Fürchte die Dunkelheit. Peter Gerdes

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Fürchte die Dunkelheit - Peter Gerdes

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ihn, nur ihn allein. Dieser Blick konnte für niemand anderen gedacht gewesen sein.

      Jedenfalls nicht für Maike Rosenbohm. Die nämlich begrüßte die junge Frau völlig unbeeindruckt, höflich, aber sachlich und begann mit einer routinemäßigen Befragung, zunächst zur Person, dann zum Hergang der Tat. Stahnke ließ sich nun doch auf dem Plastikstuhl nieder, dankbar dafür, jetzt nicht selbst etwas tun zu müssen.

      »Wo kamen Sie denn her letzte Nacht, als es passierte?« Schnell war seine Kollegin bei den interessanteren Fragen angelangt. Sie klang geschäftsmäßig, fast desinteressiert, aber Stahnke wusste ja, dass das Absicht war. Raus mit den Emotionen aus den Erlebnissen, freie Sicht auf die Fakten schaffen. Gewöhnlich eine sinnvolle Taktik. Manchmal allerdings waren es gerade die Gefühle, die verdrängte Erinnerungen freispülten wie Gletscherbäche den Ötzi. Aber das stand so natürlich nicht im Lehrbuch.

      Die blonde Frau schaute die Polizistin irritiert an, schien Mühe zu haben, sich auf das Gespräch zu konzentrieren. »Am Abend war ich bei einem Konzert im Zollhaus«, antwortete sie dann. »Aber das war vor Mitternacht zu Ende. Ich bin danach noch etwas spazieren gegangen, weil es so eine herrlich warme Nacht war.«

      Tatsächlich lächelte Marion Haak eindeutig anders, während sie KK Rosenbohms Fragen beantwortete. Ernsthaft und beherrscht sah sie aus, sehr nett, sehr hübsch anzusehen, aber anders als vorhin. Klar. Maike Rosenbohm war eben eine Frau. Also doch. Das da gerade eben war ein Lächeln nur für ihn gewesen.

      »Etwas spazieren gegangen? Immerhin mehr als zwei Stunden«, warf Maike Rosenbohm ein. »Das nenne ich Ausdauer.«

      »Ach, das mache ich gerne hin und wieder. Vor allem durch die Altstadt und rund um den Hafen. Man kann dabei echt gut abschalten. Ich merke dann gar nicht, wie die Zeit vergeht.« Marion Haak ließ ihren Blick von Maike Rosenbohm zu Stahnke wandern und wieder zurück. Wieder spürte Stahnke die Eruptionen im Bauch, die heißen Wellen im ganzen Körper. Am liebsten hätte er die Augen geschlossen, um sich vor einer Überdosis dieses Blicks zu schützen und ihn gleichzeitig auf den Innenseiten seiner Lider für immer zu konservieren. Mühsam beherrschte er sich.

      »Und warum sind Sie dann wieder zum Zollhausparkplatz zurückgegangen?«

      »Na, weil mein Auto dort stand.« Mildes Erstaunen, fast schon eine höfliche Zurechtweisung klang aus Marion Haaks Stimme. »Ich arbeite draußen in Nüttermoor, das ist zu Fuß etwas weit, nicht wahr? Und weil es im Labor wieder einmal später geworden ist, war ich direkt von dort zum Zollhaus gefahren.«

      Maike Rosenbohm nickte. »Ist Ihnen während Ihres Spaziergangs etwas aufgefallen? Oder jemand? Vielleicht eine Person, die Ihnen folgte?«

      Die junge Frau überlegte; die steile Falte in ihrer hohen Stirn stand ihr gut, fand Stahnke. »Nein«, sagte sie dann. »Ich war allerdings auch nicht sehr aufmerksam.«

      »Gut.« Die Kommissarin blickte von ihren Notizen auf: »Und wie war das dann auf dem Parkplatz? Ein Angreifer oder mehrere?«

      Marion Haak schloss die Augen. Die Erinnerung musste quälend für sie sein, denn ihr ohnehin heller Teint war noch blasser geworden, fast schon so weiß wie das Bettzeug. »Ich weiß es nicht«, sagte sie dann mit brüchiger, rauer Stimme. »Vielleicht einer, vielleicht mehrere, keine Ahnung. Ich kann mich nicht erinnern. Nicht einmal daran, ob ich etwas gesehen habe oder nicht. Es ist einfach weg, verstehen Sie?«

      »Ja, das verstehen wir«, schaltete sich Stahnke ein. »Das ist alles sehr schwer für Sie, und wir wollen Sie nicht überfordern. Ruhen Sie sich jetzt erst einmal richtig aus. Morgen ist auch noch ein Tag.«

      Er stand auf. Auch Maike Rosenbohm erhob sich, allerdings deutlich langsamer als ihre Augenbrauen.

      »Kommen Sie«, sagte Stahnke und griff nach ihrem Ellenbogen. »Pausen sind manchmal einfach nötig.«

      Sie brauchte ja nicht zu wissen, dass er von sich selber sprach.

      8.

      Die Tür zu Manningas Büro stand offen und schickte einen Lichtkegel und eine Wolke erkaltenden Zigarettenrauchs hi­naus auf den dämmerigen Korridor. Der Chef arbeitete also noch, wie erwartet. Stahnke klopfte kurz an den Türrahmen und schob seinen massigen Körper über die Schwelle, ohne auf ein »Herein« zu warten.

      Alt sieht er aus, überlegte er, als er den Kriminaldirektor an seinem Schreibtisch sitzen sah. In einem übervollen Aschenbecher kämpfte die Glut einer nachlässig ausgedrückten Selbstgedrehten hartnäckig ums Überleben. Manninga hatte seinen Oberkörper halb zwischen die aufgestützten Ellbogen sacken lassen; sein Kinn lag auf der Brust auf. Nur die Schreibtischlampe brannte. Ihr kalkiges Licht ließ Manningas Haare schütterer als gewöhnlich wirken und zeichnete harte Schatten in sein erschlafftes Gesicht. Der Mann wirkte erschöpft, mehr noch: kaputt. Aber sehr viel besser sah Stahnke selber nach diesem Tag wohl auch nicht aus.

      »Wie war die Vernehmung?«, fragte er. »Haben Sie etwas aus Frerichs rausgekriegt?«

      Manninga schüttelte den Kopf: »Nichts. Kein Wort. Der Kerl schweigt wie ein Grab.«

      So abgedroschen und unpassend er diesen Ausdruck auch fand, Stahnke war einfach zu müde, um darauf zu reagieren. »Nichts zu machen gewesen? Nicht einmal für Sie als Quasi-Nachbar?«

      »Na, das ja nun auch nicht.« Manninga richtete sich auf und hob abwehrend die Handflächen. Die Finger seiner rechten Hand schimmerten gelblich. »Wir wohnen zwar im selben Dorf, aber gute Bekannte waren wir deswegen nicht. Gab ja kaum Berührungspunkte.«

      »Ach so. Na, ich dachte ja nur.« Müdigkeit machte reizbar, Stahnke wusste das, und auf ein Streitgespräch mit seinem Chef konnte er wirklich verzichten. Ein andermal gerne, aber nicht jetzt. »Aber Schweigen nützt ihm jetzt auch nichts mehr. Wir haben ja praktisch alles in der Hand. Und wegen des Mordes an seiner Frau ist er sowieso dran.«

      »Hab ich ihm auch gesagt. Dass er seine Lage nur durch Kooperation verbessern kann. Wenn überhaupt, unter uns gesagt. Aber er hat nicht reagiert. Ließ sich weder schocken noch gut zureden. Hat einfach dichtgemacht.«

      »Wen hatten Sie denn beim Verhör mit dabei?«, fragte Stahnke.

      »Wen? Keinen.« Manninga wandte sich zur Seite und zog ein weiteres Bündel Papier auf seine ohnehin schon mit Aufzeichnungen übersäte Schreibunterlage. »Wozu denn? Hier hat doch im Moment wirklich jeder genug zu tun. Oder glauben Sie, ich könnte ›Guter Bulle, böser Bulle‹ nicht auch alleine spielen?«

      Lass gut sein, dachte Stahnke. Wir brauchen beide unsere Ruhe.

      »Ist er noch im Arrest?«, fragte er noch, bereits im Gehen begriffen.

      »Ja«, sagte Manninga. »Haftbefehl ist schon seit gestern ausgestellt, und eigentlich sollte Frerichs längst in Oldenburg in U-Haft sein. Aber wegen der neuen Entwicklung dürfen wir ihn noch ein bisschen hier behalten, statt ihn hin und her zu karren. Spart ja auch mächtig Kilometer.«

      »Und damit Fahrtkosten«, ergänzte Stahnke überflüssigerweise. Irgendwie konnte er heute kein Ende finden. »Wollen Sie denn nicht auch bald mal Feierabend machen?«

      »Sicher«, sagte Manninga. »Bald. Aber vielleicht gehe ich vorher noch einmal zu ihm runter. Mal sehen.« Er beugte sich wieder über seine Papiere.

      Was für ein Job, dachte Stahnke und ging endlich.

      9.

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