Handlungsfelder des Bildungsmanagements. Ulrich Muller
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Handlungsfelder des Bildungsmanagements - Ulrich Muller страница 14
Leitfragen und Impulse
■ Beschreiben Sie Veränderungsprozesse im Umfeld der Organisation, in der Sie arbeiten und welche Konsequenzen diese haben (und künftig bekommen könnten). Nehmen Sie dabei auch die nähere Zukunft in den Blick (2–3 Jahre).
■ Welche globalen Entwicklungen beeinflussen heute schon Ihre Organisation oder werden es in absehbarer Zukunft tun?
■ Was sind die großen Herausforderungen, vor denen Ihr Unternehmen steht?
■ Welche „Wildwassersituationen“ müssen die Lernenden, mit denen Sie arbeiten, bewältigen? Welche Kompetenzen werden dazu benötigt?
■ Wie würden Sie die Lernkultur in Ihrem Unternehmen kennzeichnen? Ist sie den zu vermittelnden Kompetenzen angemessen? Wo liegen Stärken und Schwächen?
■ Schreiben Sie einen Tagebucheintrag zu Ihren persönlichen „Wildwasserbedingungen“.
2.3 Systematische Begriffsklärung
Bildungsmanagement benötigt eine doppelte theoretische Fundierung, einerseits in der Erziehungswissenschaft, andererseits in der Managementwissenschaft. Eine Annäherung an ein systematisches Verständnis von Bildungsmanagement setzt daher die Klärung der beiden Teilbegriffe ‚Bildung‘ und ‚Management‘ voraus. Zu beiden Begriffen existiert eine Vielzahl von Definitionen und Ausdeutungen, die im Folgenden auch nicht annährend aufgearbeitet werden können. Die nachstehenden Überlegungen verstehen sich daher im Sinne einer Arbeitsdefinition.
Bildung
Zur erziehungswissenschaftlichen Fundierung stellt der Bildungsbegriff ein zentrales Kriterium dar. Dabei ist sinnvollerweise zu unterscheiden zwischen ‚Bildung‘ als einem allgemeinen Systembegriff für institutionalisiertes Lehren und Lernen, wie er z.B. zum Ausdruck kommt in Begriffen wie Bildungswesen, Bildungsplanung, Bildungsabteilung, Bildungsforschung etc., und einem umfassenderen, anthropologisch, geschichtsphilosophisch und pädagogisch begründeten Bildungsbegriff im Sinne einer theoretischen Fundierung. Neben systematischen Klärungen und empirischen Fakten muss diese Bildungstheorie auch Fragen einer normativen Orientierung thematisieren: Was sollen wir tun?
Auf den erstgenannten Systembegriff beziehen wir uns, wenn wir von Bildungsmanagement als Leitung von Bildungsorganisationen sprechen. Für dieses Leitungshandeln kann der zweite genannte, theoretische Bildungsbegriff Orientierung geben. Wenn zum Beispiel die Leitung und die Mitarbeiter eines Bildungswerks im Zuge eines Leitbildprozesses diskutiert, wozu es überhaupt existiert, was seine eigentlichen, „letzten“ Ziele sind, an welchen Vorstellungen zum Lernen und Lehren man sich orientieren will – dann geht es genau um jene Fragen, die eine Bildungstheorie beantworten kann, vielleicht aber auch nur aufzuwerfen in der Lage ist.
Diese normative Grundlegung ist nicht nur für das öffentliche Bildungswesen relevant, sondern auch – wenngleich in etwas anderer Akzentuierung – für die Bildungsarbeit in Betrieben. Auch unternehmerisches Handeln steht oft mitten im Brennpunkt gesellschaftlicher Wert- und Interessenskonflikte und bedarf einer rational nachvollziehbaren, ethischen Begründung. Gerade in einer sich schnell verändernden Welt ist es entscheidend, dass Unternehmen sich über die grundlegenden Werte verständigen, die strategische Entscheidungen der Führung und dem alltagspraktischen Handeln der Mitarbeitenden zugrunde liegen (vgl. Dierkes & Mützel, 2014).
Der Bildungsbegriff steht in der Tradition der europäischen Aufklärung. Wesentliche, bis heute wirksame Vorstellungen gehen auf die „klassischen“ Bildungstheorien aus der Zeit zwischen 1770 und 1830 zurück.4 Bildung kann verstanden werden als der Prozess, in dem Menschen sich Wissen, Haltung und Können aneignen, um ihr Leben selbstständig und verantwortlich bewältigen und gestalten zu können. Das Ergebnis von Bildung hat A. Kaiser (1985) als „Handlungsfähigkeit in Situationen“ beschrieben, W. Klafki (1996) spricht vom selbsttätig erarbeiteten und personal verantworteten Zusammenhang der drei Grundfähigkeiten Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Solidaritätsfähigkeit.
Bildung bezeichnet den Prozess der Entwicklung von Individualität und Persönlichkeit eines Menschen in der Auseinandersetzung mit der ihn umgebenden sozialen und natürlichen Umwelt. Sie ist auf Vernünftigkeit gegründet und erfolgt – als lebenslange Aufgabe – letztendlich selbstbestimmt, in eigener Verantwortung, als Selbstbildung. Diese Aufgabe betrifft den ganzen Menschen, „mit Kopf, Herz und Hand“.
Bildung bezeichnet ein reflexives Lernen, das auf Sinn bezogen ist und sich an einer normativen Grundlage, einem Ethos orientiert. Ein solches Ethos kann heute nicht mehr allgemein verbindlich formuliert werden, sondern muss in Verständigungsprozessen geklärt werden.
Die angestrebte Art des Lernens beinhaltet auch, sich gegenüber sich selbst und gegenüber seiner Umwelt distanziert kritisch verhalten zu können, sich, andere und Sachverhalte infrage stellen, weiterdenken zu können. Es zielt auf die Entwicklung einer kritischen Urteilsfähigkeit. Als kritische Auseinandersetzung, als ein Sich-Reiben am Gegebenen führt Bildung über das Gegebene hinaus und verweist auf die Entwicklung von Vorstellungen, wie die Welt auch sein könnte, wie sie sein sollte.
Im Mittelpunkt pädagogischen Denkens und Handelns steht der einzelne Mensch, den es nach seinen individuellen Entwicklungsmöglichkeiten zu fördern gilt. Erwartungen, die als Qualifikationsanforderungen von außen, z.B. von Staat, Wirtschaft oder Kirche, an das Individuum herangetragen werden, sind notwendige und berechtigte und auch potenziell hilfreiche Lernanforderungen. Sie sind aus pädagogischer Sicht jedoch daraufhin zu prüfen, ob sie auch der Entwicklung des Individuums dienlich sind oder dieser Entwicklung zumindest nicht entgegenstehen. Die Pädagogik hat also die Aufgabe, zwischen den Anforderungen an das Individuum und den Ansprüchen des Individuums zu vermitteln.
Im betrieblichen Handlungsfeld ist dieses pädagogische Denken in besonderem Maße außerpädagogischen Einflüssen ausgesetzt: Ein Betrieb investiert in Bildung, weil er sich davon erwartet, dass die Mitarbeiter dann ihre betrieblichen Aufgaben besser erfüllen können. Das Unternehmen ist interessiert an der Verwertung der Arbeitskraft seiner Mitarbeiter und erwartet, dass Bildung einen Beitrag zur Wertschöpfung leistet. Oswald Neuberger hat die damit angesprochene Ambivalenz unter Bezugnahme auf ein gängiges Motto der Personalarbeit in einem Wortspiel im besten Sinne „auf den Punkt gebracht“: „Der Mensch ist Mittelpunkt – Der Mensch ist Mittel. Punkt“ (vgl. Neuberger, 1990).
Die pädagogische Sicht auf den Menschen zielt also auf die Entwicklung seiner Subjektivität, die betriebswirtschaftliche Sicht auf die Verwertung seiner Arbeitskraft unter ökonomischen Gesichtspunkten ab. Vor diesem Hintergrund ist zu prüfen, ob auch im betrieblichen Kontext von ‚Bildung‘ im oben skizzierten Sinne zu sprechen ist oder ob, wie häufig unterstellt, ein unüberbrückbarer Interessengegensatz vorliegt. Auf der Grundlage einer Vorstellung von lebenslangem und „lebensbreitem“ Lernen ist unsere Arbeitshypothese die „Unteilbarkeit von Bildung“. Demnach wäre Bildung als eine Form kritisch-solidarischer Weltaneignung gleichermaßen die Grundlage sowohl für technische Innovationen als auch für den Einsatz für die Verbesserung der Lebensumstände von Menschen.
Management
Der Terminus ‚Management‘ geht zurück auf den lateinischen Ausdruck ‚manum agere‘: „an der Hand führen“. Im Italienischen wird daraus das Wort ‚manegiare‘: „handhaben, bewerkstelligen, an der Hand führen“ (ursprünglich auf Pferde bezogen, daher auch „zureiten“!), im Englischen bedeutet ‚to manage‘: „handhaben, bewerkstelligen, mit etwas zurechtkommen“, im übertragenen Sinne: „verwalten, bewirtschaften, leiten“. Im Deutschen hat sich der Begriff nach 1945 für „führen, leiten“ eingebürgert, wohl auch, um das durch die Nazizeit belastete