Sand und Asche. Peter Gerdes

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Sand und Asche - Peter Gerdes

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mit seiner Kenntnis von Eiland und Leuten.

      Schade, dass er jetzt nicht hier ist, dachte der Oberkommissar. Aber er wischte den Gedanken gleich wieder fort. Immerhin hatte er damals einiges gelernt, das konnte er jetzt zur Anwendung bringen. Und so allein wie damals – ehe Stahnke überraschend auftauchte – war er diesmal nicht.

      »Äußere Verletzungen, die zum Tode hätten führen können, kann ich vorläufig keine erkennen«, sagte Fredermann. »Die vernarbten Schnittverletzungen sind allesamt nicht letal und außerdem schon älter.«

      »Was meinen Sie, Doktor, hat sie sich buchstäblich zu Tode gehungert?«, fragte Oberkommissarin Insa Ukena.

      Lüppo Buss musterte seine neue Kollegin aus den Augenwinkeln. Sie war deutlich kleiner als er, mit kräftigen Schultern und Oberarmen und einer dunkelbraunen Kurzhaarfrisur. Nicht sein Typ, das hatte er auf den ersten Blick festgestellt – Gott sei Dank. Dafür tüchtig, viel zu tüchtig eigentlich, um mit Anfang vierzig immer noch in beigeordneter Position tätig zu sein. Das Zeug zur Leiterin hatte sie, das konnte Lüppo Buss nach den wenigen Tagen, die Insa Ukena den Posten an seiner Seite innehatte, bereits sagen.

      Nicht, dass er das etwa schon getan hätte; der Inselpolizist neigte nicht zu übereilten Äußerungen.

      »Durchaus möglich«, beantwortete Fredermann Insa Ukenas Frage. »Zehn Prozent aller Magersüchtigen sterben an dieser Krankheit, das heißt, sie verhungern tatsächlich. Teilweise zieht sich das über viele Jahre hin. Ob das aber auch auf Angela Adelmund zutrifft, muss erst die Obduktion erweisen.«

      »Kaum zu glauben. Verhungern im Land des Nahrungsüberflusses«, murmelte Lüppo Buss. »Und dann finden wir sie in einem Container voller Essensreste. Was mir übrigens nicht gerade für eine natürliche Todesursache zu sprechen scheint.«

      »Das habe ich auch nicht gesagt«, erwiderte Insa Ukena scharf. »Man kann einen Menschen auch verhungern lassen. Einsperren, misshandeln, missbrauchen, quälen bis zum Exitus. Und dann einfach wegwerfen. Da gibt es reichlich Präzedenzfälle, das werden Sie ja wohl wissen. Nicht nur in Belgien oder Österreich.«

      Die hat Haare auf den Zähnen, dachte Lüppo Buss und schwieg.

      »Die Schnittverletzungen scheinen mir außerdem nicht alle bereits lange zurückzuliegen«, fuhr die Oberkommissarin fort. »Schauen Sie hier, an der Innenseite des rechten Oberschenkels. Die sind gerade mal verschorft.« Sie sprach Fredermann direkt an, ignorierte ihren Kollegen; auch das registrierte Lüppo Buss kommentarlos.

      Der Arzt nickte. Er untersuchte die Hände der Toten. »Rechtshänderin, unter Vorbehalt«, sagte er. »Lage und Laufrichtung der Narben, der alten wie der frischeren, lassen Selbstverletzung vermuten.«

      »Vermuten«, schnaubte die Polizistin. »Das heißt noch gar nichts.«

      »Natürlich äußere ich hier Vermutungen«, entgegnete Fredermann scharf. »Ich sag’s ja auch extra dazu. Dachte, es hilft Ihnen weiter, wenn ich Ihnen schon mal meine Meinung sage. Ich kann’s auch lassen. Dann können Sie auf den offiziellen Bericht von Doktor Mergner aus Oldenburg warten.« Er stemmte beide Hände in die Hüften.

      Lüppo Buss legte ihm beruhigend seine Hand auf den Ellenbogen. »Schon klar«, sagte er sanft. »Aber wieso Selbstverletzung? Warum sollte sich so ein armes Mädchen, das körperlich sowieso schon übel dran ist, auch noch selber Schaden zufügen? Von den Schmerzen ganz zu schweigen.«

      Fredermann warf noch einen bösen Blick zu Insa Ukena hinüber, dann wandte er sich Lüppo Buss zu. Dasselbe Spielchen, nur anders herum, dachte der. Albern. Aber so geht’s nun mal zu, wenn der Gruppendynamo surrt.

      »Diese ganze Magersucht ist doch eigentlich der Krieg eines Menschen gegen sich selbst«, erläuterte der Arzt. »Und der Körper ist dabei das Schlachtfeld. Die Ursachen liegen in der Psyche, grob gesagt. Sie können ganz verschieden sein. Der Körper jedenfalls muss alles ausbaden. Er wird durch Essensentzug für vermeintliche Unzulänglichkeiten bestraft. Und wenn das mal nicht klappt, also diese Art der Bestrafung, dann wird eben zu anderen Mitteln gegriffen. Zum Beispiel zum Messer.«

      »Wie, wenn das nicht klappt?« Lüppo Buss hatte zwar eine Vermutung, wollte aber sichergehen. »Warum sollte das Aushungern denn plötzlich nicht mehr klappen?«

      »Weil zum Beispiel eine Instanz vorhanden ist, die dafür sorgt, dass das lebensnotwendige Minimum an Nahrung aufgenommen wird«, antwortete Fredermann. »Dann staut sich der Selbsthass an wie ein plötzlich zugeschütteter Fluss, und der Druck muss sich anderweitig entladen. So etwas passiert durchaus nicht selten …« Er schaute Lüppo Buss in die Augen. »Da sieht man mal wieder, wie wichtig gute Fragen sind. Ihre zum Beispiel führt uns mit einiger Sicherheit zu dem Ort, wo sich Angela Adelmund zuletzt aufgehalten hat.«

      »Das wäre doch schon mal etwas«, sagte Lüppo Buss mit der gebotenen Bescheidenheit. »Weil sie doch ansonsten keinerlei Hinweise bei sich hat. Und, was glauben Sie, wo hat sie gewohnt?«

      »Im Panoptikum der Arschlosen«, sagte Fredermann.

      6.

      »Die Presse wollen Sie belügen?« Kriminaldirektor Manningas dunkle Augen fixierten Stahnke unter hochgewölbten Brauen hervor.

      »Warum nicht? Die belügen uns schließlich auch dauernd.« Der Hauptkommissar zuckte die Achseln und erwiderte den Blick ohne ein Zwinkern. Er lächelte nicht einmal. Echt cool, Alter, dachte er selbstzufrieden. Und dann grinste er doch.

      Manninga lehnte sich zurück, so dass sein Chefsessel in allen Verbänden krachte. Der Leiter der Polizeiinspektion Leer/Emden war ein erfahrener Mann hart an der Pensionsgrenze, breit und massig gebaut, mit großväterlichem Gebaren. Rein äußerlich war er Stahnke nicht unähnlich. Bloß etwas älter, grauer und dicker, überlegte der Hauptkommissar, dessen eigene weißblonde Stoppelfrisur eine natürliche Tarnung für altersgraue Haare bot.

      Nun, Manningas Altersvorsprung war Fakt, daran würde sich auch nichts mehr ändern. Figürlich aber, das musste Stahnke sich eingestehen, hatte in den letzten Monaten eine unwillkommene Angleichung stattgefunden. Auch er neigte zur körperlichen Fülle, die zwar von seinen breiten Schultern halbwegs kaschiert, von der Waage aber gnadenlos ausposaunt wurde. Vergangenes Jahr hatte Stahnke es geschafft, durch viel Bewegung und wenig Wein und Bier ein bisschen abzuspecken; auch der mit seinem Hausumbau verbundene Stress hatte das Seine dazu beigetragen. Über den Winter aber war er wieder bequemer geworden. Das Fahrrad hatte Staub angesetzt – etwas, wozu die Flaschen in seinem Weinvorrat gar nicht erst gekommen waren. Das Resultat trug er jetzt oberhalb des Gürtels vor sich her.

      »Wo Sie recht haben, haben Sie recht«, antwortete Manninga augenzwinkernd. »Aber wir reden hier nicht von der Blöd-Zeitung, sondern von der seriösen Tagespresse. Und natürlich von der Öffentlichkeit. Was glauben Sie, was wir da zu hören bekommen, wenn die Sache rauskommt! Und rauskommen wird sie früher oder später, das ist Ihnen ja hoffentlich klar.«

      Stahnke schob die Unterlippe vor. »Irgendwann sicher, aber nicht so bald, wenn wir es geschickt anfangen«, sagte er. »Und dann wird die Reaktion davon abhängen, wie erfolgreich wir waren.«

      »Tja.« Manninga nickte. »Das ist es eben. Können Sie mir für den Erfolg Ihrer Aktion garantieren?«

      »Garantien gibt es keine in unserem Geschäft«, sagte Stahnke.

      Schweigend schauten sie sich an.

      Es klopfte. Ehe Manninga antworten konnte, wurde die Tür geöffnet.

      Stahnke

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