzt Hanffasern im Leichtbau. Insgesamt ist die Anbaufläche von 40.000 ha (2016) auf 47.000 ha (2017) angestiegen.

       Nachdem Hanf nach dem Zweiten Weltkrieg und mit der weltweiten Cannabisprohibition als Kulturpflanze fast vollkommen verschwunden war, wurden im Jahr 2018 in Kanada, China und der Europäischen Union insgesamt wieder etwa 150.000 ha angebaut – schon in wenigen Jahrzehnten kann die Millionengrenze erreicht und Hanf wieder zu einer wichtigen Kulturpflanze werden.

      Abb. 1 Hanfanbaufläche in der EU von 1993 bis 2017

       Literatur

      Abel EL (1980) Marihuana, the first twelve thousand years, Plenum Press, New York

      Clarke RC, Merlin MD (2013) Cannabis: Evolution and Ethnobotany, University of California Press, Berkeley – Los Angeles – London 2013

      Herer J, Bröckers, M, Katalyse-Inst. (1993) Die Wiederentdeckung der Nutzpflanze Hanf, Zweitausendeins, Frankfurt/M

      Heuser O (1927) Die Hanfpflanze. In: Herzog O (Hrsg.) Hanf und Hartfasern, Julius Springer, Berlin

      Hingst W, Mackwitz H (1996) Reiz-Wäsche, Campus-Verlag, Frankfurt

      Körber-Grohne U (1988) Nutzpflanzen in Deutschland – Kulturgeschichte und Biologie, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart

      Schultes RE, Hofmann A (1992) Pflanzen der Götter – Die magischen Kräfte der bewusstseinserweiternden Gewächse, AT Verlag, Aarau (Schweiz)

      Sowie www.eiha.org, diverse Informationen, z.B. aktuelle Anbaudaten

       2 Kulturgeschichte der medizinischen Verwendung

      Manfred Fankhauser

       2.1 Spurensuche

      Die Geschichte von Hanf als Medikament ist noch nicht geschrieben. Dazu passend das Zitat von Behr:

       „Die Geschichte [des Hanfes] ist eine unendlich lange Treppenflucht, deren untere Etagen aus deprimierend wenig gesicherten Tatsachen und umso mehr Vermutungen bestehen.“ (Behr 1992)

      Das erste schriftliche Dokument zur medizinischen Verwendung von Cannabis stammt aus China. Dem mythischen Kaiser und zugleich einem der Väter der chinesischen Medizin, Shen-Nung, wird dieses, um 2700 v. Chr. erschienene Grundwerk der Medikamentenkunde zugeschrieben (Haenel 1970).

      Von China scheint die Pflanze um 800 v. Chr. nach Indien gelangt zu sein (Dreyfus 1973). Es gilt als sicher, dass der Hanf schon zu vedischer Zeit als Heilmittel verwendet wurde. Die in Persien entstandene heilige Schrift der Perser, die Avesta, wurde vermutlich im 6. Jahrhundert v. Chr. durch Zarathustra geschrieben. Bereits dort wird auf die betäubende Wirkung des Hanfs hingewiesen. Die Perser kannten auch ein Abortivum mit Namen „Bhanga“, was auf Cannabis hindeutet (Tschirch 1910).

      In Ägypten ist die Präsenz von Cannabis seit zirka 1500 vor Christus belegt (Manniche 1989). Es finden sich jedoch Hinweise auf die Pflanze in 1.000 Jahre älteren Papyri. Auch das 1872 entdeckte,

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