Sand und Asche. Peter Gerdes

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Sand und Asche - Peter Gerdes

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Blitzlichtgewitter. Einzelne Rufe durchdrangen den Beifall. Sie klangen begeistert. Es durchrieselt sie heiß. Davon hatte sie geträumt.

      Zurück. Und die dritte Drehung auf halber Strecke nicht vergessen.

      Da war Daddy wieder. Er war aufgestanden, hantierte mit irgendetwas Glänzendem herum. Wollte wohl ein Foto machen. Waren hier denn nicht schon genügend Fotografen an der Arbeit? Aber so war Daddy eben. Wenn du willst, dass etwas ordentlich gemacht wird, dann mach es selbst.

      Jetzt rutschte ihm der Fotoapparat weg. Er bückte sich, erwischte das Ding gerade noch, ehe es aufs Hallenparkett knallte. Von wegen alles selber machen! Manchmal …

      Plötzlich schwankte sie. O Gott, die High Heels, schoss es ihr durch den Kopf. Aber die Schuhe waren es nicht. Hatte jemand sie geschubst? Ihr war, als hätte sie einen Schlag gegen ihren Oberkörper gespürt. Aber hier oben auf dem Laufsteg war doch niemand außer ihr.

      Brennend heiß wurde es jetzt, als hätte ihr jemand glühende Eisenstangen zwischen die Rippen und in den Oberarm gerammt. Dort begann es feucht zu werden.

      Ihr Körper vollendete die eingeleitete Drehung ohne ihr Zutun. Der Rand des Laufstegs näherte sich, passierte ihr Gesichtsfeld, entfernte sich wieder. Eins der runden Tischchen fiel krachend um, und sie begriff nicht, warum sie plötzlich darunter lag. Roter Wein aus berstenden Gläsern und Karaffen durchnässte sie. Köpfe mit runden, stummen Mündern drängten sich vor die gleißenden Scheinwerfer. Das Licht erlosch.

      3.

      Sonnenschein, eine leichte Brise, gedämpftes Brandungsrauschen, Möwengeschrei, lebhaft plappernde Menschen um ihn herum, ein bunter Strandkorb direkt vor seiner Nase – und das, obwohl er sich nicht etwa am Strand befand, sondern mitten im Ortszentrum: Lüppo Buss war mit seiner Entscheidung, Polizist auf der Insel Langeoog zu werden und zu bleiben, wieder einmal vollkommen zufrieden. Um nicht zu sagen glücklich. Ja, doch. Seit er vor einigen Wochen aus dem Dienstgebäude an der Kaapdüne aus- und zusammen mit Nicole in die schöne Etagenwohnung am Hasenpad eingezogen war, konnte er sich mit diesem Begriff, den er eigentlich hoffnungslos kitschig fand, durchaus anfreunden.

      Außerdem, was hieß schon kitschig. Waren das Strandkörbe mitten in der Fußgängerzone etwa nicht?

      Andererseits, was hieß auf Langeoog schon Fußgängerzone. Die war hier genau genommen überall, denn Autos waren streng verboten. Nicht einmal Busse oder Taxis gab es, stattdessen Fahrräder, Elektrokarren und Pferdefuhrwerke. Na gut, für die Erhaltungsarbeiten an der sturmflutgefährdeten Seeseite gab es ein paar Traktoren und andere Motorfahrzeuge, und für Notfälle stand auch ein motorisierter Krankenwagen bereit. Ansonsten aber herrschte Autofreiheit – Freiheit nicht etwa für das Auto, sondern Freiheit davon. Was für die Menschen hier ein Stück wirklicher Freiheit war. Davon war Lüppo Buss überzeugt.

      Dabei hatte er heute überhaupt nicht frei. Sondern Dienst. Ob sich die Kollegen auf dem Festland während ihrer Dienstzeit auch so fühlten? Lüppo Buss verschränkte seine Hände hinter dem Rücken, reckte die muskulösen Schultern und grinste. Sein Mittagessen in der Kupferpfanne zählte er natürlich zu seinen dienstlichen Obliegenheiten. Kontaktpflege war wichtig, wer wollte das bestreiten? Tja, in der Tat, wer? Hier war er sein eigener Chef.

      Und die Matjesfilets mit Bratkartoffeln waren wieder einmal hervorragend gewesen.

      Allzu lange war es nicht her, da hatte Lüppo Buss die Dinge noch etwas anders gesehen. Hatte sich hier auf Langeoog wie auf dem Abstellgleis gefühlt, abgenabelt von wirklich interessanten Fällen und verantwortungsvollen Aufgaben, gegängelt von arroganten Vorgesetzten, die glaubten, vom Festland aus die Dinge besser beurteilen zu können als er. Er war drauf und dran gewesen, das Inseldasein aufzugeben und sich anderswo hin zu bewerben, »nach Deutschland«, wie die Insulaner sagten. Zur richtigen Polizei, wie er es im Stillen nannte.

      Ein Glück, dass es dazu nicht gekommen war.

      Bester Laune spazierte der Oberkommissar die Barkhausenstraße entlang, Dienstmützenbezug und Uniformhemd faltenfrei, Mützenschirm und Sonnenbrille blitzblank poliert, die Hose messerscharf gebügelt, die schwarzen Schuhe glänzend. Hier zwischen Wasserturm und Haus der Insel brodelte, gerade jetzt zu Beginn der Hochsaison und kurz nach der Mittagessenszeit, das Leben – jedenfalls in einer insular gedämpften Form von brodeln. Von rechts und links grüßten ihn die Leute, teils weil sie ihn kannten, teils, weil sie in ihm eine ebenso inseltypische Erscheinung sahen wie in den innerorts aufgestellten Strandkörben.

      Inselpolizist Lüppo Buss, ein skurriles Stückchen Touristenkitsch?

      Er räusperte sich und prüfte den korrekten Sitz seiner Mütze mit der Handkante. Nein, das war er nun doch nicht. Sondern ein gewichtiges Stück staatlicher Autorität. Das sollte mal besser keiner vergessen. Auch er selber nicht.

      »Mensch, Lüppo, gut, dass ich dich sehe.« Eine pfannengroße Hand landete krachend auf seiner gestärkten Hemdschulter. Der Oberkommissar zuckte leicht zusammen. Stimmlage und Schlagstärke erlaubten keinen Zweifel daran, wer da gerade seinen staatsautoritären Patrouillengang in der Mittagssonne so respektlos unterbrach. Zumal sich ihm der Betreffende kurzerhand mitten in den Weg gestellt hatte.

      Seufzend nahm er die dunkle Brille ab. Jetzt, da dieser Trumm zwischen ihm und der Sonne stand, benötigte er sie sowieso nicht mehr.

      »Moin, Backe. Was gibt’s?«

      Der fleischige Riese verzog seinen Mund zu einem breiten Grinsen und entblößte ein gelbliches, sehr lückenhaftes Gebiss. Ein erschütternder Anblick, der jedoch durch den Ausdruck ehrlicher Freundlichkeit auf dem braunen, wettergegerbten Gesicht gemildert wurde.

      »Müll«, sagte der Riese.

      »Müll.« Lüppo Buss verzog das Gesicht, als läge der Unrat leibhaftig vor ihm. Gab es ein Thema, das weniger zur sonnenwarmen Sommerstimmung auf der Langeooger Flaniermeile passte als dieses? Und zu den Gedanken, in denen der Inselpolizist eben noch geschwelgt hatte?

      Lüppo Buss musterte sein Gegenüber, als handele es sich um einen überquellenden Müllbehälter. Natürlich war es nicht korrekt, solche Vergleiche zu ziehen, trotz der Trümmer in Backes Mund, seiner containerhaften Ausmaße und der fleckigen, kaum noch als weiß anzusprechenden Schürze, die er sich um die massive Leibesmitte geknotet hatte. In seinem übergroßen Fischerhemd sah Beene Pot­tebakker, genannt Backe, wie ein eingeborener Insulaner aus, noch weitaus mehr Kitsch-Klischee als Lüppo Buss und sämtliche Strandkörbe zusammen. Tatsächlich aber war Backe ein Zugereister und arbeitete erst seit wenigen Monaten auf Langeoog. Lüppo Buss erinnerte sich noch gut an seine beiläufige Routineüberprüfung Beene Pot­tebakkers, nach der ihm die Haare zu Berge gestanden hatten. Mittlere und schwere Körperverletzung, Rauschmittel- und Eigentumsdelikte in großer Zahl und bunter Folge fanden sich in Backes Akte; ein Wunder, dass dieser Riese immer mal wieder aus dem Strafvollzug entlassen worden war. Aktuell allerdings war kein Strafverfahren anhängig. Kein Grund also, einzuschreiten – Gründe genug aber, diesen Mann im Auge zu behalten.

      Was momentan weiter kein Problem war.

      »Ja, Müll.« Backe nickte eifrig, als sei er froh, verstanden worden zu sein. »Unser Container. Da hat sich schon wieder einer dran zu schaffen gemacht. Drum herum ist alles siffig, trotzdem ist der Kübel voll. Da entsorgt doch jemand seinen Dreck illegal. Auf unsere Kosten. Sauerei, nicht?«

      Der Inselpolizist nickte bedächtig. Auf Langeoog gab es keine Mülldeponie – und natürlich auch keine Verbrennungsanlage. Der Tourismus war die Haupteinnahmequelle, mit weitem Abstand; da musste man mit Wasser, Luft und Landschaft natürlich vorsichtig umgehen. Ebenso wie praktisch

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