Fürchte die Dunkelheit. Peter Gerdes

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Fürchte die Dunkelheit - Peter Gerdes

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den Hinterkopf wegsprengte, dann hatte er die Solidarität verwirkt, dann ließ man ihn fallen wie eine heiße Kartoffel. So wie jetzt Esdert Frerichs, offenbar.

      »Und er soll noch weitere Waffen besessen haben«, fuhr Manninga fort.

      Stahnke runzelte die Stirn. »Laut Waffenbesitzkarte hatte er zwei Jagdgewehre«, sagte er. »Die Tatwaffe, eine Schrotflinte, und einen Zwilling. Beide haben wir sichergestellt. Von weiteren Waffen steht nichts im Bericht.« Kramer war vor Ort gewesen, und Stahnke hatte keine Veranlassung, an dessen Akribie zu zweifeln.

      »Frerichs ist nicht nur Jäger, sondern auch Mitglied im Schützenverein«, warf Kramer ein. »Vielleicht bewahrt er seine Sportwaffen im Schützenhaus auf.« Stahnke zuckte bei diesen Worten zusammen; wieder einmal war es seinem Kollegen gelungen, seine Anwesenheit aus dem Bewusstsein seiner Vorgesetzten zu tilgen. Diesen Mann konnte man sehen, ohne ihn wahrzunehmen. Der Teufel mochte wissen, wie er das machte.

      Manninga schüttelte den Kopf. »Auch solche Waffen müss­ten auf Frerichs’ Waffenbesitzkarte vermerkt sein. Außerdem geht es hier nicht um Sportpistolen oder Kleinkaliberwaffen. Die Rede ist von Schnellfeuergewehren. Armeewaffen. Kriegsgerät.«

      Stahnke pfiff leise durch die Zähne. »Ach. Und wozu? Ich meine, was hat er damit gemacht? Oder machen wollen?«

      »Keine Ahnung«, sagte Manninga. »Mehr wusste mein Informant nicht. Oder vielleicht wollte er auch nicht mehr sagen, wer weiß. Eben nur, dass Frerichs notorisch gewalttätig ist und dass er über gefährliche Waffen verfügt.«

      »Wenn er auch noch Moslem ist und einen Bart trägt, dann ist er jetzt reif für ein Flächenbombardement«, sagte Stahnke. »Anruf bei George W. Bush genügt, und wir sind den Fall los.«

      Manninga zeigte nur ein freudloses Grinsen. »Einen Anlass für Witze kann ich hier nicht erkennen«, sagte er. »Nicht einmal für schlechte.«

      Abermals flog die Tür zum Flur ohne vorwarnendes Anklopfen auf. »Moin, Herr Manninga.« Wie immer zog Maike Rosenbohm alle Blicke auf sich, ihr Strahlen aber verfehlte diesmal seine gewöhnlich ansteckende Wirkung. Sie wandte sich Stahnke zu: »Frau Haak ist wieder wach, macht aber immer noch einen ziemlich verstörten Eindruck, sagt das Krankenhaus. Sollen wir trotzdem?«

      »Sollen wir was?« Stahnke tat sich schwer mit dem Umschalten. »Ach ja, die junge Frau.«

      »Genau, Marion Haak, siebenundzwanzig Jahre alt, zahntechnische Laborantin, wohnt hier in Leer. Ordnungsgemäß gemeldet, sauberes Führungszeugnis.« KK Rosenbohm hatte ihre Hausaufgaben gemacht, sehr ordentlich, wie nicht anders zu erwarten.

      »Nein«, entschied Stahnke. »Das machen wir später, lassen wir Frau Haak noch etwas ausruhen. Kramer, wir beide fahren raus nach Veenhusen, und Sie, Frau Rosenbohm, kümmern sich inzwischen um den toten Alki. Der Name muss doch rauszukriegen sein.«

      »Ist gut«, sagte die Kommissarin. Kramer nickte nur. Manninga und Stahnke erhoben sich.

      3.

      Wie ist es nur möglich, überlegte Stahnke, während er den Plattenweg abschritt, der rund um das Haus der Familie Frerichs führte. Da wohnt einer auf dem Land, nicht einmal im Dorf, sondern auch noch ganz am Rand, mitten in der Einöde, und was ist? Mehr Lärm als in der Großstadt. Während der wenigen Minuten seines Aufenthalts waren schon drei Sandlaster mit Hänger die Betonstraße entlanggerumpelt, die dicht an Frerichs’ Haus vorbei zu den Kiesgruben führte, zwei Züge waren auf der Strecke jenseits der benachbarten Felder unüberhörbar vorbeigerauscht, der eine Richtung Emden, der andere nach Leer, und jetzt dröhnte auch noch ein Propellerflugzeug über ihn hinweg, offenbar im Anflug auf den Flugplatz Nüttermoor. Vom beständigen, gleichförmigen Donnern des Verkehrs auf der Bundesstraße, hin und wieder zersägt vom Kreischen eines Zweitaktmotorrads, ganz zu schweigen. Was hier wohl erst im Herbst los war, zur Mäh- und Erntezeit? Schwärme von Fliegen ließen vermuten, dass auf den Feldern, an die das Grundstück grenzte, mit Gülle nicht gespart wurde. Oh nein, dachte Stahnke, dann schon lieber die Leeraner Altstadt mit all ihren lauten Festen, knatternden Teenie-Rollern und grölenden Betrunkenen.

      Wie wohl das Ehepaar Frerichs, beide Ende vierzig und kinderlos, hier draußen seine Abende verbracht hatte? Gemeinsam saufend vor dem Fernseher? Eher nicht, schließlich wurden beide in mehreren Vereinen als Mitglieder geführt, nicht nur bei den Jägern und Schützen. Das hieß dann wohl öffentliches Trinken in trauter Gemeinschaft.

      »Wo hat sie denn gelegen?«, fragte Stahnke, als er die Umrundung des Hauses abgeschlossen hatte und wieder an der großen überdachten Terrasse angekommen war.

      »Dort«, sagte Kramer und zeigte auf eine schmale Tür, die offenbar in die Küche führte. »Sie muss von hier gekommen sein, denn an ihren Arbeitsschuhen war Gartenerde, im ganzen Haus aber nicht. Sie war wohl bei der Gartenarbeit und wollte schnell einen Schluck Tee trinken.«

      »Worüber ihr Mann so erzürnt war, dass er sie unverzüglich erschoss«, ergänzte Stahnke. »Kramer, Kramer, wohin soll das noch führen mit Ihren vorschnellen Schlüssen.« Aus den Augenwinkeln heraus versuchte er auszumachen, ob seine Ironie Wirkung zeigte.

      Der Oberkommissar reagierte nicht.

      Wenn er jetzt doch lachen würde, dachte Stahnke. Oder sich verteidigen oder mich wüst beschimpfen, denn wenn hier einer zu vorschnellen Schlüssen neigt, dann ist das ganz gewiss nicht er. Aber nein, er sagt gar nichts, und jetzt stehe ich wieder da mit meiner blöden Bemerkung und meinem schlechten Gewissen. Warum macht er das bloß immer mit mir? Und warum kann ich denn nicht endlich mal die Schnauze halten, wenn mir so etwas in den Sinn kommt? Einen besseren Kollegen als Kramer könnte ich mir nicht wünschen, ein loyaleren auch nicht. Mehr als einmal hätte er mich schon in die Pfanne hauen können. Dann säße er vielleicht schon auf meinem Pos­ten. Also warum zum Teufel muss ich ihn andauernd pieken?

      Maike Rosenbohm fiel ihm ein. Die hätte ihm Contra gegeben. So eine lässt sich nichts gefallen. Astreine Polizistin. Tolle Frau. Die würde ihren Weg machen.

      Und wohin würde der sie führen? Zügig zum Hauptkommissar? Und auf seinen Posten?

      Na, und wenn schon. Bis dahin war er sowieso schon pensioniert.

      »Wo hat sie denn gegärtnert, die Frau Frerichs?«, fragte er. Suchend blickte er sich um; der Garten war groß, selbst für ländliche Verhältnisse, und durch mehrere hohe Hecken unterteilt. Vermutlich des Windes wegen, der hier ziemlich heftig übers platte Land wehte. Recht unübersichtliche Gartenanlage, fast schon ein grünes Labyrinth.

      »Es gibt mehrere Stellen, an denen kürzlich gegraben wurde. Dort hinten unter den Rosenbüschen, rund um das Stallgebäude und dann noch vorne zwischen Rasen und Entwässerungsgraben.« Ja, das war Kramer: Korrekt, gründlich, unerschüttert. Tröstlich. Und zum Verzweifeln.

      Den Stall mit seinen Klinkermauern und dem Satteldach hatte Stahnke erst für ein Nachbarhaus gehalten. Innen waren noch Schweinekoben und Rinderboxen erkennbar, Nutztiere aber wurden hier offensichtlich schon lange nicht mehr gehalten. Alles war sauber gestrichen, und an den Wänden waren Gartengeräte, Holzstapel, Plastikplanen und verschiedene Werkzeuge ordentlich aufgereiht. Frerichs arbeitete seit Jahren im Emder Volkswagenwerk, so wie viele andere Männer auch, die früher in der Landwirtschaft tätig gewesen waren.

      Einige der Gartengeräte wiesen noch Spuren anhaftender Erde auf. Der Boden hier schien schwer zu sein, offenbar lehmhaltige Kleierde, obwohl Leer doch auf einem sandigen Geestrücken lag. Entweder verlief hier irgendwo die Grenze zum Marschland, oder aber der Kleiboden war nachträglich aufgebracht worden. Die meisten Erdspuren

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