Fürchte die Dunkelheit. Peter Gerdes

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Fürchte die Dunkelheit - Peter Gerdes

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Olthoff nickte mehrmals und verschränkte die sonnenverbrannten Arme.

      »Waren Sie denn vorher miteinander befreundet?«

      »Nein, eigentlich auch nicht. Mal eben ›Moin‹ und ›Wie geht’s?‹ übern Zaun, mehr nicht. Hat sich nie ergeben. Sie, also Margarethe Frerichs, hat ja fast nie ein Wort gesagt. Und er – na, Sie haben ihn ja sicher kennen gelernt.«

      »Ich möchte es lieber von Ihnen hören«, sagte Stahnke, der sich fühlte wie früher in der Schule. Wieder einmal keine Hausaufgaben gemacht; jetzt nur keine Blöße geben.

      Olthoff schien seine Unterarme noch fester um seinen Oberkörper zu knoten. »Er ist so – abweisend, nicht? Wie er einen anguckt. Ich hab immer eine Gänsehaut gekriegt, wenn ich mehr als zwei Sätze mit ihm gesprochen habe. Weiß auch nicht warum, aber Frerichs kann einem Angst machen. Das heißt, inzwischen weiß man ja doch warum, nicht?«

      Stahnke ging nicht darauf ein. »Ging das nur Ihnen so, oder haben das andere Menschen auch so empfunden? Hatte das Ehepaar Frerichs insgesamt wenig Kontakte, waren die beiden isoliert?«

      Olthoffs Gesicht formte sich zu einem Fragezeichen – Wölbungen über Stirn und Wange, der kleine offene Mund als Punkt. Zu abstrakt gefragt, entschied Stahnke und setzte neu an: »Waren die Frerichs’ viel unter sich oder bekamen sie öfter Besuch?«

      »Besuch!« Jetzt nickte Olthoff wieder. »Oh ja, andauernd. Und immer hier über meine Einfahrt. Einfach immer volle Pulle über meinen Grund und Boden. Ich habe ja keine Kinder, nicht wahr, und einen Hund hab ich auch nicht, aber wenn, da wäre ja keiner seines Lebens sicher gewesen! Und der Frerichs selber auch, immer mit Karacho rein und drüber, ohne eine Spur von Rücksicht, lebensgefährlich!«

      »Haben Sie das auch vor Gericht ausgesagt?«

      »Ganz genau so, Wort für Wort.«

      Stahnke hätte drauf wetten können.

      »Und der Besuch, das waren ja nicht nur die Leute hier vom Dorf, Vereinskameraden und so«, fuhr Olthoff fort. »Da waren auch viele Fremde dabei. Welche von weiter weg.«

      »Von woher denn?«

      »Na, Oldenburg zum Beispiel. Konnte man ja an den Nummernschildern sehen.«

      Stahnke musste sich das Lachen verbeißen. Oldenburg! Das waren fünfundsechzig, na, von hier aus vielleicht gut siebzig Kilometer. Ach ja, die Dörfler und die Fremden. Natürlich hatten sie nichts gegen Fremde, außer die Fremden waren nicht von hier.

      Die Miene des Dicken verfinsterte sich; anscheinend hatte er feinere Antennen als vermutet. Schnell schob Stahnke nach: »Aus Oldenburg also, aha. Und woher noch?«

      »Aus Holland«, sagte Olthoff. »Gelbe Nummernschilder. Nicht so oft wie die Oldenburger, aber immer mal wieder.«

      Die Niederlande lagen von hier aus noch weit näher als Oldenburg, aber gut, Ausland waren sie auf jeden Fall. Die Waffengeschichte fiel Stahnke wieder ein. »Haben Sie denn bemerkt, ob da irgendetwas geliefert wurde? Oder abgeholt? Ein- und ausgeladen?«

      »Leider nein. Frerichs hat einen Parkplatz, ein gepflastertes Gelände hinter der Garage, da kann ich von hier aus nicht hingucken. Auf den Vordereingang habe ich freie Sicht, voraus­gesetzt, die Hecke ist richtig geschnitten, nicht wahr, aber der Hintereingang und die Stalltür sind verdeckt. Bedaure.«

      Spitzel, dein Name ist Nachbar, dachte Stahnke. Diesmal brauchte er sich kein Lachen zu verkneifen.

      »Das Einzige, was ich habe, sind die Nummern«, sagte Olthoff.

      »Nummern?«

      »Die Autonummern. Ich hab sie aufgeschrieben. Ein Vierteljahr lang, damals vor der Verhandlung. Hat mir mein Rechtsanwalt empfohlen.« Olthoff machte eine wegwerfende Handbewegung: »Kam dann aber überhaupt nicht dran.«

      »Und Sie haben die Aufzeichnungen noch?«

      »Na klar«, sagte Olthoff stolz, »ich werf doch nichts weg. Wollen Sie sie haben?«

      »Ich bitte darum«, sagte Stahnke.

      Auf Olthoffs vor Wichtigkeit strahlendes Gesicht fiel ein Schatten: Kramer.

      »Was gibt es?«, fragte Stahnke.

      »Nummer vier«, sagte Kramer.

      6.

      »Knochen«, dozierte Doktor Mergner, »sind keineswegs stumme Zeugen. Sie können uns viel erzählen. Hören Sie doch bitte einmal aufmerksam zu.« Der kleine Mann mit der wirren Mähne und den flaschenbodendicken Brillengläsern wedelte mit zwei Knochen, dem Aussehen nach vom Unter- und Oberarm, schwang sie elegant wie ein Dirigent beim Auftakt und schlug sie leicht gegeneinander. Es klang hölzern, fast melodisch. »Hören Sie?« Er wiederholte den Vorgang, ein leicht verklärtes Lächeln im Gesicht. Klong. »Die Knochen sind weitgehend frei von Fett und Feuchtigkeit. Das lässt auf eine Liegedauer von zwanzig Jahren oder mehr schließen. Wäre dies nicht der Fall …«

      »Es ist gut, Herr Doktor«, unterbrach Manninga. »Kommen Sie bitte gleich zu den Resultaten.«

      Der Kriminaldirektor hatte sich seines Jacketts entledigt und die Ärmel seines weißen Oberhemds aufgekrempelt. Er und Stahnke bildeten gemeinsam mit Kramer, KK Rosenbohm, drei Steingesichtern vom LKA, deren Dienstränge außer Manninga niemand kannte, und vier weiteren Kolleginnen und Kollegen, abgestellt vom 2. Kommissariat, einen Halbkreis um die Plastikplanen, zwischen denen Mergner agierte wie auf einer Bühne. Einer mit einem ausgesprochen makabren Bühnenbild.

      »Na schön.« Mergner sah etwas enttäuscht aus, musste jedoch akzeptieren, dass der Kriminaldirektor hier das Sagen hatte. Auch Stahnke war klar, dass Manninga einen Fall von diesem Ausmaß einfach an sich reißen musste. Sie alle konnten schon froh sein, dass ihnen das LKA nicht gleich die Zügel aus der Hand genommen hatte. Damit aber fiel ihm die ungewohnte Rolle eines Teamspielers zu, eine Rolle, an die er sich nach all den Jahren als tonangebender Kommissariatsleiter erst mühsam zurückerinnern musste.

      »Wir haben hier vier Kinderleichen unterschiedlichen Alters, jedoch sämtlich jünger als dreizehn Jahre, und von ebenfalls stark unterschiedlicher Liegezeit. Das heißt, mit einer Ausnahme.« Mergner wies auf die beiden schwarzen Plastikplanen zu seiner Linken; auf einer davon lag auch der Schädel, den Stahnke selbst aus dem Boden geholt hatte. »Wie Sie sehen, haben wir es hier mit fast vollständig skelettierten Leichen zu tun. Die Knochen haben ihre Elfenbeinfarbe verloren und sehen eher rötlichbraun aus; zusammen mit dem relativ geringen Gewicht der Knochen und ihrem charakteristischen Klang lässt dies auf eine Liegezeit im Boden von mindestens zwanzig, vielleicht fünfundzwanzig Jahren schließen.« Merg­ner blinzelte zufrieden; jetzt hatte er sein Fachwissen doch noch an den Mann gebracht. »In beiden Fällen handelt es sich um Kinder weiblichen Geschlechts, erkennbar an den höheren, geraden Stirnpartien, den feinen Augenhöhlen und den Ansatzstellen der Nackenmuskulatur, die sich im Unterschied zu männlichen …«

      »Reicht«, knurrte der Kriminaldirektor. »Weiter.«

      »Das Alter beider Kinder beträgt im einen Fall zirka zehn, im anderen zirka elf Jahre«, fuhr Mergner fort. »Wir erkennen das am leicht unterschiedlichen Verknöcherungsgrad der Schädelnähte …«

      »Es reicht!« Diesmal bellte Manninga. »Nur die Resultate, habe ich gesagt.«

      »Beide

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