Die Sternschnuppenkinder - Band 5. Rebecca Netzel
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»Das Herzstück der Camargue ist Gott sei Dank Naturschutz-Gebiet!«, erklärte Reni ihrer Freundin Gabi. Natürlich ritten sie nebeneinander!
Alle Augenblicke flatterte ein weißer oder grauer Reiher vor ihnen auf, bunte Enten ruderten kopfnickend über die Wasserflächen, und einmal schwirrte sogar ein prächtig blauschillernder Eisvogel vor ihnen davon. »Toll!«, rief Reni begeistert. Hier gab es noch Natur pur, so richtig zum Auftanken!
Gegen Mittag machten sie Rast auf einer sandigen Rasenfläche. Alle packten munter schwatzend ihren Proviant aus. »Bäh! Meine Marmelade ist ja in der Hitze ganz klebrig geworden!«, sagte Gabi und betrachtete mit gekrauster Nase ihr durchweichtes Brot.
»Na gut – wenn du’s nicht magst, dann gib her!«, schmatzte Renate unbekümmert. Da beschloss Gabi, ihr Marmeladenbrot doch lieber selbst zu essen! Wer weiß, ob und wann sie heute irgendwo einkehren würden!
Dann schwangen sie sich wieder in den Sattel und weiter ging’s! Am hitzeflimmernden Horizont konnte man kaum noch unterscheiden, wo die Wasserfläche aufhörte und der Himmel anfing. Renate entdeckte im Vorbeireiten viele fremdartige Tiere und Pflanzen. Da gab es feuerrote Libellen, merkwürdige Disteln, die aussahen wie Gewächse von einem anderen Stern, und zahlreiche Wasservögel, die sie sonst nur aus Bestimmungsbüchern kannte. Hier aber spürte sie, wie sehr doch die vielfältige, bunte Natur aus unserem Alltagsleben verdrängt worden war! Als ihr das klar wurde, beschloss sie, mehr für den Umweltschutz zu tun. Sie sagte das auch ihrer Freundin Gabi. Die nickte nachdenklich. »Ja, stimmt! Viele von den komischen Viechern hier hab’ ich sonst auch noch nie gesehen!«
»Das sind keine ›komischen Viecher‹«!, protestierte Reni. »Und die gab’s früher in ganz Europa, bevor alle Sümpfe einfach trockengelegt wurden!«
»Na, aber man brauchte doch die Flächen für die Landwirtschaft!«
»Und? Haben wir heutzutage nicht schon eine Überproduktion?«
»Ja, aber ich hab’ mal gelesen, in solchen Sümpfen gab’s früher auch Malaria und so ...«
»O.K, aber dagegen gibt’s ja heute Medikamente! Und wer wohnt denn hier schon?«
Doch bald vergaßen sie wieder ihre Grübeleien und gaben sich einfach der Schönheit der Natur hin. Dass man die Natur retten musste, so viel war beiden klar.
Nun erreichten sie die große Seefläche der Lagune. Und dort waren sie! Renis Herz schlug höher. Wie an einem afrikanischen See stelzten dort rosa Flamingos herum, wenn auch nicht so unzählig viele wie im Tierfilm, und wenn auch ziemlich weit entfernt. Aber es waren echte, frei lebende Flamingos und keine zahmen im Zoo, die man mal so eben schnell ohne Entbehrungen bequem sehen konnte. Hier hingegen rann der Schweiß in Strömen, alle plagten Hitze und Stechfliegen, aber alle waren glücklich. Als auch noch drei Flamingos mit majestätischem Flügelschlag direkt über ihnen flogen und ihre prächtig rotschwarzen Schwingen weithin leuchteten, kannte die Begeisterung aller keine Grenzen mehr. Wer hatte denn schon mal fliegende Flamingos gesehen? In den Zoos bekommen die ja alle die Flügel gestutzt!
In der Ferne sahen sie auch noch eine kleine Herde schwarzer Rinder durchs Wasser waten. Der kleine Trupp Kampfstiere schritt bis zur Brust im Wasser, fast schienen die Tiere zu schwimmen. Während Renate sich näher an die friedvoll-schönen Flamingos heranwünschte, war sie ganz froh, dass sie den wilden Stieren mit ihren langen Hörnern nicht näher kamen. Aber schön sahen sie aus, wie sie da so frei und ungebunden leben durften, als ihr eigener Herr! Reni kannte nur Kühe aus dem Stall oder auf engen Koppeln.
Abends legte sich der rotgoldene Schein der untergehenden Sonne auf die weiten, spiegelnden Wasserflächen. Das Konzert der Frösche lieferte eine urtümliche Untermalung, und ein einsamer großer Reiher stand, schwarz wie ein Scherenschnitt, vor den rotspiegelnden Wellen. Ein herrliches Bild! Renate erlebte da auf ihrem Pferderücken eine ganz neue Harmonie zwischen Mensch und Natur, eine fast vergessen geglaubte Einheit. Dass so etwas noch möglich war! Das galt es unbedingt für künftige Generationen zu erhalten, fand sie. Und insgeheim rechnete sie auch ihre eigenen Kinder dazu, die sie einmal haben wollte.
Abgekämpft, aber überglücklich fanden sie sich wieder bei dem Bauernhof ein. Müde stiegen sie ab, versorgten aber trotz allem noch pflichtbewusst ihre Pferde. Das gehörte schließlich auch dazu! Dann machten sich alle frisch und gingen in die große Stube.
Zum Abendbrot gab es frisches Bauernbrot mit Butter und Ziegenkäse, Crème fraîche mit Kräutern der Provence und in Scheiben geschnittenen kalten Lammbraten mit Rosmarin und Thymian. Alle langten herzhaft zu, denn sie waren wie ausgehungert nach der langen Tour.
Renate hatte mit ihrem Handy haufenweise Bilder und kurze Videos gemacht, besonders auf den Rastplätzen inmitten der schönen Landschaft, und sie hoffte, dass die tolle Stimmung, die sie umfing, später auch nur halbwegs auf den Fotos zur Geltung kommen würde.
An den folgenden Tagen kam ihr die noch fast unberührte, weite Urlandschaft schon richtig vertraut vor, und auch ihr Pferd war ihr schon ein richtig guter Kamerad. Gab es etwas Herrlicheres als einen solchen Erlebnis-Urlaub?
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