Das Schweigen der Kühe. Christian Macharski

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Das Schweigen der Kühe - Christian Macharski

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hohe Wangenknochen und Augen, die tief in ihren Höhlen lagen. Doch wenngleich er auf den ersten Blick einen hageren Eindruck machte, so hatte er doch einen recht sehnigen und muskulösen Oberkörper. Sein spärliches, dünnes Haar klebte fettig am Kopf. Den ganzen Abend schon tuschelten die beiden miteinander, aber Harry konnte nur Wortfetzen auffangen. Er mochte keine Fremden. Spätestens, seit dieser Dachdecker aus Krefeld seine Schwester unglücklich gemacht hatte. Doch bevor seine Gedanken wieder zurückwanderten in diese düsteren Zeiten, in denen er kurz nacheinander erst seine Frau und dann seine Schwester verloren hatte, öffnete sich die Falttür neben der Theke und Maurice trat mit Schweiß auf der Stirn und einem vollgekritzelten Zettelblock in die Gaststätte. Der Anblick seines Neffen zauberte ein kurzes Lächeln in das ansonsten sorgenzerfurchte Gesicht von Harry Aretz.

      Maurice versuchte seine Gedanken zu sortieren, nachdem er die Falttür wieder hinter sich geschlossen hatte. Er sah auf seinen Zettel: „18 Pils, 18 Korn, ein Alsterwasser und eine Cola light“, rief er seinem Onkel zu, der das Spültuch zur Seite legte und sofort mit dem Zapfen begann. Während er hochkon zentriert ein Glas nach dem anderen unter dem strammen Bierstrahl der Zapfanlage vorbeiwandern ließ, fragte er, ohne aufzusehen: „Alsterwasser für Haselheim ist klar. Aber für wen ist denn die Cola light?“

      „Ach, da ist noch so ein Typ von der Zeitung.“

      Maurice wollte gerade um die Theke gehen, um die Getränke auf ein Tablett zu laden, als der dünne Mann mit dem schüt te ren Haar, der auf dem Barhocker saß, ihn am Arm festhielt. Der Griff schmerzte.

      „Was da los da drinnen?“

      Maurice schluckte. Harry Aretz schloss den Hahn der Zapfanlage und sah herüber. Seine Augen verengten sich zu Schlitzen: „Lass den Jungen los.“

      Der dünne Mann lockerte seinen Griff und warf dem Wirt einen bösen Blick zu. „Was du für Problem?“

      Harry Aretz verschränkte die Arme vor der Brust. „Ich glaube, du solltest besser nach Hause gehen. Sonst hast du gleich ein Problem.“

      Der große bullige Mann, der die Szene bislang wortlos beobachtet hatte, erhob sich und schob seinen Freund Richtung Tür. Dann legte er einen Zwanzig-Euro-Schein auf die Theke, sah Harry Aretz durchdringend an und sagte mit brummiger Stimme: „Wir wollten sowieso gerade gehen. Stimmt so.“ Dann verließen sie eilig die Gaststätte.

       6

      Mittwoch, 7. Mai, 20.22 Uhr

      Will hatte sich erhoben und schlug mehrmals energisch mit dem Hammer auf den Holzsockel. Sein Blutdruck stieg in besorgniserregende Höhen.

      „Ruhe, verdammt noch mal“, brüllte er in die Runde, „seid ihr bekloppt geworden?“ Schnell ebbte die erhitzte Debatte im Saal ab und alle sahen zum Ortsvorsteher, dessen Halsschlagader deutlich sichtbar pochte.

      „Ich denke, wir können Folgendes festhalten, für der erste Punkt mal endlich abzuhaken“, bemühte er sich mit fester Stimme, wieder etwas Ordnung in die Versammlung zu brin gen. „Also: Wir beschließen hiermit, der unbekannte Ein bre cher der Name ,Lupo‘ zu geben.“

      „Pluto“, warf Haselheim dazwischen.

      „Ja, oder Pluto. Wie auch immer“, fuhr Will ihn entnervt an. „Auf jeden Fall werden wir bis zur nächsten Sitzung jeder mal überlegen, ob uns etwas aufgefallen ist, was beitragen kann zur Profilierung von diesem Pluto.“

      Peter Haselheim hatte sich in seinem Stuhl weit zurück gelehnt und bildete mit seinen Händen ein Dreieck vor seiner Brust. Er runzelte kurz die Stirn und sagte dann ohne aufzusehen: „Was der Herr Hastenrath meint, ist, dass wir zunächst ein Profil erstel ...“

      „Ich meine genau das, was ich gesagt habe“, herrschte Will den Lehrer an. Und zwar so vehement, dass Haselheim fast vor Schreck mit seinem Stuhl hintenübergekippt wäre. Eingeschüchtert setzte er sich auf und machte eine beschwichtigende Geste in Richtung Will.

      „Noch Fragen?“ Wills Augen funkelten zornig. Niemand hatte in diesem Moment eine Frage.

      „Gut“, hob er nach wenigen Sekunden wieder an, „dann können wir ja jetzt zum nächsten Tagesordnungspunkt über gehen.“ Will ließ seinen Blick durch den Saal schweifen, von einem zum anderen. Nachdem er sich vergewissert hatte, dass ihm jeder der Anwesenden wieder die volle Aufmerksamkeit schenkte, drückte er seinen Rücken durch und begann in einem nunmehr bedächtigen Tonfall: „In Zeiten wie diesen, meine sehr verehrten ...“

      In diesem Augenblick öffnete sich ächzend die Falttür. Maurice zwängte sich mühsam hindurch. Auf jeder Hand balancierte er ein Tablett, randvoll mit Getränken. Heribert Oellers sprang auf, um ihm durch die Tür zu helfen. Er nahm ihm ein Tablett aus der Hand und rief freudig in die Runde: „Nachschub!“ Unter frenetischen „Morris, Morris“-Rufen ging der junge Kellner daran, die Bier- und Schnapsgläser zu verteilen.

      Hastenraths Will trommelte mit den Fingern auf dem Tisch, um sich zu beruhigen. Mit versteinerter Miene wartete er ab, bis die erneute Unruhe sich halbwegs gelegt hatte. Dann schlug er noch einmal schwach mit dem Hammer auf den Block und setzte müde an: „In Zeiten ... ähm ... wie diesen, meine sehr verehrten ...“ Plötzlich sah er aus dem Augenwinkel, wie sich der 17-jährige Schüler, den die Tageszeitung geschickt hatte, umständlich erhob, seine Jacke von der Stuhllehne nahm und hastig die Cola light hinunterstürzte. Will unterbrach seine Ansprache und wandte sich direkt an den Schreiber: „Wo soll’s denn hingehen, junger Mann?“ Vielleicht klang er zu vor wurfs voll, aber das war ihm mittlerweile egal.

      Der Schüler errötete leicht und antwortete mit dünner Stimme: „Tut mir leid, ich muss noch nach Waurichen, die Übergabe eines vergrößerten Schecks fotografieren. Da hat der Frauenkegelverein einen ...“

      „Mich interessiert nicht, was die Waurichener Kegelfrauen machen“, polterte Will unvermittelt los, „ich sage dir eins, mein Junge. Du bekommst jetzt von unser Pressewart Richard Borowka hier neben mir die Pressemappe mit den Themas vom heutigen Abend. Und achte dadrauf, dass alle Namen richtig geschrieben sind. Falls nicht, werden alle Vorstandsmitglieder und denen ihre Angehörige mit sofortiger Wirkung ihr Zeitungsabo kündigen. Ist das klar?“

      Der Junge nickte verschüchtert. Dann trat Stille ein. Will war irritiert. Er sah über seine rechte Schulter und bemerkte, dass Richard Borowka leise schnarchte. Richards Kopf war mittlerweile leicht zur Seite gekippt und ein dünner Speichel faden hing an seinem Mundwinkel. Will rammte seinem Presse wart wütend den Ellenbogen gegen die Schulter.

      Borowka schreckte hoch: „Was? Wie? Nein, Rita, ich hab die Frau nicht angeguckt.“ Einige im Saal lachten. Will funkelte sie wütend an. Auf der Stelle verstummten sie.

      In der Zwischenzeit hatte Borowka sich wieder einiger maßen gesammelt. Schuldbewusst sah er zu Will auf: „Tschul digung, Will. Ich muss wohl ein kurzer Sekundenschlaf gehabt haben. Was muss ich tun?“

      Will atmete einmal tief durch und sagte dann: „Hier, gib der Jung von der Zeitung die Pressemappe.“

      Borowka erhob sich, nahm eine Mappe von dem Stapel, der auf einem Beistelltisch lag, ging zu dem jungen Mann von der Zeitung und überreichte sie ihm mit den Worten: „Hier, Jung. Und achte dadrauf, dass alle Namen richtig geschrieben sind. Falls nicht, werden alle Vorstandsmitglieder und denen ihre Angehörige mit sofortiger Wirkung ihr Zeitungsabo kün digen. Ist das klar?“

      Will schüttelte resignierend den Kopf. Dann sah er, wie Maurice, der längst mit dem Verteilen der Getränke fertig war, am anderen Ende

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