Sand und Asche. Peter Gerdes

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Sand und Asche - Peter Gerdes

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letztlich führt ja doch eins zum anderen. So funktioniert Polizeiarbeit eben, nicht wahr, Stahnke?«

      Klingt nach Schlussansprache, dachte der Hauptkommissar. »Eine Chance haben wir natürlich noch, zu einem schnelleren Resultat zu kommen«, schnitt er Manninga das Wort ab. »Wenn man es denn eine Chance nennen will.«

      »Was für eine Chance?« Venema, dessen Rücken während des gesamten Gesprächs die Lehne seines Ledersessels nicht berührt hatte, straffte sich noch mehr.

      »Nun ja. Dass es der Täter noch einmal versucht, meine ich. Und dass wir ihn dabei überraschen und festnehmen können.«

      »Sind Sie wahnsinnig?« Venema schien aus seinem Sessel emporzuschnellen. »Was haben Sie vor? Wollen Sie meine Tochter als Köder missbrauchen? Menschenskind!«

      Diesmal hob Stahnke die flache Hand, um Venemas Eruption zu bremsen. »Davon kann überhaupt keine Rede sein«, sagte er. Dann lächelte er den Reeder schweigend an, um ihm die Gelegenheit zu geben, sich zu fangen. Das ging schnell.

      »Nicht wir sind es, die etwas vorhaben«, sagte er dann, »sondern der Täter. Davon können, ja müssen wir mit Sicherheit ausgehen. Sobald er erfährt, dass sein Anschlag erfolglos geblieben ist. Und das wird er, und zwar ganz einfach, wenn er morgen früh die Zeitung aufschlägt. Was genau er dann tun wird, wann er es tun wird, das wissen wir nicht. Alle Vorteile sind auf seiner Seite, während wir unsere Kräfte aufteilen müssen, weil wir zugleich schützen und ermitteln müssen. Und das wer weiß wie lange.«

      Er schwieg einen Moment, ließ seine Worte einsinken, bemerkte, dass Venema um eine Nuance erblasste. Dann öffnete er den Mund.

      Der Reeder aber kam ihm zuvor. »Das machen wir anders«, sagte er. »Ich werde meine Tochter in Sicherheit bringen. Soll die Öffentlichkeit ruhig glauben, dass sie tot ist. Eine Familie, die sich grämen könnte, haben wir ansonsten sowieso keine; Stephanie und ich haben nur einander.«

      »Sie wollen Sie für tot erklären lassen?«, fragte Manninga mit aufgerissenen Augen.

      »Ich möchte, dass Sie das machen«, sagte Venema fest. »Ich sorge für ein sicheres Versteck. Und ich weiß auch schon, wo. Sie kümmern sich darum, dass der Mörder gefasst wird.« Der Reeder nickte. Für ihn schienen die Segel gesetzt, die Befehle gegeben zu sein.

      Manninga schaute Stahnke fassungslos an.

      Der breitete die Arme aus. »Wenn Herr Venema das wünscht, dann belügen wir eben mal die Presse«, sagte er und schämte sich seiner Scheinheiligkeit nicht einmal.

      7.

      Lüppo Buss hielt sich im Hintergrund, als Doktor Fredermann am Rezeptionstisch der Klinik stand und leise auf eine Frau einredete, die dort Dienst tat und deren schneeweiße Kluft das Diensthemd des Inselpolizisten an Blendkraft noch um eine Nuance übertraf. Was der Arzt sagte, war von hier nicht zu verstehen, aber das machte nichts. Der Oberkommissar wusste auch so, worum es ging. Und um das Überbringen schlechter Nachrichten riss er sich nie.

      Der Eingangsbereich der Klinik Waterkant, mehr Saal als Foyer, war durch einen geschlängelten Weg mit Mosaikpflaster, ausgedehnte Blumenrabatten, zwei Paar gläserne Automatiktüren und großzügig bemessene Fußmattenflächen dazwischen vom Straßentrubel abgeschirmt. Alles hier drinnen schimmerte silbrig oder strahlte bunt, alles sah nicht nur neu aus, es roch auch neu. Und ein bisschen teuer. Dabei war dieser Laden, so hatte der Oberkommissar gehört, durchaus nicht nur betuchten Privatversicherten oder Selbstzahlern vorbehalten. Vielleicht lag es daran, dass entsprechende Überweisungen nicht von Krankenkassen, sondern von den zuständigen Rentenversicherungsträgern vorgenommen wurden. Erstaunlicherweise schien in deren Kassen doch noch Geld übrig zu sein.

      Unweit des halbrunden Rezeptionstresens saßen zwei junge Frauen vor einem deckenhohen Blumenfenster und unterhielten sich lebhaft. Erst jetzt bemerkte Lüppo Buss, dass eine von ihnen in einem Rollstuhl saß. Ihre Größe war schwer zu schätzen, aber sie schien mehr als mittelgroß zu sein. Sie trug einen überdimensionierten Sommerpullover mit breiten Querstreifen in Schwarz und Weiß, der ihre Schmächtigkeit nur annähernd kaschierte. Ihre Hände waren langfingerig und zart, mit auffällig dicken Adern auf den Handrücken. Halblange, dunkle Haare bauschten sich über ihren Schultern, ihre Wimpern waren lang und dunkel, ihr dreieckiges, fein geschnittenes Gesicht war blass. Sie trug eine Brille mit schmalem, eckigem Rahmen aus dunklem Metall. Lüppos Blick registrierte lange Beine in aschgrauen Hosen, schlanke Füße in schwarzen Sandalen, gepflegte Zehen, farblosen Lack.

      Jetzt schlug sie die Beine übereinander. Merkwürdig. Wenn sie gar nicht gelähmt war, weshalb saß sie dann im Rollstuhl?

      Die Frau kreuzte die Arme über ihrem Schoß und lächelte ihre Gesprächspartnerin an. Ihre Wangenknochen traten dabei stark hervor, und dünne Falten bildeten sich, die senkrecht hinab zu den Mundwinkeln führten. Es war, als trete ihr Totenschädel für einen Wimpernschlag aus ihrem blassen Gesicht hervor. Lüppo Buss erschrak und wandte seinen Blick ab.

      Fredermann redete immer noch leise auf die Diensthabende in Weiß ein, die ihren Kopf in den Nacken legen musste, um dem langen Inseldoktor ins Gesicht schauen zu können, so dass ihr rotbrauner Pferdeschwanz frei an ihrem Hinterkopf baumelte. Jetzt nickte sie und griff zum Telefon. Die Miene der Frau war angespannt, ihre Stirn in Falten gelegt. Das Wesentliche schien der Doc ihr schon erzählt zu haben. Lange würde es hoffentlich nicht mehr dauern.

      Der Blick des Inselpolizisten blieb an einem weiteren Rollstuhl hängen, der leer an der Rezeption stand. Ein ungewöhnlich breites Exemplar. Gab es Rollstühle für Paare? Und wenn ja, wie koordinierten die wohl die Fortbewegung?

      Ein lautes Geräusch hinter ihm ließ Lüppo Buss herumfahren. Etwas Großes, Massiges bewegte sich da auf ihn zu, auf den ersten Blick ein Bär, der schwerfällig herantapste und -schlurfte, laut schnaufend und seinen Körper mit beiden Vordertatzen an der Wand abstützend, um ihn mühsam halbwegs in der Senkrechten zu halten. Aber Bären trugen natürlich keine ausgeleierten Trainingsanzüge im verblichenen Ethno-Look, und Bärenhintertatzen sahen nicht aus wie Elefantenfüße und steckten auch nicht in Aldiletten, deren Riemen beinahe von quellenden Fettwülsten unter bleicher, haarloser Haut überwuchert wurden.

      Der Mann – natürlich war es ein Mann, kein Bär – lächelte Lüppo Buss entschuldigend zu, während er an ihm vorbeistampfte, mit den Armen rudernd, als gingen die wenigen Schritte ohne Wandstütze schon über seine Kräfte. Erschüttert stellte der Inselkommissar fest, dass dieser Koloss noch relativ jung war, trotz seines zerquälten Gesichtsausdrucks; Anfang oder Mitte dreißig vielleicht. Sein Gewicht mochte an die vier Zentner betragen, vielleicht auch mehr. Himmel, wie konnte man nur so fett werden?

      Immerhin war damit die Funktion des überbreiten Rollstuhls erklärt.

      Die Frau in Weiß mit dem rotbraunen Pferdeschwanz stand plötzlich vor Lüppo Buss. »Doktor Fredermann hat mich so weit informiert. Natürlich können Sie Angelas Zimmer sehen, auch ohne Durchsuchungsbeschluss. Die Klinikleitung ist einverstanden. Wir sind alle tief erschüttert.«

      »Danke«, sagte der Oberkommissar und streckte seine Hand aus. »Mein Name ist Lüppo Buss.«

      »Angenehm«, sagte die Frau. Sie mochte knapp über dreißig sein; ihre goldbraunen Augen waren wach und unbefangen auf ihr Gegenüber gerichtet. »Ich bin Sina Gersema.«

      Angela Adelmunds Zimmer lag an einem Korridor, der mehr an ein Hotel erinnerte als an eine Klinik. Auch hier lag dieser typische Geruch nach kürzlich verlegtem Teppichboden und frischer Farbe in der Luft, ein Geruch, der eine neue oder zumindest gerade erst generalüberholte Umgebung signalisierte.

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