Die Sternschnuppenkinder - Band 5. Rebecca Netzel

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Die Sternschnuppenkinder - Band 5 - Rebecca Netzel

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Die Eltern bezahlten ihr und Rafi sogar die Kursgebühren für den Italienisch-Kurs, doch Rafi zeigte sich bald lustlos und sprang ab. So belegte nur Renate allein den Folgekurs. Und mit ihren Italienisch-Kenntnissen hatte sie jetzt gute Voraussetzungen für Spanisch gehabt, auch wenn sie anfangs oft sehr ähnliche Wörter verwechselte. Mit der Zeit gelang es ihr, die Wörter auseinanderzuhalten, und einige waren ja sogar gleich, wie »casa« für Haus.

      Nun saß sie in der mündlichen Spanisch-Prüfung den Lehrern gegenüber. Selbst die Direktorin war gekommen, denn sie freute sich über die Spanisch-AG an ihrer Schule. Die Direktorin sprach nämlich selbst Spanisch und stellte auch ein paar der Prüfungsfragen. Doch lag es nun an der Aufregung oder an der harten Aussprache des »rrrrr« im Spanischen – jedenfalls klebte Reni die Zunge am Gaumen wie ein trockenes Stück Leder, und mitten in der Prüfung fragte sie kläglich – sogar auf Spanisch –, ob sie nicht ein Glas Wasser haben dürfte?

      »Naturalmente!«, antwortete die Direktorin und schickte eine der Lehrerinnen, rasch ein Glas Wasser zu holen. Dankbar nahm es Reni und trank es in einem Zug leer. Dabei tropfte ihr etwas Wasser übers Kinn – und ehe sie sich’s versah, wischte sie es kurzerhand mit dem Ärmel ihrer schicken Bluse ab. Gleich darauf wurde sie rot. Wie ein Fuhrkutscher hatte sie sich benommen! Doch die Lehrer lachten nur gutmütig. Dann ging die Prüfung weiter. Reni war gut vorbereitet und ratterte ihre Sätze hinunter. Jetzt, nach dem Trinken, sprudelte ihr Spanisch hervor wie ein Wasserfall. Nur als sie im Eifer des Gefechts Mallorca größer sein lassen wollte als Kuba, fragte die Direktorin nochmal mit hochgezogenen Augenbrauen nach. Ach nein – natürlich umgekehrt!

      Schon war auch diese Prüfung überstanden. Reni saß noch ganz benommen da. »Was ist – wollen Sie nicht nachhause gehen?«, fragte die Direktorin.

      »Ach ja, ja!«, beeilte sich Reni zu sagen. Wie im Traum verabschiedete sie sich und ging heim.

      Zuhause fühlte sie sich wie eine Kranke, total erschöpft und ausgepumpt. Sie machte das Radio an, doch die Musik lärmte und dudelte ihr nur stumpfsinnig entgegen, und sie schaltete wieder aus. Als Suse von der Arbeit heimkam, fand sie ihre Tochter im Tiefschlaf. Lächelnd zog sie sich lautlos zurück. Als Reni ihr später mit Ringen unter den Augen entgegenkam, machte Suse ihr einen großen, dampfenden Kakao, wie in Kindertagen, den Reni dankbar trank. Rafi kam und sah seine Schwester kopfschüttelnd an. »Du siehst aus wie ein Zombie!«, stellte er fest.

      »So fühl’ ich mich auch!«, entgegnete Reni und schnitt ihm eine Fratze, etwa so, wie sie sich einen Zombie vorstellte.

      Dann, als sie erfuhren, dass sie zur mündlichen Prüfung zugelassen worden waren, lockerte sich auch die Spannung bei den Freundinnen. Sie schöpften wieder neue Hoffnung. Und als die »Mündlichen« herum waren und alle ein gutes Gefühl hatten, weil die Lehrer ihnen freundlich lächelnd ihre Zufriedenheit signalisierten und sich in positiven Orakeln ergingen, da beschloss Reni endlich, ihren Geburtstag nachzufeiern.

      Suse, die den Entschluss ihrer Tochter, die Geburtstagsparty zu verschieben, feinfühlig respektiert hatte, freute sich nun natürlich mit, dass ihrem Sprössling nun wieder die Freude am Leben zurückgekehrt war. Sie richtete eine prächtige Feier aus und bedachte dabei sogar, dass sie es mit angehenden jungen Damen zu tun hatte! Schon lange kein Kinderkränzchen mehr, keine rosa Torte mit Kerzen und Serviettenhalter mit Tier-Motiven, auch keine albernen Teeny-Gags, stattdessen ein schlicht-weißes Lebenslicht, das in einer mit Sand ausgestreuten Keramikschale prangte. Die Servietten waren lila marmoriert, in modernem Design mit Silberstreifen, und ein ebenso lila Hyazinthen-Töpfchen verströmte einen betörenden Duft. Die Geburtstagstafel war sehr stilvoll – Mutter Suse hatte Geschmack, das musste man ihr schon lassen!

      Als besondere Überraschung hatte sie ihrem großen Geburtstagskind und deren Gästen sogar zwei Flaschen Sekt kalt gestellt, wahlweise mit und ohne Alkohol, die Renate mit ihren Freundinnen »köpfen« durfte. Da standen alle feierlich auf und Melanie brachte einen Toast auf das Geburtstagskind aus. Den Rest Sekt tranken sie dann mit Orangensaft gemischt. Renate fühlte ein Kribbeln in der Magengrube – und das kam nicht nur vom Sekt! Mit neunzehn ist man eben endgültig erwachsen!

      Abifete!

      Hurraaaaaa!!!!!! Abi bestanden! Ein auffälliger Autokorso bewegt sich durch die Stadt: hupende Autos, aus denen grölende Abiturienten aus den Fenstern raushängen und den Leuten zujubeln: »Abiiiii! Abiiiii!« Sie sind total ausgeflippt vor Freude. Einige sind – das muss man leider sagen – schon ein wenig angetrunken. Manche Leute auf der Straße finden, das sei kein würdiger Zustand für angehende Erwachsene, und haben damit nicht Unrecht. Doch die vor Freude Überschäumenden hören davon nichts – sie sind schon längst weitergefahren. »Abiiii! Abiiiii!!!«, brüllen sie aus voller Lunge – endlich ist der übergroße Druck von ihnen abgefallen und die Erleichterung und Freude muss sich einfach Luft machen! Viele Leute lachen auch und haben Verständnis für die Freude der Jugendlichen. Mit dem Abi fängt schließlich ein neuer Lebensabschnitt an, und jung ist man ja auch nur einmal! Die ganze Welt könnte man umarmen! Es ist der totale Ausnahmezustand.

      Renate kommt sich auf einmal vor wie arbeitslos – nichts zu pauken, nichts zu lernen, morgens unbesorgt ausschlafen können, wie man möchte – dass es so was überhaupt gab, hatte sie ja schon ganz vergessen! Sie macht einen Spaziergang – der Tag gehört ihr, frisch und unverplant.

      Wie zufällig streicht sie um das alte Schulgebäude – es ist wohl die Macht der Gewohnheit, die sie hierhergeführt hat! So – aus dem alten Kasten war sie glücklich raus! Doch so etwas wie Melancholie kommt auf – außer Mathe war ja alles gar nicht so schlimm gewesen, manche Fächer – wie natürlich Bio – hatten ihr echt Spaß gemacht, und auch einige der Lehrer waren so nett gewesen, dass der Abschied doch irgendwie schwerfiel. Na, und von den Freundinnen erst! Denn sie wussten alle, bald würden sie sich in alle Winde zerstreuen – ihre Göttinger wie ihre Flensburger Freundinnen. Regine wollte eine Banklehre anfangen, Kirsten Krankengymnastin werden – sie zog es nicht zum Studium; Gabi hatte vor, eine kaufmännische Ausbildung anzufangen und Sabine wollte natürlich Informatik studieren. Die hatte auch das Zeug dazu – immer ’ne Eins in Mathe: für Reni unvorstellbar! Und auch die hiesigen Freundinnen, die Göttinger Sabine, Steffi und Melanie hatten schon so ihre Pläne.

      Doch – was war das? Das Gesicht dort drüben, neben dem Schuleingang, das kannte sie doch! Schon winkte sie Steffi zu. Dann standen sie sich verlegen gegenüber und musterten sich fragend.

      »Hey, was machst du denn hier, Reni?«

      »Dasselbe wollte ich dich fragen!«

      »Ich? Ich geh’ bloß so ein bisschen hier herumspazieren! Und du?«

      »Ich auch ...«

      Sie mussten lachen und beschlossen, gemeinsam in ein Café zu gehen. Dabei wärmten sie schon voller Nostalgie ihre Schulerinnerungen auf. »Komisch!«, sagte Steffi und schlürfte geräuschvoll von ihrem heißen Cappuccino, »ich dachte immer, wenn du mal von der Schule raus bist, dann verschwendest du keinen Gedanken mehr daran! Und jetzt ist es doch so!«

      »Ja – mir geht’s genauso!«, bestätigte Reni nachdenklich. »Vielleicht liegt das daran, dass mit der Schule ja auch unsere Kindheit endgültig zu Ende geht ...«

      »Na ja – wir sind doch schon längst keine Kinder mehr!«, protestierte Steffi lachend.

      »Nein, das nicht!« Auch Reni verwahrte sich entschieden dagegen. »Das will ich damit ja auch gar nicht sagen! Aber die meiste Zeit in der Schule waren wir ja noch klein! Und das Abi zieht dann sozusagen einen dicken Schluss-Strich unter diesen Lebensabschnitt!«

      Steffi nickte. Fein, wie die Reni das gesagt hatte. »Und du willst jetzt also gehen und die Viecher studieren?«, neckte sie ihre Freundin.

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