Fürchte die Dunkelheit. Peter Gerdes

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Fürchte die Dunkelheit - Peter Gerdes

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dass er in diesem glutheißen Sommer an seinem Schreibtisch schwitzte wie ein Schweinebraten und seine feuchten Hände den Telefonhörer kaum halten konnten. An eine Klimaanlage war natürlich nicht zu denken, nicht bei dieser allgemeinen Finanzlage; sein entsprechender Antrag hatte nichts als Heiterkeit zur Folge gehabt. Nicht einmal vernünftige Jalousien waren drin. So erinnerte sein Arbeitsplatz mit jedem Tag mehr an einen defekten Backofen, in dem nichts aufging und garte, schon gar kein guter Gedanke, sondern alles nur verkrustete und verkohlte. Alles in allem ein massiver Standortnachteil.

      Einerseits.

      Andererseits lag sein Zimmer seit kurzem Wand an Wand mit dem von KK Rosenbohm. Seit neun Tagen, um genau zu sein. Und das ließ er durchaus als Vorteil gelten.

      Die Luft in seinem Büro roch noch schlimmer als die im Flur, abgestanden und staubgesättigt, obwohl er gestern Abend noch gelüftet hatte; die Wärme des vergangenen Tages hatte sich nicht vollständig vertreiben lassen, hockte hartnäckig in den Ecken und schien entschlossen, für nachrückende Hitzeeinheiten einen Brückenkopf zu bilden. Jeden Nachmittag wurde es auf diese Art ein Grad heißer im Zimmer als tags zuvor – gefühlt sogar zwei.

      Stahnke riss die Fenster auf und fragte sich, wie lange er das noch ertragen konnte. Solche Sommer hatte man eigentlich nicht in Ostfriesland. Zwei, drei heiße Tage waren in Ordnung, aber dann war’s damit auch gut, Zeit für den üblichen Landregen. Nicht so dieses Jahr. Irgendetwas war da aus den Fugen. Die Ozonschicht? Das globale Klima? Auf jeden Fall Stahnkes Weltbild.

      Kaffeeduft und ein leises Räuspern von jenseits der Verbindungstür signalisierten, dass Kramer bereits an seinem Schreibtisch saß. Offenbar war es nicht möglich, so früh zur Arbeit zu erscheinen, dass Kramer nicht schon an Ort und Stelle gewesen wäre. Früher hatte Stahnke seinen Assistenten für einen notorischen Streber gehalten. Kramer aber war kein Karrierist, sein Fleiß hatte andere Gründe. Welche? Gute Frage. Vermutlich konnte er einfach nicht anders.

      »Moin«, rief Stahnke in Richtung Verbindungstür.

      »Morgen, Chef«, klang es gedämpft zurück.

      »Was gibt’s Neues?«

      Kramer trat ins Zimmer, eine mittelgroße, schmale Gestalt um die vierzig mit hagerem Gesicht und stoischer Miene. In seinem hellblauen, kurzärmeligen Hemd sah er ungewohnt leger aus. Messerscharfe Bügelfalten kämpften energisch gegen diesen Eindruck an. »Eine junge Frau wurde niedergestochen«, sagte er. »So gegen zwei Uhr letzte Nacht, auf dem Parkplatz vor dem Zollhaus. Sie war bewusstlos, als sie aufgefunden wurde.« Kramer blickte von seinen Notizen hoch und hob die Augenbrauen: »Es gab einen telefonischen Hinweis. Anonym.«

      »Mann oder Frau?«, fragte Stahnke.

      »Frau, der Stimme nach eine sehr junge, meint der Kollege von der Nachtschicht. Anruf vermutlich über Handy, die Nummer war aber unterdrückt.« Kramer blätterte weiter: »Beim Opfer mäßiger Blutverlust, Verdacht auf innere Verletzungen. Keinerlei Hinweise auf sexuellen Missbrauch. Eingewiesen ins Borromäus-Hospital.« Er klappte seinen Notizblock zu und verschränkte die Arme. »Das war’s.«

      Stahnke fuhr sich mit beiden Händen durch die stoppelkurzen weißblonden Haare. Das hörte sich nach unklarer Kompetenzlage an. Körperverletzung oder Mordversuch? Körperverletzung war Sache des 2. Fachkommissariats, ebenso wie Eigentumsdelikte, Sachbeschädigung und vieles andere. Für Sexualdelikte und Mord waren er und seine Kollegen vom 1. FK zuständig, aber beides lag hier eindeutig nicht vor. Versuchter Mord, nun ja, vielleicht. Stahnke entschloss sich, Kramers Entscheidung, in dieser Angelegenheit zu ermitteln, fürs Erste zu akzeptieren.

      »Vernommen wurde sie noch nicht?«

      Kramer schüttelte den Kopf: »War nicht möglich. Im Krankenhaus sei sie zwar vorübergehend zur Besinnung gekommen, habe aber einen verwirrten Eindruck gemacht, heißt es.«

      »Und sonst? Spuren?«

      »Die Tatortuntersuchung hat bisher nichts ergeben«, sagte Kramer. »Aber wir haben die Tatwaffe. Ein Klappmesser. Ist im Labor.«

      »Na, das ist doch was.« Stahnke rieb sich das rundliche Kinn. Der Tatort ließ alle möglichen Spekulationen zu. Das alte Leeraner Zollhaus wurde größtenteils als Veranstaltungszentrum genutzt, getragen von einem Verein mit hohem kulturellen Anspruch, der aus finanziellen Erwägungen aber überwiegend Abtanzfeten und -konzerte veranstaltete. Das Gebäude lag unmittelbar am Bahnhof, sein Parkplatz grenzte an den der Hauptpost, und an der vorbei ging es direkt in die Fußgängerzone. Punker, Nachtschwärmer, Bahnhofspenner, Neonazis – hier war in warmen Nächten alles und jeder unterwegs. Wenn es keine Beziehung zwischen Opfer und Täter gab oder wenigstens eine exakte Beschreibung, konnte es schwierig werden. Da war eine Tatwaffe, möglichst mit Fingerabdrücken, schon sehr hilfreich.

      »Ist das Opfer denn beraubt worden?«

      »Ihre Handtasche hatte sie noch«, sagte Kramer. »Papiere, Geldbörse, Scheckkarte, alles noch drin. Vermutlich also nicht beraubt. Genau wissen wir das aber erst, wenn wir sie befragen können.«

      »Klar.« Natürlich war sie nicht beraubt worden. Aber Kramer gab sich selbstverständlich niemals mit neunundneunzig Prozent Wahrscheinlichkeit zufrieden. »Wie heißt sie denn?«

      »Haak. Marion Haak.«

      Nebenan klappte eine Tür; ein Fenster wurde aufgerissen. KK Rosenbohm war zum Dienst erschienen. Stahnke blickte auf seine Armbanduhr: kurz vor acht. Akzeptabel, wenn auch nicht gerade übermäßig beflissen.

      »Und wann etwa wird sie vernehmungsfähig sein?«

      Nebenan wurde gesungen. Einen Augenblick lang lauschten die beiden Männer schweigend. »Get the Party started« drang durch die offenen Fenster herüber, so laut und deutlich, als würde der Song im selben Raum geschmettert. Stahnke, dem es noch nie in den Sinn gekommen war, den Dienstbeginn bei der Leeraner Kripo mit dem Anfang einer Party zu vergleichen, kannte den dazugehörigen Clip aus dem Fernsehen. Die Sängerin hieß Pink: wild, stark, verletzlich. Und ziemlich sexy. Schnell wandte er sich und seine Gedanken wieder Kramer zu: »Nun?«

      »Vielleicht kann sie schon heute Vormittag vernommen werden«, mutmaßte Kramer. »Eventuell könnte das ja …«

      Die Tür zum Korridor flog auf. »Morgen allerseits!« Kriminalkommissarin Rosenbohm betrat das Büro nicht, sie stürmte es. Inzwischen genoss Stahnke diese Auftritte, die ihn anfangs erschreckt hatten. Frauen wie Maike Rosenbohm fand er überhaupt beängstigend. Na ja, mit den Jahren war er etwas stabiler geworden, nicht nur äußerlich, inzwischen verschüttete er nicht mehr seinen Kaffee vor Nervosität, sobald der Sicherheitsabstand zwischen ihm und einer starken Frau unterschritten war. Früher aber – ach, das war eben früher.

      War das nun ein Top oder ein T-Shirt, was die neue Kollegin da trug? Richtig bauchfrei war das Ding nicht, aber bei jeder Bewegung blitzte braune, straffe Haut. Kein Wunder bei diesen tief auf Hüfte geschnallten Jeans. Nicht ganz so tief wie bei Pink, sicher, deren Beinkleider zumeist nur bis knapp über den Schamhügel reichten, aber doch ziemlich tief. Gewagt. Oberrat Manninga hatte bei der Begrüßung der neuen Kollegin die Stirn gerunzelt, mehrmals sogar, Maike Rosenbohm aber hatte das Unübersehbare strahlend übersehen. Dreist, dachte Stahnke. Wild. Und ganz schön …

      »Schon fleißig?« Maike Rosenbohm stemmte die Arme in die Hüften. »Was gibt’s denn?« Sie war auf den Zentimeter genau so groß wie Kramer, einssechsundsiebzig, wirkte mit ihren steil gegelten braunen Haaren aber größer. Stahnke fühlte sich an eine Sportlerin erinnert, ohne sagen zu können, an welche. Was für eine Disziplin mochte ihr liegen? Für eine Turnerin war sie viel zu groß, Fußball schied

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