Fürchte die Dunkelheit. Peter Gerdes

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Fürchte die Dunkelheit - Peter Gerdes

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Flügeln, die gewölbten Lippen und den Grübchenschatten am Kinn.

      Dann schaute sie zu ihm her und lächelte ihn an, und es war wieder genauso wie beim ersten Mal.

      Oder nein, eigentlich nicht ganz so. Diesmal war er vorbereitet. Die heiße Woge kam diesmal als erfüllte Erwartung.

      »Guten Tag, Frau Haak. Geht es besser inzwischen?«

      »Ja, vielen Dank.« Sie richtete sich ein wenig mehr auf, und ihre gekräuselten Lippen schienen sie Lügen zu strafen. »Die Schmerzmittel wurden reduziert, jetzt bin ich viel klarer im Kopf, aber natürlich ist die Wunde noch zu spüren.«

      »Natürlich.« Er zog einen der beiden Besucherstühle neben das Bett und setzte sich. »Und wie sieht es mit der Erinnerung aus? Ist Ihnen seit gestern etwas Neues eingefallen?«

      Ihre Miene verfinsterte sich. »Leider nicht«, sagte sie mit leicht gepresster Stimme. »So sehr ich mich auch anstrenge, der Moment des Überfalls ist einfach wie ausgelöscht.«

      »Wahrscheinlich kann man so etwas nicht erzwingen.« Vielleicht mussten sie sich wirklich in Geduld üben. Eile war ohnehin nicht mehr geboten, dafür lag die Tat bereits zu lange zurück. Wenn es ein Raubüberfall oder ein versuchtes Sexualdelikt war, dann gab es eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass der Täter aus Leer oder zumindest aus der Region stammte und irgendwann erneut hier zuschlagen würde. Dann könnte eine Beschreibung auch nach Wochen noch nützlich sein. Voraus­gesetzt, die Erinnerung der jungen Frau kehrte überhaupt irgendwann zurück.

      Unbewusst hatte er sie sekundenlang fixiert. Erstaunt stellte er fest, wie sich ihr Gesicht in dieser kurzen Zeitspanne veränderte. Die wunderschönen geraden Augenbrauen waren aufeinander zugekrochen wie zwei borstige Raupen, die Stirn lag in Falten, die Nasenflügel bebten, die Lippen wurden schmal. Muskeln zitterten in ihren Wangen.

      »Sie brauchen sich nicht solche Sorgen zu machen«, versuchte er zu beschwichtigen. »Wir haben ja die Tatwaffe, und mit etwas Glück sind Fingerabdrücke drauf, die bringen uns dann schon ein Stück weiter. Wahrscheinlich liegt der Bericht des Labors schon auf meinem Schreibtisch. Ich war sowieso gerade auf dem Weg ins Büro, bin nur mal kurz auf einen Sprung hereingekommen, um zu schauen, wie es Ihnen geht. Also konzentrieren Sie sich mal schön darauf, wieder richtig gesund zu werden, nicht wahr?«

      Jetzt lächelte sie wieder. Aber ihre Lippen blieben schmal, und der Zauber wollte sich nicht wieder einstellen.

      Der Schock sitzt wohl doch noch sehr tief, überlegte Stahnke, während er durch die Korridore eilte, um dem typischen Krankenhausgeruch so schnell wie möglich zu entkommen. Dabei dachte er über seine eigenen Worte nach. »Ha!«, murmelte er vor sich hin. »Ganz wie der nette gute Onkel.« Das ärgerte ihn mehr, als er sich eingestehen mochte.

      14.

      Der Bericht wartete tatsächlich auf seinem Schreibtisch auf ihn, zusammen mit dem Messer, das in einer Plastiktüte steckte.

      Und vor dem Schreibtisch wartete Manninga.

      »Olthoff sagt, Sie hätten die Listen«, sagte der Kriminaldirektor und streckte seine Pranke aus. »Darf ich bitten?«

      »Klar.« Stahnke zog einen in der Mitte gefalteten Notizblock aus der Innentasche seines sommerlichen Leinenjacketts. »Bin noch gar nicht dazu gekommen, mir das mal näher anzugucken. Scheinen aber eine ganze Menge Autonummern zu sein.«

      »Keine Sorge, darum kümmere ich mich«, sagte Manninga, nahm den Block an sich und verließ das Büro.

      Stahnke schloss die Tür hinter ihm, verharrte einen Moment. Dann griff er erneut in seine Innentasche, zog ein Bündel Kopien heraus und legte sie in seinen Posteingangskorb, Schrift nach unten.

      »Chef?« Lautlos hatte Kramer den Raum betreten.

      Stahnke atmete tief durch und ließ sich in seinen Schreibtischstuhl fallen.

      »Ja. Was ist?«

      »Das Messer. Der Untersuchungsbericht ist da.«

      »Das sehe ich. Und?«

      »Fingerabdrücke sind drauf. Von einer einzigen Person.«

      »Gut! Endlich kommen wir weiter. Schon überprüft?«

      »Allerdings«, sagte Kramer. »Es sind die Fingerabdrücke von Marion Haak.«

      »Von …« Stahnke schüttelte den Kopf. »Eigenartig. Nur von ihr?«

      Kramer nickte: »Ausschließlich. Sonst ist nichts drauf.«

      Stahnke scheuerte sich an der Rückenlehne seines Stuhls wie ein Bär an einer Borke. »Also hatte der Täter Handschuhe an. Mist. Hatte gedacht, bei diesem hochsommerlichen Wetter haben wir in dieser Hinsicht mal Glück. Na ja, und die Frau Haak wird sich wohl gewehrt und dabei das Messer berührt haben. Oder sie hat den Griff angefasst, als das Messer in der Wunde steckte.«

      Kramer wiegte den Kopf: »Möglich. Dafür sind es allerdings sehr viele Abdrücke. Sie sind überall, sogar auf dem Klingenansatz sind welche. So als ob …« Er stockte.

      »Spekulieren Sie ruhig«, ermutigte ihn Stahnke.

      »Als ob es ihr eigenes Messer wäre.«

      »Wenn du eine Waffe besitzt, kann sie gegen dich gerichtet werden«, deklamierte Stahnke.

      »Wie bitte?«

      »Ach, irgend so ein Sprichwort. Hat mir mal ein alter Antiquitätenhändler gesagt, als ich einen Stockdegen bei ihm kaufen wollte.« Gekauft hatte er das Ding trotzdem, und jetzt verstaubte es irgendwo in einer Ecke seines Schlafzimmers. Aber den Spruch hatte er sich gemerkt. »Frau Haak sagt, sie könne sich an die Tat nicht mehr erinnern. Aber sie kann doch nicht vergessen haben, dass sie ein Messer besitzt, oder?«

      »Wer weiß – aber wahrscheinlich ist das nicht«, sagte Kramer. »Im ersten Bericht steht nichts davon. Sie und Maike Rosenbohm waren doch inzwischen bei ihr; hat sie Ihnen nichts gesagt?«

      »Nein«, sagte Stahnke. »Übrigens, woher wissen Sie denn, dass es Frau Haaks Fingerabdrücke sind? Ist sie etwa bei uns in der Kartei?«

      »Daher weiß ich es nicht«, antwortete Kramer. »Ich habe vorsichtshalber auch ihren Ausweis ins Labor gegeben, zum Gegenchecken. Für alle Fälle.«

      »Hatten Sie einen Verdacht?«

      »Ach nein.« Kramer winkte ab. Tatsächlich wand er sich ein wenig. »Nur eine Ahnung.«

      »Was für eine Ahnung?« Stahnke beugte sich vor und stützte die Arme schwer auf die Schreibtischplatte. »Jetzt aber mal raus mit der Sprache. Worauf wollen Sie hinaus?«

      Wer Kramer kannte, sah, dass er sich unbehaglich fühlte. Eigentlich war ihm nichts anzumerken, aber für einen Moment war sein Blick seltsam nach innen gekehrt. Dann gab er sich einen Ruck. »Wissen Sie, ich habe eine Nichte, die ist fünfzehn. Geht zur Schule. In deren Klasse gibt es seit einiger Zeit so eine seltsame Mode. Was heißt seltsam – pervers passt wohl eher.« Er fuhr sich mit dem Nagel seines ausgestreckten Zeigefingers über den Arm: »Sie nennen es ›Ritzen‹.«

      »Ritzen?« Stahnke hatte schon Selbstmörder mit aufgeschnittenen Pulsadern gesehen.

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