Fürchte die Dunkelheit. Peter Gerdes

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Fürchte die Dunkelheit - Peter Gerdes

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      Als Stahnke kurz vor acht die Tür zu seinem Büro öffnete, warteten Kramer und Maike Rosenbohm schon auf ihn. Vier weit aufgerissene Augen signalisierten ihm, dass ein Morgengruß verzichtbar war. »Was?«, sagte er stattdessen.

      »Frerichs ist tot«, sagte Kramer.

      Stahnke hatte nicht besonders gut geschlafen, war erst weit nach Mitternacht und nur mit Hilfe einer Dreiviertelflasche Bordeaux zur Ruhe gekommen und hatte wüst geträumt. Weder von Messerstechern noch von Kinderleichen, erstaunlicherweise; dafür hatte sich ein altvertrauter Alp zurückgemeldet. Enge, gewundene Gänge, Röhren mit bröckelnden Wänden, glitschige Gewölbe mit ansteigenden Wasserspiegeln. Alles eine Folge des Geburtstraumas, schon möglich. Immer aber ein Indikator für große Erschütterungen in seinem Leben. Früh war er aufgewacht, hatte sich noch einmal umgedreht und prompt verschlafen. Das Frühstücksbrötchen muss­te ausfallen, zum Schnellkaffee hatten ihm fette Schlagzeilen ekel­hafte Bruchstücke dessen entgegengestammelt, was er sowieso schon wusste. Den Weg ins Polizeigebäude hatte er sich durch eine Horde von Urhebern solcher Schlagzeilen bahnen müssen. Entsprechend matschig fühlte er sich.

      Also Frerichs war tot. »Was?!« Das war doch nicht möglich. Eine Katastrophe.

      »Er hat sich vergiftet«, sagte Maike Rosenbohm. »Beim We­cken heute früh lag er tot auf dem Boden seiner Zelle. Nichts mehr zu machen. Mergner ist bereits benachrichtigt.«

      »Und Manninga?«, fragte Stahnke.

      »Der auch«, sagte Kramer. »Er ist schon im Haus. Lässt ausrichten, er meldet sich. Wir sollen erst einmal weiterarbeiten.«

      »Was?!« Das sollte doch wohl ein Witz sein. Wie, bitte schön, sollten sie denn wohl »erst einmal weiterarbeiten«, womöglich auch noch »in aller Ruhe«, wo ihnen soeben in einem Fall, der die Öffentlichkeit schockierte, die Medien elektrisierte und dessen Dimensionen überhaupt noch nicht absehbar waren, die Schlüsselfigur abhanden gekommen war? Und was, wenn sie es hier nicht mit einem Einzeltäter zu tun hatten, wenn es Komplizen, wenn es weitreichende Verbindungen gab? Was, wenn sich in diesem Moment andere Kinder in der Gewalt anderer Verbrecher befanden, auf deren Fährte sie Frerichs hätte führen können? Die Schweine konnten frohlocken. Und die Kinder? Was konnten die?

      Kramers Blick war ruhig und fest wie immer. Stahnke fragte sich, ob er dasselbe dachte. Die Wahrscheinlichkeit war groß. Manningas Vorgehen war mehr als leichtfertig gewesen. Die Vernehmung eines Tatverdächtigen in einem Fall diesen Ausmaßes ging man nicht ohne Vorbereitung an, nicht einfach mal eben so nach einem harten Arbeitstag. Und schon gar nicht allein. Und wenn, dann brach man solch ein Verhör nicht mittendrin ab, nachdem man den Verdächtigen über die neuen Entwicklungen in Kenntnis gesetzt und selber überhaupt nichts erfahren hatte. Das war schlecht, das war stümperhaft. Jetzt hatten sie die Quittung.

      »Wie kann es denn angehen …« Stahnke sprach die Frage nicht vollständig aus. Das war auch gar nicht nötig. Klar, dass die anderen sie bereits ausgiebig gewälzt hatten.

      »Er muss das Gift von Anfang an bei sich gehabt haben«, sagte Kramer. »Außenkontakte gab es keine, nicht einmal mit einem Anwalt; er hat überhaupt keinen verlangt. Natürlich hat man ihn durchsucht, aber so eine Giftkapsel kann man leicht verstecken.« Kramer zuckte die Achseln. »Jedenfalls vermute ich, dass es eine Kapsel war. Dutzendweise Schlaftab­letten kommen ja wohl kaum in Frage.«

      Giftkapsel. Das klang nach SS-Manieren, nach Agenten, Verschwörern, die nicht in die Hand eines Feindes geraten wollten. Die sich strengen Verhören, vielleicht der Folter entziehen wollten, um ihr Wissen auf keinen Fall preisgeben zu müssen. Giftkapseln in falschen Zähnen, in den Schmucksteinen goldener Ringe, wo noch? Im Schuhabsatz? Im Knauf eines Spazierstocks womöglich? In welchem Jahrhundert lebten sie denn?

      »Mein Gott, Kramer«, stöhnte Stahnke. »Frerichs war Bandarbeiter bei VW, richtig? Und was noch?« Er ließ sich in seinem Schreibtischstuhl fallen, der unter ihm noch lauter stöhnte als er selbst.

      »Kindermörder, allem Anschein nach«, sagte Maike Rosenbohm. »Sein Selbstmord kommt ja einem Schuldeingeständnis gleich. Die ersten Morde liegen an die fünfundzwanzig Jahre zurück; eine lange Zeit, um sich darauf vorzubereiten, dass man eines Tages auffliegt.«

      »Ja«, sagte Kramer und nickte langsam, »ja, ich denke auch, dass dieser Zusammenhang offensichtlich ist.«

      Manninga ließ sie nicht rufen, er kam zu ihnen. Ohne Ankündigung stand er in der Tür, die Stahnke nicht hinter sich geschlossen hatte, beide Hände in den Hosentaschen und womöglich noch erschöpfter aussehend als am Abend zuvor. Stahnke fragte sich, ob der Mann zwischenzeitlich geschlafen hatte, ob er überhaupt zu Hause gewesen war.

      »Morgen«, sagte Manninga. Er wirkte bedrückt, vielleicht auch schuldbewusst. »Tja, unser Hauptzeuge ist tot.«

      Wenn du das mal weißt, dachte Stahnke.

      »Vor allem aber doch der Täter«, sagte Maike Rosenbohm. Es hörte sich an, als wollte sie ihren Chef trösten. Für Stahnke klang es ein wenig zu forsch. Als sei hier womöglich keine Riesenpanne passiert, sondern ein Ziel erreicht worden. Und was hieß überhaupt »der Täter?« Wie konnte sie sicher sein, dass es nur einen gab?

      Manninga ging nicht darauf ein. »Mal sehen, wie wir das der Presse verkaufen. Ehe Mergner seine Untersuchung nicht gemacht hat, geben wir jedenfalls nichts raus. Nachrichtensperre. Erst müssen wir wissen, was für ein Gift das war und wo er es versteckt hatte. Vorher können wir nicht beurteilen, ob man es bei ihm hätte finden müssen oder nicht.«

      Ziemlich taktisch gedacht, fand Stahnke. Aber Selbstkritik war in dieser Situation vielleicht auch etwas viel verlangt. Immerhin saß ihnen das LKA im Nacken.

      »Wir ermitteln erst einmal weiter wie gehabt«, fuhr Manninga fort. »Es gibt eine Menge auszuwerten und zu protokollieren. Ich denke, über Mangel an Arbeit muss sich heute keiner von uns beklagen. Also, halten wir uns ran.«

      Manningas Rücken war ein bisschen gebeugt, und Stahnke hätte schwören können, ein leises Schlurfen gehört zu haben, als sein Vorgesetzter den Raum verließ. Mein Gott, dachte er, was für ein trüber Auftritt. Das war ja nur noch ein Schatten.

      Er klatschte in die Hände, wie um alle Schatten zu verscheuchen, dabei war die Sommersonne längst wieder dabei, das selber und sehr nachdrücklich zu besorgen. »Ihr habt es gehört, Kolleginnen und Kollegen. Frisch ans Werk.«

      »Heute großes Floskel-Festival, was?« Maike Rosenbohm schob ab, die Tür nicht eben sanft hinter sich schließend.

      Kramer steuerte den Nebenraum an. Im Durchgang drehte er sich noch einmal um. »Immerhin wissen wir jetzt, warum Margarethe Frerichs überhaupt im Rasen gegraben hat«, sagte er.

      »Ach.« Stahnke war gespannt. »Und?«

      »Sie hatte einen Kabelanschluss bestellt, fürs Fernsehen. Das wäre recht teuer geworden, da die Erdarbeiten im Komplettpreis der Telekom nur bis zur Grundstücksgrenze oder knapp darüber hinaus enthalten sind. Da das Grundstück der Frerichs’ ziemlich groß ist, wären da eine Menge Meter extra berechnet worden. Also hat Frau Frerichs mitgeteilt, sie würde den Graben selber ausheben und nach Verlegung des Kabels auch selber wieder zuschütten. Man spart schließlich, wo man kann. Vor allem auf dem Dorf. Da gehört Sparen einfach zum guten Ton, ganz egal, ob man es nun nötig hat oder nicht. Geiz ist geil, sozusagen aus Prinzip.«

      »Dann ist die Frau also vor lauter Sparsamkeit auf die skelettierte Leiche gestoßen«, ergänzte Stahnke. »Und sofort zu ihrem Mann gerannt.

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